Berlin. Das neue iPhone 7 im zweiwöchigen Alltagstest: So fällt das Fazit zu Kamera, Display, Akkuleistung und fehlender Kopfhörerbuchse aus.
Soll ich das neue iPhone kaufen oder nicht? Diese Frage stellen sich jedes Jahr im Herbst vermutlich Millionen potenzielle Käufer – und vermutlich waren die meisten noch nie so verunsichert wie in diesem Jahr. Die Neuerungen – und vielleicht enttäuschten Erwartungen – sind mittlerweile hinlänglich bekannt. Doch wie nützlich sind die neuen Funktionen im tagtäglichen Gebrauch und wie störend zu Beginn bemängelte Mankos? Antworten darauf nach zwei Wochen Dauertest.
Gehäuse – neues altes Design
Eine der größten Enttäuschungen für viele Apple-Fans war, dass das iPhone 7 – entgegen des bisherigen Zwei-Jahres-Rhythmus – kein grundsätzlich neues Design bietet. Die Abmessungen der beiden neuen iPhones entsprechen ziemlich exakt denen der Vorjahresgeräte – allerdings haben die neuen etwas abgespeckt: Das iPhone 7 ist fünf Gramm, das iPhone 7 Plus vier Gramm leichter als das jeweilige Vorjahresmodell – im Alltag macht das keinerlei Unterschied. Wie schon beim iPhone 6s setzt Apple auf eine besonders widerstandsfähige Aluminium-7000-Legierung – Probleme mit verbogenen iPhones, wie beim iPhone-6-Bendgate, dürfte es also auch hier nicht geben. Das Telefon fühlt sich gewohnt stabil und hochwertig an.
Immerhin sind die Antennenlinien, bei Vorgängergeräten auf der Rückseite, nun an den Geräterand gewandert und damit deutlich dezenter. Im Großen und Ganzen sieht das iPhone 7 seinen beiden Vorgängern iPhone 6s und iPhone 6 zumindest von vorn zum Verwechseln ähnlich. Wer gerne zeigen möchte, dass er das neuste Gerät besitzt, sollte sich für die Farben „Schwarz“ oder „Diamant Schwarz“ entscheiden – beide sind neu und ziemlich schick, letztere ist aber ein Fingerabdruck- und Kratzermagnet.
Längst fälliger Sprung ins kalte Wasser
Die Konkurrenz, etwa Sony und Samsung, hat es schon lange vorgemacht – jetzt zieht Apple nach: Die neuen iPhones sind wasserdicht! Laut IP67-Standard zwar nur für 30 Minuten in einer Wassertiefe von einem Meter – aber gegen plötzliche Regengüsse oder den Sturz ins Spülbecken oder ins Klo hilft das allemal. Ein großes Plus für das neue iPhone! Beim Abdichten geholfen hat, dass der Home-Button nun kein echter Knopf mehr ist, sondern eine Sensorfläche. Obwohl man beim Drücken gar nichts bewegt, sorgt eine besondere Ruckel-Einheit, die Taptic-Engine, dafür, dass es sich trotzdem so anfühlt wie ein Knopfdruck – nach zwei Wochen wirk der Druck auf einen echten Knopf im iPhone 6s fast schon altmodisch. Außerdem fällt mit dem mechanischen Home-Button eine der größten Defektquellen weg – eine gute Entscheidung.
Innere Werte – Viel Power, viel Speicher
Die Leistungsdaten des neuen A10-Fusion-Chips wirken verschwenderisch: Bei Leistungsmessungen deklassiert es nicht nur seine Vorgänger-Chips, sondern auch die gesamte Konkurrenz – schneller rechnet derzeit mit Abstand kein Smartphone. Aber schon das iPhone 6s war extrem schnell. Im direkten Vergleich sieht man den Geschwindigkeitsvorteil des iPhone 7 zwar, derzeit dürfte es aber nur wenigen gelingen, ihr iPhone 6s auszureizen. Mit dem iPhone 6 dagegen klappt das schon eher, etwa bei grafisch aufwendigen Spielen. Nur zum Vergleich: Der Start eines iPhone 6 mit iOS 10 dauerte im Test etwa 50 Sekunden. Das iPhone 7 braucht dagegen nicht einmal halb so lang. Die Power ist also vor allem eine Investition in eine schnelle Smartphonezukunft.
Fast noch wichtiger ist aber eine andere Entwicklung: Bei günstigen Angeboten oder Vertragsverlängerungen wird meist das iPhone mit dem kleinsten Speicherausbau verkauft. Da dürfte sich in der Vergangenheit schon so mancher über die äußerst knapp bemessenen 16 Gigabyte geärgert haben – wobei davon sogar nur gut 12 Gigabyte zur Verfügung stehen. Mit Musik, Fotos und ein paar Spieleapps sind die schneller voll als gedacht. Ab sofort bietet das kleinste iPhone 32 Gigabyte Speicher an – ein echter Gewinn.
