Waltrop. Beim Steampunk-Jubilee im Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop gibt’s am Wochenende frische Stempel in den Zeitreise-Pass.
Als das Schiffshebewerk Henrichenburg 1899 offiziell eingeweiht wurde, kam sogar Wilhelm II. nach Waltrop. Kein Wunder, schließlich war der Dortmund-Ems-Kanal als Teilstück des geplanten Mittellandkanals Kaisersache – und das Schiffshebewerk ein spektakuläres Symbol des Fortschritts. In nur 2,5 Minuten konnte die Anlage ein Gesamtgewicht von 3100 Tonnen 14 Meter in die Höhe hieven – das war High-End-Technologie im Wilhelminischen Zeitalter.
Traumkulisse für Steampunks: das Schiffshebewerk aus Kaisers Zeiten
Die moderne Stahlkonstruktion rahmte der Architekt – dem historistischen Zeitgeschmack entsprechend – mit burgähnlichen Sandsteintürmen ein. Darauf thronten wiederum zwei gigantische eiserne Kugeln, deren Stahlspitzen weit in den Himmel ragten. Mit weiterem Dekor wie dem riesigen preußischen Adler an der Front entstand ein Bauwerk, das rund 120 Jahre später zum Traum der Steampunk-Szene wurde. Die angesagte Subkultur zelebriert bekanntlich die Zukunftsvisionen des 19. Jahrhundert und den retrofuturistischen Technik-Look, wie man ihn aus Jules-Verne-Verfilmungen kennt. Das 1969 stillgelegte und Anfang der 90er Jahre museal restaurierte Schiffshebewerk mit seinem Mix aus vorwärts- wie rückwärtsgewandten Bauelementen passt da wie die Schweißerbrille aufs Auge. Auch wenn die markanten Stahlkugeln nicht etwa Futuristisches, sondern sogenannte „Zeitbälle“ aus der Seefahrt symbolisieren.
Steampunk Jubilee: 5000 kamen zur Premiere
„Dass das passt, wusste ich schon länger“, erinnert sich Museumsleiter Dr. Arnulf Siebeneicker. „Ich habe mich nur gefragt, wann denn mal einer aus der Steampunk-Szene kommt. Zum 120-jährigen Jubiläum hat dann tatsächlich jemand gefragt, ob er mal mit 50 Leuten in entsprechendem Aufzug ums Oberwasser marschieren könne.“
Dieser Bastler lässt Steampunk lebendig werden
Das Ansinnen stieß auf offene Ohren und fand großen Anklang unter den fantasievoll kostümierten Steampunk-Fans. So großen, dass professionelle Organisation gefragt war. „Man hat uns dann Sibylle Nix und ihre Agentur Funkelglanz vorgeschlagen, mit ihr haben wir 2019 zum ersten Mal das ,Steampunk Jubilee‘ aufgezogen. Es waren aus dem Stand 5000 Leute da, auch aus den Niederlanden und Belgien“, so Siebeneicker.
Endlich wieder ohne Einschränkungen
Angesichts des großen Echos war die Fortsetzung schnell gemachte Sache, fiel 2020 aber prompt dem Virus zum Opfer. Im vergangen Jahr gab’s dann ein kleines „Steampunk Jubilee“ unter Auflagen. „War trotzdem ganz nett“, findet der Museumsleiter und freut sich: „Aber jetzt können wir endlich wieder ohne Einschränkungen machen.“
123 Jahre liegt die Einweihung des Schiffshebewerks durch Wilhelm Zwo nun zurück, deshalb wird an diesem Wochenende im Industriemuseum wieder gebührend retrofuturistisch gefeiert – und abermals zeichnet die Agentur Funkelglanz verantwortlich für das Programm.
Feuertanz und Ätherangelegenheiten
Auf dem gesamten Museumsgelände sind erneut außergewöhnlich gewandete Persönlichkeiten unterwegs. Wer noch das richtige Outfit braucht, wird am Oberwasser und in der Maschinenhalle fündig: Hier sind Steampunk-Händler mit szenetypischer Bekleidung, exquisitem Schmuck und etwas anderen Dekorationsideen zu finden.
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Hier findet sich auch das „Amt für Ätherangelegenheiten“, das an diesem Wochenende eine Außenstelle in Waltrop einrichtet. Die „Beamten“ stellen die bei Steampunks beliebten „Zeitreisepässe“ aus und verteilen „Temporalmarken“. Auf der Bühne am Oberwasser wechseln sich derweil diverse Show-Acts ab: Am Samstag zeigt „Insanity Firedance“ Steampunk-Tanz mit Show-Einlagen. „Isolde’s Historischer Tanz“ wiederum ist etwas epochenuntypisch inspiriert von Renaissance und Barock.
Die musizierende Luftschiffbesetzung
Livemusik bietet am Samstag die musikalische Luftschiffbesatzung „La Frontera Victoriana“ mit ihrem „Steampunk Rock & Pop Musiktheater“. Am Sonntag ist „Music for the Kitchen“ mit einem Mix aus nostalgischem Schlager, Rock & Pop zu erleben. An beiden Tagen sorgen zudem Drehorgelspieler für Unterhaltung, diverse Walking-Acts und Steampunk-Fahrzeuge drehen ihre Runden und verschiedene Steampunk-Maker-Gruppen schlagen ihr Lager auf. Das Freigelände am Oberwasser wiederum bietet Platz für ein Steampunk-Picknick – mit bestem Blick auf das technische Wunderwerk aus Kaisers Zeiten.
Steampunk-Zeitreise im Hagener Freilichtmuseum
Und nach dem Jubilee in Waltrop steht bald schon das nächste Event an: In einem weiteren Museum des Landschaftsverbands Westfalen (LWL) trifft sich in zwei Wochen ebenfalls die Steampunk-Szene. Unter dem Titel „Zeitreise“ präsentiert das Freilichtmuseum Hagen in Kooperation mit der Agentur Anachronika bereits seit 2016 ein retrofuturistisches Unterhaltungsprogramm zwischen den historischen Werkstätten und Fachwerkhäusern auf dem weitläufigen Gelände. Diverse Steampunk-Händler und -Aussteller laden zum Stöbern und Entdecken ein. Wer allen seine Aufwartung machen möchte, kann an einer „Beamtenrallye“ teilnehmen – dabei gilt es, auf einem Laufzettel alle entsprechenden Stempel zu sammeln.
>>> Die Infos zu den Steampunk-Events in Waltrop und Hagen:
Steampunk Jubilee, 13.+14.8., Sa 12-20 Uhr, So 10-18 Uhr, LWL-Industriemuseum, Schiffshebewerk Henrichenburg, Am Hebewerk 26, Waltrop. Tageskarte 8 € (Gewandete 4 €), Zweitageskarte 12 € (Gew. 6 €). Mehr Infos hier.
Zeitreise Hagen, 28.8., 11-18 Uhr, LWL-Freilichtmuseum, Mäckingerbach, Hagen. Eintritt: 8 € (Gewandete 6,50 €). Mehr Infos hier.