Berlin. Lange sahen Wurzeln und Rüben neben Südfrüchten blass aus. Doch seit einigen Jahren werden sie wieder beliebter. Herbst ist ihre Zeit.
Man kann auf den Gedanken kommen, sie wären lieber im kühlen Dunkel des Bodens geblieben, die Knollen, Wurzeln und Rüben, die in diesen feuchtkalten Tagen in den Supermärkten, Bio-Läden und auf den Wochenmärkten liegen. Nicht grell und exotisch, eher erdig und unauffällig sind sie.
Foodblogger und Restaurants haben Pastinake, Schwarzwurzel und alle Formen der Rübe als trendy erkannt, während manch jüngerer Supermarkteinkäufer sie verwundert beäugt. Menschen der älteren Generation können da nur müde lächeln: Olle Kamellen. Sie sind mit dem Geschmack der Rüben und Wurzeln aufgewachsen.
Heute passt das Wurzelgemüse wieder in den Zeitgeist: Regional und saisonal soll der Einkauf sein, immer häufiger auch ohne Fleisch. Auch eine Knolle von weit her hat sich unter die heimischen gemischt. Ein Überblick:
Pastinake – würzig und vitaminreich
Vor 30 Jahren war die Pastinake – oder der Pastinak – in Deutschland kaum mehr zu finden. Heute erobern sich die Deutschen die beigefarbene bis gelbliche Rübe mit dem weißen Fleisch kulinarisch zurück. „Die Pastinake ist würzig, nicht ganz so süß wie die Möhre und riecht wie Sellerie“, beschreibt Susanne Gura vom Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (Ven) den Geschmack. Der Verein trägt die Wurzel seit seiner Gründung vor 30 Jahren im Vereinslogo.
Ursache für den aromatischen Geruch und den sehr würzigen Geschmack sind ätherische Öle, die bis zu 3,5 Prozent in der Pastinake enthalten sind. „Der Mineralstoff- und Vitamingehalt ist beträchtlich und übertrifft in den meisten Fällen sogar den der Möhre“, sagt Gabriele Kaufmann, Ernährungswissenschaftlerin vom Verbraucherinformationsdienst aid. Die Pastinake sei außerdem gut bekömmlich, rege den Appetit an, wirke harntreibend und helfe bei Magenbeschwerden. Wegen ihres geringen Nitratgehalts ist sie gut als Babynahrung geeignet.
Vielfältig einsetzbar
Trotz ihrer offensichtlich positiven Eigenschaften wurde die Pastinake irgendwann von Möhre und Kartoffel vom Speiseplan der Deutschen vergrault. Dabei wurde sie bereits seit dem 15. Jahrhundert vor allem als Viehfutter angebaut. Die alten Namen Hammel- oder Hirschmöhre erinnern daran. „Heute schätzen wir zum Glück wieder die Vielfalt. Deswegen kommen schon fast vergessene Arten wie die Pastinake wieder zurück“, sagt Susanne Gura.
Kulinarisch lässt sich die Pastinake vielfältig einsetzen. In Suppen, Soßen und Salaten, warm als Beilage zusammen mit Möhren und Kartoffeln. „Sie schmeckt auch als Püree, zum Beispiel gemischt mit Kartoffelpüree, oder mit Olivenöl und Knoblauch in der Pfanne gebraten“, sagt Susanne Gura.
Ernährungsexpertin Kaufmann empfiehlt eine Kombination mit Apfel und/oder Möhre: „Erdig und süß ergänzen sich gut.“ Auch roh in den Feldsalat geraspelt, als Carpaccio mit Parmaschinken und Avocado oder zu Käse bestreut mit Kürbiskernen und beträufelt mit Nussöl kann sie zubereitet werden. Nur zu scharf anbraten sollte man sie nicht, sonst kann sie bitter werden.
Steckrübe – tägliches Brot während Kriegszeit
„5 oder 6 Zentner Kohlrüben haben wir in jenem schlimmen Winter gegessen. Früh Kohlrübensuppe, mittags Koteletts von Kohlrüben, abends Kuchen von Kohlrüben.“ So erinnert sich der 1870 geborene Chef des Sächsischen Landeslebensmittelamtes, Walter Koch, an den sogenannten Steckrübenwinter 1916/17, als die gelblich-violette Kohl- oder Steckrübe während des Ersten Weltkriegs zum wichtigsten Nahrungsmittel für die deutsche Bevölkerung wurde. Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs war die Kohlrübe für viele Deutsche das täglich Brot. Ihr haftete die Erinnerung an Krieg an.
