Essen. Die Indie-Pop-Band erobert mit melancholischen Texten und Vincent Waizeneggers markanter Stimme die Festival-Landschaft. Wir sprachen mit ihnen.

Der Name ist Programm: Vincent Waizenegger (24), Robin Schmid (28), Moritz Bösing (31) und Leon Sennewald (24) kommen aus einer Provinz in Baden-Württemberg. Sennewald aus Waldburg, die anderen drei, allesamt Cousins, sind im ca. 4600 Einwohner umfassenden Vogt aufgewachsen. Den Sprung auf die großen Bühnen haben sie trotzdem geschafft – vielleicht gerade deshalb. Die Texte der Indie-Pop-Band sind vollgepackt mit Melancholie, Träumerei, Fern- und Heimweh. Das kommt an. Sie treten u.a. beim „Juicy Beats“ auf und standen bereits bei renommierten Festivals auf der Bühne. Mittlerweile ist das Quartett in der Großstadt angekommen, welchen Einfluss das auf ihre Musik hat, erzählten Schlagzeuger Sennewald und Bassist Bösing Maxi Strauch im Interview.

Provinz, inwieweit ist der Name überhaupt noch Programm?

Leon: Nicht mehr so, wie man es erwartet. Wir wohnen jetzt alle in Hamburg. Wir fühlen auch dieses Großstadtleben ein bisschen. Für uns hat sich das so entwickelt und im Moment ist es eher: Wir sind an dem Punkt, wo Provinz das ist, wo wir herkommen, das, warum wir so klingen wie wir klingen, und das, wo immer noch Geschichten passiert sind und passieren, die wir erzählen wollen.

Hat das auch Einfluss auf eure Texte?

Leon: Ich glaube, man hört unseren Ursprung auf jeden Fall raus. Also die Themen, die Bilder, die wir oder Vincent oft finden, sind geprägt davon. Abseits davon entwickelt sich aber auch alles gerade. So wie jetzt unsere Vergangenheit aus der Provinz in den Texten steckt, wird auch in ein paar Jahren die Stadt Einfluss auf die Texte haben.

Würdet ihr anders klingen, wärt ihr nicht auf dem Land großgeworden?

Moritz: In der Stadt gibt’s viel mehr Einflüsse und deshalb versuchst du auch, viele Einflüsse davon mit reinzunehmen. In der Provinz, da hat man vielleicht einen Einfluss und muss sich selber einen Sound kreieren. Und man hat natürlich auch viel mehr Zeit.

Verändert das Leben in der Großstadt schon jetzt eure Musik?

Leon: Wir sind tatsächlich gerade eher an dem Punkt, dass wir musikalisch wieder ein bisschen zurück zu den Ursprüngen wollen; im Studio wieder alles zu viert aufnehmen, zurück auf die vier Instrumente, die wir haben. „Back to basic“-mäßig.

Kommt daher auch der Tourname „Heimweg“?

Leon: Das Wort schwebte schon länger rum. Wir haben jetzt ein neues Lied geschrieben. Der Song stand dann schon, aber hatte irgendwie noch nicht das richtige Thema sozusagen. Und beim Schreiben gab es dieses Heimweg-Bild: Nach Hause kommen. Und das ist gerade jetzt, wo man weggezogen ist, auch total schön zu wissen, dass man diese Heimat hat.

Provinz: „Wir sagten uns nach dem Abi: Wir machen das jetzt zu 100 Prozent!“

Es gibt viele Schülerbands oder Bands, die früh angefangen haben. Was glaubt ihr, warum hat es bei euch funktioniert?

Leon: Wir haben zum einen nach dem Abi gesagt, wir machen das jetzt zu 100 Prozent, geben alles und studieren nicht nebenher, gehen auf Reisen oder sowas. Es motiviert einen und gibt einem auch den Platz und den Raum dafür und es fördert den Ehrgeiz. Und du hast zum anderen – und das gilt für alle, die es versuchen – diesen gewissen Faktor Glück. Du musst den Zeitgeist treffen. Und da hatte wir auch einfach ein Stück weit viel Glück, das hat gezündet und seitdem haben wir einfach sehr viel Arbeit reingesteckt.

Moritz: Und ich finde es wichtig, nicht nur zu covern. Sondern dass man direkt anfängt, eigene Sachen zu schreiben, auch wenn sie vielleicht erst schlecht sind. Und sich einfach austoben, Straßenmusik machen. Haben wir auch gemacht, da kriegt man dann auch ein dickes Fell.

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Ihr hattet einen holprigen Start: Als es bei euch richtig losging, hat euch die Pandemie wieder komplett aus der Bahn geworfen. Habt ihr ans Aufgeben gedacht?

Leon: Wir hatten ein Jahr davor gesagt, wir machen Musik jetzt zu 100 Prozent. Und haben dann auch in dem Moment gesagt, wir machen das zu 100 Prozent weiter. Es gab nicht den Moment, indem wir gesagt haben: Kacke, das war’s. Wir waren aber auch verhältnismäßig viel unterwegs in den zwei Jahren. Wir haben zum Beispiel viele Picknick-Konzerte mitnehmen können. Es hat sich gar nicht nach Stillstand angefühlt. Die ersten zwei Wochen waren vielleicht so, aber ich glaube so ging es absolut jedem, dass man zuhause saß und überhaupt gar nicht wusste, wie es weitergeht.

Wie ging’s dann weiter?

Leon: Uns hat die ganze Situation auch ein bisschen motiviert, wir haben dann angefangen, unser Merchandising selber zu machen, selber zu verschicken, haben uns Aufgaben gesucht. Wir haben noch eine EP aufgenommen … Wir waren verhältnismäßig eigentlich in einer guten Situation für Corona und deshalb war es eine motivierende Zeit.