Neue Kamera – aus Eins mach Zwei
Eine der wichtigsten Neuerungen ist die Kamera von iPhone 7 und vor allem von iPhone 7 Plus. Besonders im Vordergrund stand dabei natürlich die Doppelkamera in letzterem. Neben der 12-Megapixel-Weitwinkelkamera hat Apple hier noch eine zweite mit „Tele“-Objektiv verbaut. Das erlaubt einen echten, optischen zweifachen Zoom. Das mag zwar nicht nach viel klingen – doch wer gern mit seinem Smartphone fotografiert, wird diese Option nicht mehr missen wollen. Einen digitalen Zoom bis zur 10-fachen Vergrößerung gibt es natürlich auch, allerdings auf Kosten der Bildqualität.
Außerdem bieten die beiden Kameras auch die Möglichkeit, Porträtaufnahmen mit geringer Tiefenschärfe aufzunehmen bzw. diese zumindest zu simulieren. Man kennt den Effekt von Spiegelreflex-Kameras, wenn bei einem Porträt das Gesicht scharf ist, der Hintergrund aber verschwimmt. Zum Start vor zwei Wochen war die Option noch nicht verfügbar, mittlerweile lässt sie sich aber in der öffentlichen Beta-Version von iOS 10.1 testen. Das funktioniert für Gesichter schon sehr gut und wertet Porträt-Aufnahmen merklich auf. Bei Objekten mit dunklen Kanten arbeitet die Automatik derzeit noch nicht ganz fehlerfrei – bis zum offiziellen Launch könnte das aber noch behoben werden.
Doch auch das „kleine“ iPhone profitiert kräftig vom Kamera-Update. Schließlich haben beide eine neue 12-Megapixel-Kamera. Der Bildsensor nimmt diesmal einen größeren Farbraum auf – mehr dazu, wenn es um das neue Display geht. Außerdem spendierte Apple diesmal auch dem kleinen iPhone einen optischen Bildstabilisator, was bessere Fotos im Dunkeln verspricht. Tatsächlich lassen sich vor allem Bilder, die im Dämmerlicht aufgenommen wurden, deutlich von denen der Vorgängergeräte unterscheiden. Hier bietet das iPhone 7 gegenüber dem iPhone 6s (und natürlich noch deutlicher gegenüber älteren Modellen) erheblich mehr Details und weniger Bildrauschen. Obwohl schon das iPhone 6s eine sehr natürliche, neutrale Farbwiedergabe bot, sehen die Bilder des iPhone 7 insgesamt noch einmal etwas natürlicher aus. Übrigens: Die Selfie-Kamera löst mit sieben statt fünf Megapixeln höher auf und macht sichtbar bessere Bilder – in Zeiten von Instagram und Snapchat vielleicht nicht ganz unerheblich.
Das neues Display ist ein echter Farbprofi
Wie gut die neue Kamera mit ihrem größeren Farbspektrum ist, sieht man allerdings nur wirklich gut auf Displays, die den größeren Farbraum auch anzeigen. Der LCD-Bildschirm des neuen iPhones tut das. Apple spricht einfach von einem Display „mit großem Farbumfang“. Für Foto- und Grafikprofis bedeutet das, dass das neue iPhone-Display nicht nur den sRGB-, sondern auch den DCI-P3-Farbraum unterstützt – und die jeweiligen Inhalte auch mit dem entsprechenden Farbprofil korrekt anzeigt. Laut den Display-Profis von displaymate.com ist es das farbtreuste Smartphone-Display, das sie je gemessen hätten.
Für Otto Normalverbraucher bedeutet das: Das iPhone 7 zeigt Farben nicht nur so naturgetreu wie kaum ein anderes Display, es bietet auch noch sattere Farben. Solch leuchtende Rot- und Grüntöne hat man selten gesehen – Fotos einer Blumenwiese strahlen wie nie, Hauttöne sehen so echt aus, wie man es von Displays schlicht nicht kennt. Natürlich waren die Displays von iPhone 6 und 6s alles andere als schlecht – im direkten Vergleich ist der neue Bildschirm aber eine spürbare Weiterentwicklung.
Kein Kopfhöreranschluss – Phantomschmerz oder echter Verlust?
Ein großer Aufschrei ging durch die Reihen der Tech-Presse, als sich bestätigte, dass Apple den geliebten 3,5-mm-Kopfhöreranschluss beerdigt. Nur noch ein Lightning-Kabel – das ist der Anschluss des Ladekabels seit dem iPhone 5 – lässt sich noch direkt ins iPhone stecken.
Dazu gleich vorweg: Für die große Mehrheit der iPhone-Käufer ist das erstmal kein großes Problem. Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen benutzt ohnehin die Mitgelieferten „EarPods“, wie die weißen Kopfhörer korrekt heißen. Beim iPhone 7 enden diese eben in einem Lightning-Anschluss. Für Verbraucher bringt das weder nennenswerte Vor- noch Nachteile. Auch Besitzer anderer Kopfhörer mit 3,5mm-Klinkenanschluss müssen sich nicht grämen, ein entsprechender Adapter liegt dem iPhone bei – im Test erwies der sich als so klein und leicht, dass er in der täglichen Nutzung nicht weiter störte.
