Berlin. Viele begegnen Wespen mit Misstrauen. Doch wie sollte man sich im Sommer gegenüber den Insekten verhalten? Wichtige Tipps und Tricks.

„Ätzend, brennend und unerbittlich. Als ob man einen Becher mit Salzsäure über eine Schnittwunde schütten würde.“ So beschreibt der US-amerikanische Insektenforscher Justin O. Schmidt den Schmerz, den ein Stich der Feldwespe erzeugt. Er ließ sich von 150 Insekten aus aller Welt stechen, um eine Schmerzskala zu erstellen. Die schwarz-gelb gestreiften Insekten belegten einen der vorderen Plätze. Viele begegnen ihnen deshalb mit Misstrauen und bewaffnen sich jetzt im Spätsommer, der Hochsaison zweier besonders lästiger Wespenarten, mit Pestiziden und Klatschen, schlagen Nester in Eigenregie ab. Das sei gefährlich und unnötig, warnen Umweltschützer. Wespen vertilgen viele Pflanzenschädlinge, in einigen Teilen Deutschlands fehlen sie dieses Jahr.

Gibt es diesen Sommer weniger Wespen als sonst?

„Das kommt ganz darauf an, wo man wohnt“, sagt Julian Heiermann, Zoologe und Insektenspezialist beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), „Wespen brauchen warme, trockene Witterung.“ Besonders in West- und Süddeutschland habe es aber 2016 anhaltend stark geregnet. Wespen, die teils auch unter der Erde nisten, seien ertrunken. In vielen Nestern hätten sich Pilze gebildet. Entsprechend wenige Tiere sind dort jetzt unterwegs. „In den übrigen Teilen von Deutschland ist das aber kein Problem“, so Heiermann.

Geringere Ernten, wie etwa bei als Bestäuber fehlenden Bienen, seien nicht zu erwarten, sagt Dr. Michael Staab aus dem Bereich Naturschutz und Landschaftsökologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. „Nektar ist für Wespen nur eine Nebenmahlzeit für die ausgewachsenen Tiere. Aber um ihre Larven zu versorgen, jagen Wespen große Mengen anderer Insekten wie Schmetterlingslarven, die Schäden an Pflanzen anrichten können“, erklärt Staab. Eine wichtige Aufgabe, die Gärtnern Pestizide ersparen kann.

Wie sollte man sich verhalten?

Allgemein gilt: Ess- und Trinkbares abdecken, ruhig bleiben. Parfüm und bunte Kleidung können Wespen anlocken. Auf Süßes und Fleisch fliegen nur zwei Wespenarten: Die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe. „Diese beiden Arten bilden größere Kolonien als andere sozial lebende Wespen und gelten als aufdringlicher“, so Staab. Bis zu 12.000 Tiere können in bis zu zwei Meter umfassenden Nestern hausen. Diese beiden sind es auch, die bis in den Oktober aktiv sein können.

„Durch heftige Bewegungen oder Schläge fühlen sich die Tiere bedroht und können stechen“, sagt Heiermann. Auch Wegpusten sei nicht ratsam, Atem enthält Kohlendioxid, das den Wespen im Nest als Warnsignal dient. „Wenn eine Wespe droht, sich im Gesicht niederzulassen, sollte man sie am besten mit einer leichten Wischbewegung wegschieben – wie in Zeitlupe“, rät Heiermann. Wer doch gestochen wird und nicht allergisch reagiert, sollte vor allem kühlen. Gele aus der Apotheke können den Juckreiz lindern.

Was tun bei einem Nest am Haus?

„Wespennester dürfen laut Naturschutzgesetz nur mit ‚vernünftigem Grund‘ entfernt werden“, erklärt Heiermann – eine rechtliche Grauzone. Hornissen etwa, die zu den Wespen zählen, sind in Deutschland geschützt. „Ihre Nester zu entfernen, ist strafbar und kann hohe Bußgelder nach sich ziehen“, sagt der Insektenexperte.

Anders sieht es aus, wenn sich Wespen etwa in einem Kindergarten oder in direkter Umgebung von Allergikern angesiedelt haben. Dann komme eine Umsiedlung infrage. „In solchen Fällen berät die sogenannte Untere Naturschutzbehörde des jeweiligen Landkreises“, erklärt Heiermann. Wollen Anwohner ein Nest partout loswerden, sollten sie einen professionellen Schädlingsbekämpfer einschalten „und es keineswegs selbst versuchen“. Nachhaltig arbeitende Anbieter finden Verbraucher auf der Seite des Vereins zur Förderung ökologischer Schädlingsbekämpfung.

Kann man sich gegen eine Wespengift-Allergie impfen lassen?

Bei etwa drei Prozent der Deutschen löst Wespen- oder Bienengift schwerwiegende bis lebensbedrohliche Reaktionen aus. Für sie gibt es – wie bei Heuschnupfen – eine Hyposensibilisierung, um das überschwängliche Immunsystem langsam an das Gift zu gewöhnen. „Fünf Jahre lang bekommen die Patienten bislang beide Gifte gespritzt, bei 80 bis 90 Prozent der Patienten ist die Therapie erfolgreich“, erklärt Dr. Simon Blank vom Institut für Allergieforschung & Zentrum Allergie und Umwelt am Helmholtz Zentrum München. Aber das Gift von Wespe und Biene sowie auch das Gift der unterschiedlichen Wespenarten unterschieden sich – wenn auch nicht extrem.

„Das führt dazu, dass Patienten häufig unnötigerweise gegen mehrere Gifte behandelt werden – eine zusätzliche Belastung“, so Blank. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er deshalb jetzt eine Methode entwickelt, die nicht nur Allergien auf Wespen- und Bienengift voneinander unterscheidet, sondern auch unterschiedliche Wespengiftallergien auseinanderdividieren soll.

Dazu produzierten die Wissenschaftler in umfunktionierten Insektenzellen die Allergenkomponenten der Gifte von insgesamt sieben verschiedenen Insektenarten. „Dann wird den Patienten Blut abgenommen, mit den Allergenen zusammengebracht und die Allergie außerhalb des Körpers genau bestimmt“, erklärt Blank. So lasse sich der optimale Stoff für die Hyposensibilisierung zusammenstellen. „Für Wespengifte ist das bisher nicht möglich gewesen, das ist Grundlagenforschung“, so Blank.