Essen. Rolf Zuckowski macht seit fünf Jahrzehnten Musik für Kinder. Seine Lieder schaffen es immer wieder auf die große Bühne – wie jetzt als Musical.

Können Sie die Monate aneinanderreihen, ohne eine ganz bestimmt Melodie im Kopf zu haben? Oder schleicht sich da immer wieder „Die Jahresuhr“, die niemals stillsteht, in den Gehörgang? Ist es möglich Schneeflocken zu beobachten, ohne „Es schneit, es schneit“ zumindest zu summen? Und möchte man nicht jedem Geburtstagskind, das einem am Herzen liegt, „Wie schön, dass du geboren bist“ vorsingen? Verantwortlich für diese noch Jahrzehnte nachhallenden Ohrwürmer ist Liedermacher Rolf Zuckowski. Mit seinen Hits schuf der heute 75-Jährige Kulturgut. Sein Weihnachtsklassiker „In der Weihnachtsbäckerei“ inspirierte sogar zu einem Musical. Was er von der Adaption seiner Lieder hält und was er über andere Musik denkt, erzählte der Hamburger ­Maxi Strauch.

Seit über 40 Jahren schreiben Sie Kinderlieder, haben damit ganze Generationen geprägt. Haben Sie damals mit so einem Erfolg gerechnet?

Rolf Zuckowski: Ich hatte sehr lange keinen Hit, sondern immer gleich eine Liedergeschichte, die sich ganz langsam Kreise erschlossen hat: „Vogelhochzeit“, „Schulweg-Hitparade“ … Mit „Du da im Radio“ 1981 rückte zum ersten Mal ein Song so richtig in den Fokus. Und dass sehr viele dieser Lieder heute noch als zeitgemäß gelten, das ist natürlich ein großes Glück.

Auch der Titel Ihrer im Mai veröffentlichten Autobiografie …

Ja, „Ein bisschen Mut. Ein bisschen Glück“ greift das auf eine Art auf: Den Mut zu haben, etwas anzupacken, an ein Lied zu glauben, an Kooperationen zu glauben, Menschen zu vertrauen und dann aber auch das Glück, im richtigen Zeitpunkt, den richtigen Nerv zu treffen. Ich bin sehr dankbar dafür.

Sie haben schon früh angefangen Musik zu machen, waren in einer Schülerband, haben früher Lieder für den Grand Prix geschrieben. Warum haben Sie sich dann doch auf Kinderlieder spezialisiert?

Das habe ich meinen eigenen Kindern zu verdanken. Meine Tochter Anuschka hat mit noch nicht einmal zwei Jahren angefangen, klassische Kinder-Volkslieder zu singen. Da wurde mir bewusst, dass die Lieder mit der Zeit, in der sie lebt, wenig zu tun haben. Und daraus hat sich dann die Freude ergeben, mit ihr an der Hand Kinderlieder zu machen.

Daher also die kindliche Sichtweise?

Es waren immer Eltern-Kind-Lieder. Es gibt von mir nur ganz wenige Lieder, die ganz eindeutig Kinderlied sind. Meistens ist es so, dass man doch spürt, das hat ein Erwachsener geschrieben, der hat kindliche Gedanken und Fantasie, aber auch ein erwachsenes Herz und Know-how.

Kinderlieder waren und sind eher selten in den Hitparaden vertreten. Was haben Sie anders gemacht?

Ich bin vom ersten Kindergartenkonzert in unserem eigenen Kindergarten irgendwann in größere Kreise geraten. Habe dadurch Chöre kennengelernt und die auch in meine Arbeit einbezogen. Und so hat sich das langsam aufgebaut. Zum Glück gab es irgendwann den großen Schub in den Medien mit einem Fernsehauftritt in „Wetten dass...?“ mit „Und ganz doll mich“. Das hat eine unglaubliche Popularität über Nacht gebracht.

Glauben Sie, das würde heute noch so funktionieren?

Die Rundfunkwelt war damals eine andere. Wir hatten im Grunde drei Sender, zwei davon konnten mich spielen. Haben es auch rauf und runter getan (lacht). Das muss man sich heute mal vorstellen. Heute ist das Bewusstsein für Musik anders. Wenn Sie heute in Deutschland Leute fragen: „Was ist denn auf Platz 1 der Charts?“ Das werden nicht viele wissen. In der Zeit, als meine Lieder zum ersten Mal so populär wurden, da wusste jeder die ersten drei, vier Charttitel. Das waren Katharina Valente, Peter Alexander später die Beatles, Rolling Stones. Man war sehr viel breiter informiert über die Vielfalt der Musik. Heute ist es oft ein sehr schmaler Blick. Das finde ich teilweise schade.

Welche Musik hören Sie eigentlich privat?

