Oberhausen. Der Naturgartentag in Oberhausen informiert, warum Wildblumen ins heimische Grün gehören – und es gibt am Haus Ripshorst noch vieles mehr.
Ganz aufgeregt wälzen sich die pelzigen Bienen durch die Staubblätter des knallroten Mohns und fliegen schwarz gepudert wieder davon. Eine dicke Hummel macht sich am hohen Zierlauch zu schaffen. Die unzähligen lilafarbenen Kugeln sind nicht zu übersehen, sachte wiegen sie im lauen Lüftchen. Ein winziges Fliegetier hat sich auf die Hose von Susan Findorff verirrt, die Bundesgartenschau-Beauftragte vom Naturgartenverein Rhein-Ruhr beugt sich entzückt runter: „Oh, eine Kamelhalsfliege!“ Tatsächlich, stolz zeigt Findorff das vom österreichischen Naturschutzbund gekürte Insekt des Jahres 2022, das jetzt auf ihrem Finger ruht. Behutsam setzt sie die Venustoraphidia nigricollis aufs nächste Blatt.
Davon gibt es in dem gepflegten Bauerngarten des Oberhausener Haus Ripshorst einige – ein paradiesisches Buffet für alles, das kreucht und fleucht. Aber die beschauliche Grünanlage rückt bei all der Natur, die das RVR-Besucherzentrum zu bieten hat, fast schon in den Hintergrund. Der historische Gutshof nahe des trubeligen Einkaufszentrums „Centro“ ist umringt von weitläufigen Wildblumenwiesen, großen Walnussbäumen und all dem, was die heimische Natur sonst noch zu bieten hat – ein perfekter Ort also, um den Naturgartentag zu feiern. Und das bereits seit 2008.
Aktionstag: Alles rund um Saatgut, Kräuter und Naturschutz
An diesem Samstag lädt das Haus Ripshorst erneut zum Aktionstag rund um die Themen Natur und Garten. Verschiedene Stände, Mitmachaktionen, Workshops und Vorträge informieren die Besucherinnen und Besucher, was sie selber alles unternehmen können, um der regionalen Flora und Fauna etwas Gutes zu tun. Heimische Wildpflanzen, Saatgut, seltene Gemüse- und Kräutersorten und Naturschutzprodukte gehören zum Angebot, ebenso wie Dekoratives für Haus und Draußen, Kulinarisches und Interessantes.
Dabei geht es nicht nur um schickes Design für die Natur vor der Terrassentür, sondern primär um den Erhalt der hiesigen Artenvielfalt. Lebensräume schaffen, Biodiversität fördern – das steht beim Naturgarten e. V. im Vordergrund. „Insekten sind auf die heimischen Pflanzen spezialisiert und angewiesen“, erklärt Susan Findorff und deutet auf eine lilafarbene Wiesen-Knautie, die im hohen Gras fast verschwindet. Ein kleines schwarzes Insekt krabbelt langsam über die runde Blüte.
Seedbombs schaden mehr als sie nutzen
Mit der knallig-bunten Blumenwiese aus Hochglanzmagazinen hat die weitläufige Grasfläche am Haus Ripshorst wenig gemeinsam, etwas eintönig wiegen die hohen Halme durch die Luft, dazwischen blühen Wildpflanzen wie Kerbel, Wiesen-Labkraut und Schafgarbe. „Exotische Pflanzen haben in der freien Landschaft aber auch nichts verloren“, mahnt Susan Findorff. Die sehen zwar schön aus und verwandeln Flächen in ein Farbenmeer, aber für die heimische Flora und Fauna sei das eine Katastrophe.
Die trendigen Seedbombs (dt. Samenbomben), kleine Kugeln aus Lehm, Erde und Saatgut, die gerne auf brachliegende Flächen geschmissen werden, um diese zu begrünen, lösen bei Findorff Unbehagen aus. „Das ist ein Riesenproblem. Viele denken, sie tun der Natur damit einen Gefallen. Aber tatsächlich begehen sie Florenverfälschung“, erklärt die Expertin. „Das heißt, sie bringen Saatgut auf eine Fläche, auf die es nicht gehört und verdrängen somit heimische Wildpflanzen.“ Und die wiederum seien wichtig für Insekten. „Das sind Nahrungsspezialisten, Feinschmecker sozusagen, die auf die hier wachsenden Wildpflanzen angewiesen sind.“
Lebensraum statt Schottergärten
Noch ärgerlicher findet die gelernte Physiotherapeutin, die sich ihr Wissen über 25 Jahre selber angeeignet hat, Schottergärten. „Das ist ein versiegelter Boden, wenn darunter Unkrautvlies verlegt wurde, wächst da nichts mehr.“ Eigentümer schaffen damit eine tote Freifläche, wo Lebensraum wichtig wäre.
„Wir wollen den Besuchern eine naturnahe Gartengestaltung näher bringen und erklären, warum die Wildpflanze wieder in den Garten gehört. Wenn man sich die Zahlen zum Insektensterben anschaut, ist das eine Notwendigkeit.“ Abhilfe schaffen Hobby-Gärtner schon mit wenig Aufwand, indem sie zum Beispiel nicht jedes vermeintliche Unkraut herausrupfen. „Wenn man sie mal zur Blüte kommen lässt, können sie sehr schön aussehen.“
Invasive Neophyten müssen weg
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Sofort entfernen sollte man allerdings sogenannte Invasive Neophyten; Pflanzen, die ursprünglich nicht aus Europa kommen und die heimische Vegetation verdrängen. Dazu gehören u.a. die Herkulesstaude, das Indische Springkraut, die Kanadische Goldrute. Und was gehört stattdessen hinters Haus? Findorff zeigt auf eine andere lilafarbene Blüte mit dunkelgrünem Stängel – blühender Schnittlauch. Ansonsten komme es auf die Bodenbeschaffenheit an, Standort, und, und, und. Sich informieren sei äußerst wichtig, so gäbe es Wildblumen auch nicht an jeder Ecke zu kaufen. Auch im Gartencenter oder Baumarkt müsse man ganz genau hingucken. „Da gibt es meist nur ganz wenige heimische Wildblumen“, weiß die Naturgarten-Expertin.
Mehr Informationen gibt es heute am Haus Ripshorst, ebenso wie großflächiges Anschauungsmaterial in Form der eindrucksvollen weil lebensraumschaffenden Blumenwiesen rund ums Besucherzentrum. Das erfreut das Auge vielleicht nur sekundär, die Kamelhalsfliege aber umso mehr.
>>> INFO: Aktionstag am Haus Ripshorst
Naturgartentag, 21.5., 11-17 Uhr, Haus Ripshorst, Ripshorster Str. 306, Oberhausen. Eintritt frei.
Im August findet ein weiterer Naturgartentag in Hagen mit Vorträgen, Workshops und dem Markt der Möglichkeiten statt: 5.-7.8., Stadthalle Hagen, Wasserloses Tal 2. Anmeldung notwendig. Mehr Informationen zu den Aktionstagen: www.naturgartentage.de