Essen. Alex Christensen und das Berlin Orchestra kleiden Dance-Hits in ein symphonisch-tanzbares Gewand. Auf Tour ist TikTok-Star Ana Kohler dabei.

Alex Christensen verbindet mit seiner Musik Generationen: Anfang der 90er war er mit dem Eurodance-Projekt U96 („Das Boot“) erfolgreich, Ende der 2000er folgte mit „Du hast den schönsten Arsch der Welt“ noch ein Nummer-eins-Hit sowie die Teilnahme am Eurovision Song Contest mit der Swing-Nummer „Miss Kiss Kiss Bang“. Seit 2017 arbeitet der 55-Jährige für die Reihe „Classical Dance“ mit dem Berlin Orchestra zusammen. Disco-Hits werden mit klassischem Klangkörper neu arrangiert, den Gesang erledigen bei der kommenden Tour Gäste. Bei den Konzerten in NRW singt Jungstar Ana Kohler (23, „Karma Is A Bitch“, ca. 1,4 Millionen Abonnenten auf der Plattform TikTok). Patrick Friedland traf das Duo zum Interview.

Wie sind Sie beide eigentlich zusammengekommen?

Alex Christensen: Für die „Classical 80s Dance“-Platte wollte ich „Neverending Story“ von Limahl neu auflegen, inklusive eines Geschlechterwechsels am Mikro. Ich habe dann eines Tages Videos von Ana gesehen und dachte mir: Lass mal checken, ob die Zeit hat. Hatte sie zum Glück.

Bald geht es für Alex Christensen und Ana Kohler endlich gemeinsam auf Tour – wobei die in Köln wohnende Sängerin nur bei den Shows in Münster, Dortmund und Düsseldorf dabei ist.
Bald geht es für Alex Christensen und Ana Kohler endlich gemeinsam auf Tour – wobei die in Köln wohnende Sängerin nur bei den Shows in Münster, Dortmund und Düsseldorf dabei ist. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Frau Kohler, was war Ihr erster Berührungspunkt mit seiner Musik?

Christensen: „Mein RTL“ (lacht).

Ana Kohler: Nee, nicht ganz. Egal mit wem ich gesprochen habe, jeder kennt Alex Christensen, er hat einen Namen. Ich finde es cool, wie er alte Songs mit einem völlig neuen Gerüst drumherum baut. Ich habe das dann einmal im Fernsehen in der Werbung gesehen, mir angehört und seitdem bin ich großer Fan. Was Kenntnisse über die Songs der 80er und 90er angeht, ist bei mir aber definitiv noch Luft nach oben, ich komme nun mal nicht aus der Zeit.

Christensen: Aber Ana ist ja schon eine etablierte Künstlerin und sehr erfolgreich. Und ich finde es auch immer wichtig und es zeigt Stärke, dass man sich als Künstlerin oder Künstler auch mal etwas traut, vielleicht mal aufs Glatteis geht und hinfällt. Ich könnte nicht immer nur Dance machen. Es ist langweilig, wenn man immer das Gleiche tut.

„Natürlich kriegst du als Deutscher beim ESC zu 99 Prozent auf die Nase“

Es war ja auch nicht jeder beim Eurovision Song Contest …

Christensen: Zum Beispiel.

Kohler: Ich würde da auch nicht nein sagen.

Christensen: Das ist mutig und gut. Natürlich kriegt man da als Deutscher oder auch Brite zu 99 Prozent auf die Nase und gilt dann als Witzfigur. Aber wenn man einmal da war, merkt man, wie geil das ist. Es ist die größte Musikshow Europas mit Millionen Zuschauern. Und da nicht hingehen, nur weil eine Zeitung Mist schreibt?

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Zunächst geht’s aber mit „Classical Dance“ auf Tour. Die war eigentlich für 2020 als reine 90er-Tour geplant. Jetzt kommen die 80er noch mit dazu – warum?

Christensen: Die 90er hatte ich mit eigenen Songs mitgeprägt, in den 80ern war ich noch ein Fanboy, vor allem von Heaven 17, The Human League oder Bonnie Tyler. Daraus wollte ich etwas machen. Im Lockdown hatte ich dann Zeit, alles anzufragen, was die Rechte der Songs angeht, wie auch Gastsängerinnen und Gastsänger.

