Essen. Ranga Yogeshwar versteht es, Kompliziertes verständlich zu erklären. Zum Thema Corona tauscht er sich mit Deutschlands wichtigsten Experten aus.
Das Corona-Jahr begann für Ranga Yogeshwar mit einer guten Nachricht: Im Januar wurde sein Enkel Emil geboren. Der familiäre Nachwuchs inspirierte den 61-Jährigen dazu, sich in einem Vortrag Gedanken über dessen zukünftige Lebensumstände zu machen. „Emils Welt“ heißt das Ergebnis, mit dem Yogeshwar im Juni 2021 nach Oberhausen kommen will. Unsere Gegenwart wird freilich vom Thema Corona beherrscht – und auch da kennt sich der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalist mit Physik-Diplom sehr gut aus. Im Interview mit dem ehemaligen „Quarks & Co.“-Moderator wollte Stefan Moutty u.a. wissen, woher er sein Wissen bezieht.
Als Wissenschaftler und Journalist geben Sie regelmäßig zum Thema Corona Auskunft. Wie und in welchen Umfang informieren Sie sich darüber?
Ranga Yogeshwar: Ich lese viel, sehr viel. Weil ich gut vernetzt bin, rufe ich die ganzen Wissenschaftler aber auch an – Christian Drosten , Melanie Brinkmann, wie sie alle heißen. Und das Schöne ist, sie lassen mich nicht abblitzen. Manchmal schauen wir auch zusammen auf neue Studien. Einer, der es zum Beispiel sehr gut macht, ist Karl Lauterbach , der ist sehr fleißig. Da gab es schon Situationen, wo ich Karl angerufen und gesagt habe, „Komm, wir schauen uns zusammen diese Publikation an, ich verstehe da was nicht. Hast du das verstanden?“ Oder umgekehrt.
Wissenschaftler wie Christian Drosten werden aus bestimmten Kreisen ja gerade massiv angefeindet.
Ja, das war aber vorhersehbar. Im März war ich bei Maybrit Illner, da war Christian dabei. Ich sagte ihm, du wirst im Moment gefeiert, aber mach dich darauf gefasst: Irgendwann wollen sie deinen Kopf. Da hat er mich so ein bisschen schief angeguckt. Aber das ist eine völlig normale Dynamik. Am Anfang ist er der Lotse, weil es heißt „Gefahr, was sollen wir tun!“. Aber irgendwann belasten die Menschen die Einschränkungen so sehr, dass man den Überbringer der schlechten Nachricht zum Schuldigen macht.
Machen Ihnen die Corona-Leugner-Demos Sorge?
Wir Medienleute haben ein Gefallen an Ausnahmesituationen, die wir wunderbar dokumentieren. Aber wenn sie einfach mal durch die Stadt gehen, stellen Sie fest, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen Masken aufhat und sich an die Vorschriften hält. Wir sollten zuerst also darauf vertrauen, dass die meisten Menschen wirklich vernünftig sind.
Im Internet verbreiten sich aber auch diverse Verschwörungstheorien.
Ja, und ich finde, wir sollten es anders bewerten, wenn Falschnachrichten von Menschen mit sehr vielen Followern gestreut werden. Wenn du 1000, 5000 oder 10.000 Follower hast, bist du nicht mehr irgendein Typ, der alles behaupten kann, sondern ein Massenmedium. Und für die gelten andere Formen der Haftbarkeit. Wer so viele Follower hat, sollte sich nach bestimmten Regeln absichern müssen. Das hätte den Vorteil, dass diese manchmal sogar bewusst gestreuten Falschnachrichten juristische Konsequenzen nach sich ziehen würden.
Sie hatten sich für die Corona-App stark gemacht. Da hört man gar nicht mehr so viel von …
Leider, ja. Wir verpassen da wirklich eine Chance. Ich finde es absurd, dass wir die App nicht nutzen, wenn wir zum Friseur oder in ein Restaurant gehen – dann machen wir Zettelwirtschaft. Da könnte die App eine Menge helfen. Die Überforderung, die wir bei 50 Inzidenzen pro 100.000 Einwohner sehen, rührt ja daher, dass in den Gesundheitsämtern Menschen sitzen, die die Kontakte von Infizierten abtelefonieren. Böse ausgedrückt, ist es wie beim Rasenmähen. Das kann man mit einem ordentlichen Rasenmäher machen, oder man kann eine Nagelschere verwenden. Und weil man überfordert ist, kommt dann die Bundeswehr dazu …
Kommen wir zu Ihrem Vortrag im nächsten Jahr. Wie geht’s denn Ihrem Enkel Emil? Darf er zurzeit zu seinem Opa?