Das ist unterschiedlich. Ich höre sehr gerne französische Chansons, eher die neueren. Das schwankt zwischen Liedermacherei und Popmusik. Aber ich höre auch gerne deutsche Künstler. Ich finde Johannes Oerding zum Beispiel großartig. Mein Sohn schreibt ja auch für einige Künstler mit großem Erfolg und dann hören wir immer mal die Songs, die er geschrieben hat. Aber wir hören auch gerne Klassik und Oldies. Ich versuche schon den Blick offen zu halten, für das, was heute gemacht und gehört wird.

Gibt es auch Musik, mit der Sie nichts anfangen können?

Es muss möglichst melodiös sein, gern auch rhythmisch, aber ich kann zum Beispiel nichts mit Rap-Musik anfangen. Mir fehlt da die Musikalität. Aber ich denke, es ist sicher auch eine Generationensache. Rap-Musik und Hip-Hop sind im Moment das erfolgreichste Genre auf dem Markt. So soll es auch ruhig sein: Die Generation soll sich über ihre Musik definieren. Das haben wir ja auch getan.

Hören Sie auch Ihre eigenen Lieder?

Ich höre die Lieder, wenn ich etwas vorbereite, zum Beispiel Sendungen oder Talkshows, in denen es gezielt um bestimmte Lieder geht. Und ich beteilige mich auch an Online-Events wie zum Beispiel gestern an einem Zoom-Gottesdienst rund um das Thema Hospizarbeit. Und dann höre ich mir meine Lieder noch mal an, um mir sicher zu sein, dass ich sie dann auch singen kann.

Und, sind alle Textzeilen noch präsent?

Viele könnte ich sofort auswendig singen. Bei anderen muss ich dann doch noch überlegen: Wie ging die dritte Strophe noch? Da bin ich ganz ehrlich.

Das gilt bestimmt nicht für „In der Weihnachtsbäckerei“. Bringt Sie das, wie so viele andere, auch in Weihnachtsstimmung?

Für uns ist immer das erste Adventswochenende wichtig, wenn meine Frau die Wohnung schmückt, dann erklingt „Dezemberträume“ und „Sehnsucht nach Weihnachten“. Dann haben wir die Stimmung im Haus, die wir mögen. Dann hören wir auch nicht nur Rolf, aber damit fängt es zumindest an, weil wir so viele persönliche Erinnerung damit verbinden. Man sieht dann viele Menschen vor sich, die man lieb hat. Und gerade in der Weihnachts- und Adventszeit denkt man auch sehr viel an die, die uns schon verlassen haben.

„In der Weihnachtsbäckerei – Das Musical für die ganze Familie“ ist gerade auf Tour. Wie ist das für Sie, Ihre Werke so performt zu sehen?

Also es gab sehr viele kleinere Musicals, Aufführungen von Schulen und Chören und da habe ich schon immer gedacht: Daraus kann noch mal mehr werden! Nur mir selbst fehlt das Rüstzeug dafür. Die Autoren Martin Lingnau und Hannah Kohl und auch Carolin Spieß, die Regisseurin, die können das. Die haben schon viele wunderbare Musicals in die Welt gesetzt, wie zum Beispiel das „Wunder von Bern“. Allein die Tatsache, dass drei Erwachsene die Kinder spielen … Und das tun sie wunderbar. Das ist einerseits sehr lustig, aber auch durchaus besinnlich. Wenn zum Beispiel die kleine Emily singt „Bald kommt das Christkind zu mir“ und dabei ein Tränchen im Auge hat, weil sie denkt, sie hätte sich vielleicht zu viel gewünscht … Das berührt einen einfach.

Haben Sie eigentlich ein Lieblingslied?

Nein. Aber ich habe ein „wichtigstes“, das heißt „Ich schaff das schon“. Das hat sehr vielen Menschen geholfen, aus Krisen herauszukommen, sich wieder ins Leben zu trauen. Und das Lied „Gemeinsam unterwegs“. Da ist sehr viel drin von der Lebensreise, auf der wir alle sind. Am Ende ist in diesem Lied auch vom letzten Hafen die Rede und ich singe es im Moment mit meiner Schwägerin im Pflegeheim, die eigentlich nicht mehr sprechen kann. Aber sie kann noch ein bisschen singen. Und das berührt mich immer sehr. In diesem Lied steckt ganz besonders viel Familienherzblut.

Infos zum Musical:

Die Weihnachtsbäckerei – das Musical, 29.11. Münster (17 Uhr, Halle Münsterland), 1.12. Köln (14.30+17.30 Uhr, Theater am Tanzbrunnen), 15.12. ­Bochum (17.30 Uhr, RuhrCongress), 16.12. Wuppertal (17.30 Uhr, Hist. Stadthalle). Tickets ab 35,40 € auf eventim.de. Mehr Infos: www.dieweihnachtsbäckerei.de