Das wurde ja auch belohnt: Ausverkaufte Konzerte, 1Live-Kronen, sogar eine Nominierung für einen MTV Europe Music Award. Es ging ganz schnell ganz steil bergauf. Wie war das für euch?

Moritz: Man realisiert das gar nicht wirklich. Ich brauchte dafür schon eine Weile, und habe das dann Stück für Stück verarbeitet.

Leon: Es war auf jeden Fall eine tolle Bestätigung. Die 1Live-Krone haben wir 2017/2018 selbst noch geschaut, das war dann sehr aufregend für uns. Auch wenn es wegen Corona keine Veranstaltung gab. Nach diesen zwei Jahren Corona, in denen man sich irgendwie durcharbeiten und damit klarkommen musste, war es dann am Ende eine Bestätigung dafür, dass es sich gelohnt hat.

„Wir wollen organisch wachsen“

Macht ihr euch darüber Gedanken, dass der Hype auch genauso schnell wieder abflauen kann? Was tut ihr dagegen?

Leon: Wir versuchen nach wie vor alles immer noch organisch aufzubauen. Also unsere Konzerte nicht direkt in die Arenen hochzuverlegen. Es soll wachsen. Wir haben auch trotz allem letztes Jahr viele Erfahrungen machen müssen und dürfen, man lernt eben immer noch dazu. Es gibt kein Rezept, wie es funktioniert. Es ergibt sich alles immer. Und solange der Hype anhält, sind wir happy.

Jetzt steht auch eure „größte Tour“ an. Macht euch sowas noch nervös?

Leon: Wir haben letztes Jahr die Erfahrung gemacht, dass Touren eine Riesenaufgabe ist. Es macht riesig viel Spaß und es ist super aufregend, aber es ist auch immer sehr lang. Jede Nacht woanders schlafen, keinen richtigen Alltag und das über anderthalb Monate hinweg ... Es ist also immer noch so, dass wir alle ein bisschen nervös sind. Wir hoffen, dass alles funktioniert und wir wissen, was das für eine Aufgabe ist. Aber unterm Strich: Genau dafür machen wir’s.

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Bereitet ihr euch anders auf diese Tour vor?

Moritz: Ich glaube, ich mache ein bisschen mehr Sport davor. Es ist für den Körper einfach sehr anstrengend. Wenn man damit dann ein paar Wochen früher anfängt, kann man es auch super durchziehen.

Ihr seid ja auch gerade mitten in eurer Festival-Saison. Wie haltet ihr euch da fit?

Leon: Wir haben zwei Crew-Mitglieder, die eine Yoga-Ausbildung haben. Deshalb machen wir jetzt auf Tour jeden Tag immer einmal Yoga, und es gibt ein paar Dinge, die man in den Alltag einbaut. Vincent geht zum Beispiel joggen. Jeder macht ein bisschen für sich was.

Im vergangenen Jahr hattet ihr eure erste richtige Festival-Rutsche. Ist es dieses Jahr schon Routine?

Leon: Es ist immer noch aufregend, es bleibt auch aufregend. Es ist immer ein bisschen Klassentreffen-mäßig, man trifft die anderen Künstlerinnen und Künstler, und das ist immer lustig. Aber Auftritte bleiben Auftritte, man kann sich die Nervosität nicht abtrainieren. Aber es ist auch gut so, man braucht auch die Nervosität. Aber man weiß jetzt auf jeden Fall inzwischen, was auf einen zukommt. Man weiß aber nie, wie es ablaufen wird, wie es aussehen wird.

Tipps von Veteranen wie Axel Bosse

Holt ihr euch Tipps von Künstlern, die schon länger Festivals bespielen?

Leon: Auf jeden Fall. Man hat immer wieder Fragen, wenn zum Beispiel ein Auftritt nicht gut lief, dann erzählt man das und dann sagen die meistens irgendwas, das einen aufmuntert. Es ist gar nicht mal so das Gespräch, dass man dann immer hat, sondern es sind eher Dinge, die man sich abschaut oder die man bemerkt.

Zum Beispiel?

Leon: Wir hatten einen neuen Song zum erstmal live gespielt und voll verhauen. Das hat man nach außen nicht so wirklich gemerkt, aber wir waren total unzufrieden mit der Version, die wir gespielt haben. Und das zieht einen dann schon runter. Und dann haben wir das Bosse erzählt. Und der meinte dann: „Ach, das merkt keiner.“ Und hat uns dann Storys erzählt, was bei ihm schon schiefgelaufen ist.

Vergangenen Freitag kam eure neue Single „Blaue Stunde“ raus. Ist das der Auftakt zu einem neuen Album?

Leon: Es steht noch gar nicht so genau fest, im Moment sind wir eher an einem Punkt, an dem wir Musik machen und Musik aufnehmen und es einfach genießen, dass wir uns Zeit nehmen können und Zeit haben. Deshalb wollen wir uns gar nicht so festlegen. Aber mal schauen. Es wird noch ein bisschen neue Musik kommen.

>>> Hier spielen Provinz:

Juicy Beats, 24.7., 19-20 Uhr, Westfalenpark, Dortmund. Tagesticket: 70 €

San Hejmo, 18.9., 20.25-21.25 Uhr, Flughafen Weeze. Tagesticket: 129 €

Heimweg-Tour: 25.+26.3. Köln (Di ausverkauft, Palladium), 3.4. Münster (Halle Münsterland). Tickets ca. 50 €.

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