Essen. Die Stiftung Zollverein möchte Energie sparen und verzichtet auf ihre Eisbahn. Stattdessen werden die Rollschuhe ausgepackt. Ein Selbstversuch

Als Jean-Joseph Merlin im Jahr 1760 Violine spielend durch einen Saal rollte, wollte er seine Erfindung, die aus drei Rollen unter jedem seiner Schuhe bestand, unter die Leute bringen. Stattdessen raste der Rollschuh-Erfinder geradewegs in einen Spiegel und verletzte sich schwer.

Selbige Befürchtung stellt sich bei mir ein, schließlich schnüre ich mir nach gut 20 Jahren mal wieder Rollen unter die Füße – da hilft auch kein viertes Rad. Wie war das mit dem Vorwärtskommen?

Rollschuhbahn in Halle 5

Glücklicherweise sucht man Spiegel in Halle 5 der Zeche Zollverein vergebens. Rund um den grauen Betonboden stoppen angepinselte Pressspanplatten und Holzbalken den Rollfluss. Die Bande als greifbare Rettung. Premiere auf Zollverein.

Denn eigentlich werden zu dieser Zeit eher die Kufen gewetzt als die Kugellager geschmiert. Aber in diesem Jahr verzichtet die Stiftung Zollverein auf eine Eisbahn und lädt ab heute und bis zum 8. Januar zum Rollern unter einer großen glitzernden Discokugel.

Skaten auch in Bochum möglich

Der Wegfall der traditionellen Eisfläche hat gute Gründe, die Stiftung will Energie sparen und deshalb die stromfressende Eismaschine zumindest in diesem Jahr ruhen lassen. Auch die Jahrhunderthalle in Bochum verwandelt ihre 5000 qm große Fläche temporär in den „SkateSalon Ruhr“ (18.12.-8.1., Infos: jahrhunderthalle-bochum.de). Das Konzept ist ähnlich: wind- und wettergeschütztes Rollern, Fähigkeiten verbessern oder ganz neu starten, Workshops für Anfänger und Profis.

Auch in Essen dürfen neben den klassischen Rollschuhen die moderneren Rollerblades ausgepackt werden, auch wenn die rund 600 Quadratmeter große Rollschuhbahn ganz im Zeichen der 80er-Jahre steht. Herzstück: die Rollerdisco. Nostalgie trifft Trend.

Trendsportart JamSkaten

Das Rollschuhlaufen boomt. Erst populär in den USA, schwappt die Welle nach und nach zu uns, vor allem die Trendsportart JamSkaten, Tanzen auf Rollen und auf der Stelle, u.a. zu Disco, R’n’B und HipHop.

Tanzen? Ich habe schon Schwierigkeiten beim Stehen. Die früher heiß geliebten Inline-Skates und Schlittschuhe stehen schon seit Jahren eingemottet im Keller. „Wie Fahrradfahren“ ist das Rollen schon mal nicht – alles verlernt. Vielleicht liegt’s an den doppelreihigen Rollschuhen? Mühsam kämpfe ich mich an die hölzerne Balustrade. „Das ist eigentlich wie Schlittschuhfahren. Funktioniert genauso“, erklärt Carsten Helmich.

Workshops für Anfänger und Profis

Der Dortmunder Profi flitzt über den grauen Boden, als wären die Rollen unter seinen Füßen angewachsen. Der 57-Jährige rollert bereits seit über 40 Jahren. „Mit Pausen“, betont der Veranstaltungsmanager. Heißt: Jeder kann wieder einsteigen. Ich also auch. Auf Zollverein teilt Helmich sein Wissen bei Workshops, die Anfängern und Profis (für alle ab 12 Jahren) das „Jamskating“ näher bringen sollen.

Das könnte Sie auch interessieren:Showknaller am Silvesterabend

Bevor ich losstolpere, drückt mir Helmich Gelenkschoner in die Hand. „Am besten zieht man sich ein ganzes Schonerpaket an“, empfiehlt er. Helm & Co. sind zwar keine Pflicht in der ehemaligen Zentralwerkstatt, aber gerade für Anfänger ratsam. Die Rollschuhe sind ebenfalls geliehen, aber die Veranstalter empfehlen, falls vorhanden, eigene Skates mitzunehmen. Das Leihangebot ist begrenzt.

„Nicht laufen, schieben!“

„Am Anfang sollte man erstmal gemächlich Runden drehen, in der Nähe der Bande, dann löst man sich langsam.“ Verstanden – und wie? „Die Knie beugen, leicht in die Hocke gehen.“ Plötzlich klappt es mit der Balance. „Der ganze Körper ist gefragt, nicht nur die Füße.“

Die stehen V-förmig und werden nach außen gedrückt. „Nicht laufen, schieben!“ Gar nicht so einfach, immer wieder will ein Fuß hoch. Beim Profi wirkt es so leicht. „Es ist ein bisschen wie fliegen, man schwebt über dem Boden“, schwärmt er.

Tanzen zu Michael Jackson

Ich fliege höchstens auf die Nase, aber so langsam wird’s. Übung macht den Meister. Meisterlich bin ich nach einer Stunde zwar nicht, aber immerhin stehe ich mit Helmich sicher in der Mitte der Betonfläche und schaue mir ein, zwei Schrittfolgen ab. Bevor ich allerdings zu Michael Jacksons „Rock With You“ jamskate, drehe ich noch ein paar Runden in Halle 5 auf Zollverein. Die Violine lasse ich dabei zuhause.

>>> Info:

Zollverein-Rollschuhbahn, bis 8.1. (24.+31.12. geschlossen), ab 12.30 Uhr, Halle 5, Zeche Zollverein, Gelsenkirchener Str. 181, Essen.

Buchbar sind Timeslots von 1,5 Std. (Tageslaufzeit, ab 4 €, erm. 3 €) bzw. 2 Std. (Abendlaufzeit, ab 5 €, erm. 4 €). SkateJam-Workshops, versch. Daten, ab 18 Uhr (8.1. 17.30 Uhr), Tickets: 6 €, erm. 5 €. SkateJam Rollerdisco: 9 €, erm. 8 €. Rollschuh-Verleih: 4 € zzgl. Pfand.

Tickets ausschließlich an der Tages- bzw. Abendkasse. Weitere Infos: zollverein.de/erleben/rollschuhbahn