Essen. Nach zwei Jahrzehnten des Carvens könnte für Skifahrer nun ein Stilwechsel anstehen. Die neue Technik soll schneller zu lernen sein.

Die Achtziger sind die Zeit der langen Latten. Auf Zwei-Meter-Brettern arbeiten sich Skifahrer die Pisten hinunter. Der enge Parallelschwung gilt als schick. Modebewusste Urlauber tragen neonfarbene Overalls, wenn sie durch die Alpen wedeln.

In den Neunzigern dann die Erlösung. Optisch, denn Neon ist out, aber vor allem am Fuß: der Carvingski wird geboren. Die Bretter werden kürzer und taillierter, die Schwünge größer und dynamischer, das Lenken einfacher. Kaum ein Sport verändert sich in dieser Zeit so sehr wie das Skifahren. Und heute? Es könnte nach zwei Jahrzehnten des Carvens der nächste Schnitt anstehen. Österreichische Skilehrer studieren eine neue Technik ein, die sie ihren Schülern beibringen wollen.

Der neue Stil

Er soll natürlicher und eleganter aussehen als das Carven. „Die Bewegungen sind nicht mehr so extrem, nicht mehr so gekünstelt. Die Füße stehen etwa so weit auseinander wie beim normalen Laufen, die Skier werden weniger aggressiv gesteuert“, sagt Rainer Schultes, Leiter einer Skischule im Pitztal. Starke Vertikalbewegungen soll es nicht mehr geben und auch keine Oberkörper, die sich radikal ins Tal drehen. „Diese Technik ist schneller zu lernen“, so Schultes. Einen Namen für sie gibt es noch nicht.

Der alte Stil

Der in die Jahre gekommene extreme Carving-Stil zeichnet sich durch das betonte Kantenfahren aus, gerne breitbeinig, so wie es vor allem anfangs zu sehen war. Wie Motorradfahrer legen sich manche Skifahrer in die Kurven, berühren hier und da sogar mit der Hand den Schnee. Sehr hohe Geschwindigkeiten können erzielt werden, aber ästhetisch ist das nicht.

Selbst bei den wenigen Hobbyskifahrern nicht, die das Carven tatsächlich perfekt beherrschen und die Kanten ihrer Skier einsetzen, so als würden sie wie auf Schienen bergab rauschen. Aber die Wahrheit ist ja: Die meisten schneiden ihre Schwünge nicht in die Piste, so wie es die Skilehrer vormachen, sie rutschen sie eher in den Schnee.

So schult Österreich um

Beim neuen Stil werden die Kräfte geschont, Schönskifahren heißt das Zauberwort. „Unsere Gäste wollen einen ästhetischen Stil fahren. Sie wollen schnell Erfolge sehen“, sagt Rudi Lapper, Ausbildungsleiter der Staatlichen Skilehrerausbildung in Österreich. Er betont, dass deshalb aber kein neues Material angeschafft werden muss. Der All-Mountain-Carver, also ein Allround-Ski, reiche aus.

Im Tiroler Pitztal sind sie die Ersten. Sie unterrichten bereits seit der vergangenen Saison nach ihrem neuen Skilehrplan. Alle anderen Skischulen des Landes haben noch ein Jahr Zeit, ihre 18.000 Skilehrer in Stilfragen umzuschulen. Die neue Technik wurde in der Alpenrepublik erfunden und könnte allein aus diesem Grund Beachtung finden. Vom Wintersport verstehen sie schließlich etwas, dort, wo die Menschen eher liften als laufen können. Da schaut man sich gerne etwas ab. Auch die Deutschen?

Deutsche Skischulen

Hierzulande ist der Rummel um die neue Technik überschaubar groß. Vor allem aus diesem Grund: Vom Beginn einer neuen Ära oder einer Revolution auf den Pisten mag man nicht sprechen.

„Aus unserer Sicht wird da eine Kampagne geführt“, sagt Thomas Braun, Chef des Bundeslehrteams beim Deutschen Skiverband (DSV). Österreich werbe damit, in drei Tagen das Skifahren beizubringen, „aber darauf ist auch unser deutscher Lehrplan ausgerichtet. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass ein Anfänger nach drei Tagen auf Skiern eine blaue Piste bewältigen kann.“ 2012 sei der deutsche Skilehrplan zuletzt modernisiert worden, eine Anpassung an das, was die Österreicher jetzt aufgeschrieben haben, sei schlicht nicht notwendig.

Rat an ältere Skifahrer

Thomas Braun hält wenig von der Devise „eine für alle“. „Wir vermitteln zwar eine Basistechnik, legen aber Wert darauf, dass diese an jeden Skischüler angepasst wird. Ein Skilehrer kann die individuellen Bedürfnisse erkennen.“ Das extreme Carven mache nur noch einen geringen Teil aus, es ist also auch in Deutschland Schnee von gestern.

Vermittelt wird jetzt eine Art modernes „Carving light“. Er stelle fest, sagt der Leiter der DSV-Skischule, dass unter den Experten die Technikdiskussion an Feuer verloren habe. „Auf den internationalen Skilehrerkongressen wird längst nicht mehr so viel darüber geredet wie noch in den Achtzigern und Neunzigern.“ So sei es zuletzt auch beim Gipfeltreffen in Argentinien gewesen. Ist der alpine Sport womöglich nach Jahrzehnten des Experimentierens beim perfekten Stil angekommen? „Jedenfalls unterrichten alle Nationen seit Jahren ähnlich“, sagt Braun.

Was jetzt geändert werde, seien Nuancen. Braun rät aber auch älteren Skifahrern und Fortgeschrittenen, immer mal wieder ein paar Stunden Unterricht zu nehmen: „Das Skifahren kann in jedem Alter optimiert werden. Wer vor 30 Jahren noch die Hoch-tief-Bewegung gelernt hat, wird sich wundern, dass er plötzlich neue Freude am Fahren entwickeln kann.“