Aber schadet das der Audioqualität?
Aufgeschreckt wurden vor allem die Audiophilen durch einen Bericht des IT-Portals heise.de. Dort hatte man nachgemessen, ob sich die Audioqualität zwischen Kopfhörerausgang des iPhone 6s und dem neuen Lightning-Adapter unterscheidet. Und siehe da: Tatsächlich klingt der Adapter im direkten Vergleich schlechter. Um den Unterschied hören zu können, müsse man allerdings einerseits einen Kopfhörer nutzen, der über 100 Euro kostet, und andererseits Audiomaterial hören, das mit 24-Bit aufgelöst ist.
Damit dürfte dieser Unterschied für den allergrößten Teil der Nutzer unerheblich sein – für Musik von Spotify oder Apple Musik ist auch mit besseren Kopfhörern kein nennenswerter Qualitätsunterschied auszumachen. Vorteile bringt der Schritt weg vom 3,5-mm-Stecker den Kunden allerdings auch nicht wirklich – und dafür einen ganz anderen Nachteil: Gleichzeitiges Laden und Musikhören ist ohne Adapter nicht möglich, es sei denn, man setzt auf Bluetooth-Kopfhörer.
Akku: Dauerläufer oder doch eher kurzatmiger Sprinter?
Schnell ist das neue iPhone, und dank Vierkernprozessor mit – je nach Bedarf – zwei Leistungsträgern und zwei Energiesparkernen trotzdem nicht über die Maßen energiehungrig. Gefühlt macht sich das tatsächlich leicht in der Akkulaufzeit bemerkbar – zumal Apple seine Energiespeicher in beiden Geräten noch einmal vergrößert hat. Länger als einen Tag hält das iPhone 7 trotzdem nicht, bei starker Benutzung manchmal auch kürzer. Das größere iPhone 7 Plus verfügt über einen größeren Akku, der immerhin auch stressige Tage gut übersteht – bei Tag zwei kann es dann aber schnell eng werden.
Fazit: Kaufen oder warten?
Wie also lautet der Rat für potenzielle Käufer? Ein Vergleich über den gesamten Smartphone-Markt ist nur bedingt sinnvoll. Wesentlicher als Leistungsprozentpunkte in Sachen Prozessor, Akku und Kamera ist die Entscheidung für eines der drei Mobil-Ökosysteme: Android, iOS oder Windowsphone. Wer aus der Android- oder Windowswelt wechseln möchte, kann unbesorgt zugreifen – auch mit seinem neuen Smartphone spielt Apple in der absoluten Topliga mit – einzig die Akkulaufzeit ist bei einigen Android-Konkurrenten spürbar besser. Zudem sind die Geräte zwar kostspielig (iPhone 7 ab 759 Euro, iPhone 7 Plus ab 899 Euro) aber dafür erheblich wertstabiler als alle Konkurrenzgeräte.
Für iPhone-Nutzer ist es ein Abwägen: Wer aktuell ein iPhone 6s besitzt, kann getrost warten, ob Apple im nächsten Jahr ein neues Design bringt – das zumindest munkeln bereits viele. Zwar ist das iPhone 7 in Leistungstests spürbar schneller, das iPhone 6s ist aktuell aber noch allen Herausforderungen gewachsen, derzeit ist das Leistungsplus meist noch überflüssig. Die bessere Kamera, Wasserdichtigkeit und mehr Speicher sind zwar willkommene Verbesserungen, aber vermutlich ist das für Besitzer des Vorjahresmodells kein ausreichender Grund zum Wechsel.
Anders sieht es beim iPhone 6 aus. Auch wenn das iPhone 7 keinen neues Design bietet, vom Funktionsumfang her kommt mit einem Upgrade ein deutlicher Mehrwert: Kamera, Display, Wasserschutz, 3D-Touch und vor allem mehr Speicher und viel mehr Power. Nachdenken sollte man über ein Upgrade auf das iPhone Plus: Neben der Doppelkamera und drei statt zwei Gigabyte Arbeitsspeicher ist vor allem das Plus an Batterielaufzeit nicht zu unterschätzen. Unbedingt sollte man das Gerät aber vorher einmal in die Hand nehmen – Nutzern mit kleineren Händen ist es oft schlicht zu groß. Trotzdem ist das iPhone 6 auch noch im kommenden Jahr ein gut nutzbares Smartphone. Wer also unbedingt ein neues Design wünscht, behält sein Gerät noch ein drittes Jahr.
Wer ein noch älteres iPhone sein eigen nennt, muss sich fragen, ob er oder sie wirklich noch ein Jahr mit der alten Hardware durchhalten möchte. Das iPhone 7 ist in eigentlich allen Belangen deutlich besser – und zudem das beste iPhone, das man im aktuellen Design-Zyklus bekommen kann.