„Inzwischen ist die Assoziation mit dem Krieg bei der jüngeren Generation verschwunden“, sagt Susanne Gura. „Die Steckrübe passt wunderbar in die heutige Zeit, in der die Menschen immer mehr Wert auf regionale Ernährung legen.“ Denn sie kommt aus unseren Breiten. Sie ist gut haltbar, leicht verdaulich und voller guter Nährstoffe. „Sie ist schließlich das Speicherorgan der Pflanze“, erklärt Susanne Gura vom Ven, der die Steckrübe für 2017/18 zum Gemüse des Jahres ernennen möchte.
Gesunde Sekundäre Pflanzenstoffe
„Die Steckrübe liefert viel Energie, macht satt und enthält sekundäre Pflanzenstoffe wie Senföl“, erklärt Ernährungsexpertin Kaufmann. Senföle gehören zur Gruppe der Glucosinolate. Diese sorgen, wie auch bei allen Kohlarten, Radieschen und Meerrettich, für die leichte Schärfe und sind gesund. Denn Sekundäre Pflanzenstoffe schützen nicht nur Pflanzen etwa vor Fressfeinden – „man weiß, dass sie auch dem Menschen gesundheitlich nützen.“
In der Küche ist auch die Steckrübe vielfältig einsetzbar: roh in den Salat gerieben, in Suppen, als Kochgemüse zum Fleisch oder geraspelt und vermischt mit Möhren als Rösti. „Am besten schmecken die Kohlrüben mit aromatischer Würze wie Thymian, Kümmel oder Majoran und etwas Fett wie Sahne oder Crème fraîche“, findet Gabriele Kaufmann. Grundsätzlich schmecken Sorten mit weißem Fleisch häufig streng-bitter, milder sind die gelbfleischigen mit rotem oder grünem Kopf.
Topinambur – die Ewigkeitskartoffel
Dieses Knollengemüse, das optisch an die Ingwerwurzel erinnert und nach einem Indianerstamm benannt ist, kommt ursprünglich aus Nord- und Mittelamerika, wird aber inzwischen auch in Deutschland angebaut – hauptsächlich in Brandenburg und Baden, wo man vor allem Schnaps aus der kalorienarmen Knolle herstellt.
Wieder war es im Übrigen eine Hungersnot, die dafür sorgte, dass die Geschichte der Knolle umgeschrieben wurde: Französische Auswanderer brachten sie Anfang des 17. Jahrhunderts mit nach Europa – Topinambur hatte ihnen in Zeiten der Not das Leben gerettet.
Die bis zu drei Meter hohe Pflanze blüht gelb, ist verwandt mit der Sonnenblume, und ist sie einmal da, bekommt man sie nur sehr schwer wieder weg. Man nennt sie daher auch die Ewigkeitskartoffel. Unterirdisch verstecken sich kleine winterfeste Knollen mit gelber, brauner oder rotvioletter Schale, die „Sie lieben werden, wenn Sie Artischocke mögen“, beschreibt Susanne Gura den nussartigen Geschmack.
Topinambur besser nicht kochen
Die Knolle mit dem weißen Fleisch kann roh oder halb gar, gut geputzt sogar mit Schale, gegessen werden. Gabriele Kaufmann empfiehlt sie fein geraspelt in Salat oder in Butter gedünstet. Auch im Kuchen kann Topinambur zusammen mit Haselnüssen und Muskatnuss verbacken werden. „Kochen sollte man Topinambur nicht – das macht das Aroma kaputt“, rät Kaufmann. Und Maß halten: „Zu viel Topinambur bläht“, sagt Gurla.
Gesund ist die Knolle auch: Sie enthält mehr Eisen als Spinat, ist reich an Ballaststoffen – ist also gut für die Darmgesundheit – und ist besonders interessant für Zuckerkranke: Denn aufgrund ihres hohen Gehalts an dem Kohlenhydrat Inulin beeinflusst Topinambur den Blutzuckerspiegel nicht. Sie trägt daher auch den Namen „Diabetikerkartoffel“.