Ja, der darf zum Opa, er wohnt zum Glück gar nicht weit weg. Und da wir versuchen, den Kontakt auf eine kleine Gruppe zu beschränken, passt das ganz gut. Er ist ein süßer Fratz und für mich natürlich inspirierend. Wenn die Statistik gnädig ist, wird er das Jahr 2100 erleben. Vor dem Hintergrund der enormen Entwicklung, die meine Generation schon erlebt hat, und der Tatsache, dass sie nicht langsamer, sondern noch schneller läuft, kriegt man da ein anderes Gefühl bei bestimmten Themen. Beim Klimawandel zum Beispiel schieben wir vieles in die Zukunft, in einen zeitlichen Raum, der nicht mehr von uns verantwortet wird. Wenn ich aber Emil auf dem Arm habe, wird mir bewusst – da kannst du nichts schieben, der erlebt das.
Sie schauen in dem Vortrag in Emils Zukunft. Was sehen Sie denn da?
Emil wächst zum Beispiel in der ersten Generation auf, die mit großer Selbstverständlichkeit mit einer Maschine spricht. Und wenn er in der Pubertät ist, wird er in ein Land reisen können, in dem er die Sprache nicht kennt und dort einfach in sein Smartphone sprechen, das das dann live übersetzt.
Wird Emil auch mit einem Raketenrucksack zur Arbeit fliegen?
Nein, das ist so eine gestrige Vorstellung von der Zukunft. Er wird trotzdem mit Lichtgeschwindigkeit von zuhause da sein, wo man ihn braucht. Corona zeigt schon jetzt, wo es hingeht – von neun bis fünf Uhr im Büro hocken wird es zukünftig wohl nicht mehr geben. Und das wird Konsequenzen für unsere Städte haben. Wird es nach der Landflucht vielleicht wieder eine Stadtflucht geben? Viele Menschen werden sagen, „Unter diesen Bedingungen lebe ich doch lieber auf dem Land.“ Oder das Thema Einkaufen: Eine aktuelle Studie besagt, dass der Online-Handel nur ein Drittel des CO2-Austoßes verursacht wie der Handel über Geschäfte vor Ort. Wird man zukünftig noch shoppen gehen? Wir merken ja jetzt schon, dass da etwas passiert.
Man muss schon jetzt, im digitalen Zeitalter, ständig dran bleiben, um den technischen Anschluss nicht zu verlieren. Sind Sie einer, der jede Neuerung begeistert mitmacht?
Ich bin sehr offen dafür, war ich immer. Ich habe hier zum Beispiel ein supergeiles Studio für meine Videokonferenzen, da habe ich großen Spaß dran. Ich gehöre zu denen, die immer neugierig sind und wissen wollen, was es Neues gibt.
Sie formulieren die Hoffnung, dass Emils Welt eine bessere sein wird. Woher nehmen Sie bei Problemen wie dem Klimawandel Ihren Optimismus?
Er fußt auf der Erfahrung, dass wir uns medial solche Dinge immer ganz schlimm ausmalen, uns aber nicht trauen, wirklich hinzugucken. Es gibt das alte Narrativ, „Früher war alles besser.“ Stimmt aber nicht – früher war bei weitem nicht alles besser. Die Chefärzte rauchten, die Kinder durften gezüchtigt werden, der Analphabetismus, die Lebenserwartung – die ist in China seit meiner Geburt schon um das Dreifache gestiegen. Ist das nicht toll?! Der Mensch ist also immer bestrebt, die Dinge zu verbessern, und ich bin zuversichtlich, dass unsere und die nächste Generation umdenken werden.
„Emils Welt“: Ranga Yogeshwar blickt in die Zukunft
Im Rahmen der FUNKE-Reihe Spektrum Wissen kommt Ranga Yogeshwar am 24.6.2021 nach Oberhausen. Im Congress Centrum Oberhausen (Düppelstr. 1) hält er seinen Vortrag „Emils Welt“. Karten gibt es exklusiv auf www.wir-lieben-tickets.de für 49,90 €. Abonnenten dieser Zeitung zahlen nur 44,90 € (Vorteilscode: „Wissenschaft“).