Herne. . Till Kaiser aus Herne-Süd kam als Mädchen zur Welt. Es folgte ein steiniger, einsamer Weg. Nun gründet er eine Selbsthilfegruppe „Transgender“.
Als er sechs Jahre alt war, stand Till Kaiser vor dem Spiegel und wusste, dass irgendwas nicht stimmt. „Ich sah mich - aber nicht in dem Körper, den ich gerne hätte.“ Er wollte sein wie seine Brüder, sah aber aus wie seine Schwestern. Heute ist Till Kaiser 29 Jahre alt und offiziell ein Mann. Der Weg dahin war lang und steinig. Denn Till ist als Mädchen zur Welt gekommen. Doch er fühlte sich schon immer wie ein Junge.
„Ich habe mir schon als Kind immer die Sachen von meinem Vater angezogen“, erinnert sich Till Kaiser. Sein Umfeld habe erwartet, dass er Mädchensachen trägt, Kleider und Strumpfhosen. Schließlich hörte er auf den Namen Kelly Louise. Aber er wollte weder Kleidchen noch Puppen. „Damals habe ich nicht gewusst, dass ich transgender bin, nur dass etwas faul ist“, sagt der Herner.
Lange sprach er nicht offen über seine Gefühle
„Die psychische Belastung ist sehr groß, wenn man im falschen Körper lebt.“ Till ging in Bochum zur Schule. Auf Klassenfahrten sei er alleine auf dem Zimmer gewesen. Niemand wollte mit ihm zusammen sein, erinnert er sich. Er habe nicht dazu gepasst – weder zu den Mädchen, noch zu den Jungen. Das Mädchen Kelly Louise, das immer nur in Jungenkleidung rumlief, zog sich immer mehr in ihre eigene Welt zurück. „Ich habe damals nicht offen über meine Gefühle gesprochen aus Angst vor noch mehr Ablehnung.“
Auch bei seiner Familie findet Till Kaiser keine Unterstützung. „Für die Eltern ist es schwierig“, sagt er. „Man verliert ja irgendwie sein geschlechtliches Kind.“ Dabei verändere sich nur der Körper, nicht aber der Mensch. Er habe es versäumt, frühzeitig mit seiner Familie über das Thema zu sprechen. Als Till sich dann entschließt, den Weg zu gehen, auch äußerlich ein Mann zu werden, steht ihm seine Familie leider nicht bei. „Ich musste den ganzen Weg alleine gehen – ohne Familie und ohne Freunde. Das war die Hölle“, sagt der 29-Jährige, den es immer noch sehr trifft, dass er kaum noch Kontakt zu seinen Eltern und den sieben Geschwistern hat.
Mehr Toleranz für Transgender, Lesben und Schwule
Ein bisschen mehr Toleranz wünscht er sich. „Wir leben doch nicht im 18. Jahrhundert“, sagt er mit einem Tonfall zwischen Wut und Enttäuschung. Da sollten Menschen so akzeptiert werden, wie sie sind – ob lesbisch, schwul oder transgender. Viele Menschen reagierten im ersten Moment positiv auf ihn und seine Geschichte, mit der er bewusst so offen umgeht, damit es kein Tabu-Thema bleibt. Doch dann spüre er wieder die Distanz.
„Transgender ist keine Krankheit“, betont Till Kaiser. Und dennoch musste er in den vergangenen drei Jahren von Arzt zu Arzt rennen, zu Psychologen und Endokrinologen wegen einer Hormontherapie. 2015 wurde er offiziell zum Mann – zu Till Christian Kaiser. Den Namen habe er sich schon als Siebenjähriger überlegt. Seine Ausbildung als Pfleger in einem Krankenhaus musste er zuletzt unterbrechen, um die großen Operationen durchführen zu lassen. Anfang des Jahres steht die letzte an, dann ist die Geschlechtsangleichung vollendet.
Neues Leben im neuen Körper
„Das Gefühl ist geil, einfach nur geil“, sagt Till Kaiser aus tiefster Seele und entschuldigt sich sofort für seine Wortwahl. Ihm gehe es einfach nur gut und er bereue nichts. Mit dem Ergebnis sei er sehr zufrieden. „Wer in so einer Situation ist, sollte diesen Weg gehen.“ Nun falle es ihm leichter, auf Menschen zuzugehen, Kontakte zu knüpfen. Er möchte anderen Betroffenen helfen, sich mit ihnen austauschen, verstanden werden. Deswegen gründet er in Herne eine Selbsthilfegruppe „Transgender“. Die Geschlechtsangleichung sei das Beste, was ihm passieren konnte. Daraus zieht er Kraft: „Egal, was für Probleme im Leben noch kommen, da lach’ ich drüber, denn ich habe jetzt, was ich immer wollte: Ich bin ein Mann."
>>> Selbsthilfegruppe „Transgender“ für Betroffene
Auf Initiative von Till Kaiser wird in Herne eine neue Selbsthilfegruppe „Transgender“ gegründet.
Sie ist für Betroffene aus Herne und Umgebung, die überlegen, ob sie vielleicht im falschen Körper geboren wurden oder den Weg zur Geschlechtsangleichung bereits gegangen sind. Auch Familien und Freunde sind eingeladen, damit sie ihren Angehörigen besser zur Seite stehen können.
Das erste Treffen findet am Dienstag, 11. Dezember, im Bürger-Selbsthilfezentrum (BÜZ), Rathausstr. 6, um 17.30 Uhr statt und soll dann regelmäßig stattfinden. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Informationen gibt es unter: HER 16 36 36.