Jetzt haben Sie vier Alben Material. Wie bestimmen Sie, was gespielt wird?

Kohler: Also ich habe bis heute keine vollständige Setlist. Ich werde aber bei den drei Konzerten in NRW auch andere Songs als „Neverending Story“ singen.

Christensen: Ich habe auch noch keine Setlist. Es müssen Lieder sein, die für das Orchester spielbar sind. Bei einigen Songs benötigen die Arrangements nicht ein 30-, sondern ein 90-köpfiges Ensemble. Da wird die Auswahl schon kleiner. Aber endgültig entscheide ich das erst noch.

Auf TikTok und Instagram führt kaum ein Weg an ihr vorbei: Ana Kohler wird sich auf der „Classical Dance“-Tour nun auch einem älteren Publikum präsentieren und singt unter anderem den Limahl-Song „Neverending Story“.
Auf TikTok und Instagram führt kaum ein Weg an ihr vorbei: Ana Kohler wird sich auf der „Classical Dance“-Tour nun auch einem älteren Publikum präsentieren und singt unter anderem den Limahl-Song „Neverending Story“. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Die Besetzungen am Mikro wechseln von Show zu Show?

Christensen: Ja, ich kann mich auf nichts verlassen (lacht). Seitdem bekannt ist, das Ana die drei Shows in NRW macht, fragen mich ständig Leute, wer sonst noch kommt, vorher hat das niemanden interessiert. Ich bin froh, dass wir auch ohne die Bekanntgabe von Gaststars so gut Karten verkauft haben. Aber an jedem Abend warten Überraschungen aufs Publikum, wir halten es spannend. Ich bin ja mit vielen befreundet, da werden einige spontan am Abend vorbeikommen und etwas singen.

Von früher ins Jetzt: Welchen Bezug haben Sie eigentlich zur aktuellen Chartmusik?

Christensen: Dank meines 18-jährigen Sohnes bin ich sehr gut informiert. Gerade im deutschen Bereich hat sich qualitativ und auch von der Frequenz der Veröffentlichungen viel getan. Sowas wie Bausa finde ich schon richtig gut.

Kohler: Ich höre gar nicht so viele deutschsprachige Musik. Wenn, dann ist es meist Lea. Super Künstlerin, super Texte mit einer Message dahinter. International definitiv Dua Lipa, die ist weltweit eine der krassesten Sängerinnen.

Christensen: Die ist ganz weit weg, eine Riesin. Auch live mittlerweile richtig gut geworden. Wenn ich mich dagegen an ihre ersten Shows erinnere … puuh. Sie hat sich wahnsinnig weiterentwickelt.

„Neverending Story“ kam bei den Tik-Tok-Followern super an“

Wie reagiert denn die klassische junge TikTok- und Instagram-Zielgruppe auf die „Classical Dance“-Songs?

Kohler: Die meisten, die mir auf TikTok und Instagram folgen, sind so alt wie ich, vielleicht ein bisschen jünger. Trotzdem kennen sie oft 80er-Songs, die meisten wachsen ja damit auf, weil es bei den Eltern dauernd läuft. Als „Neverending Story“ herauskam, ist es jedenfalls supergut angekommen. Das passiert ohnehin oft, wenn alte Songs neu interpretiert werden.

Christensen: Du siehst es ja in den Charts und Streaminglisten. Da steht dann sowas wie „Verdammt, ich lieb dich“ von Mike Singer oben. Und auch die Stars von damals sind ja heute in den sozialen Medien groß. Als ich für „Total Eclipse Of The Heart“ mit Bonnie Tyler zusammenarbeitete, kamen wir plötzlich auf das Thema Follower und sie fragte ihren Manager, wie viel Fans sie auf „diesem YouTube“ hat. Der Typ sagte dann: 4,6 Millionen. Und Bonnie reagierte nur lapidar: „Alles klar“ … (lacht)

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Blicken wir zum Abschluss in die Zukunft: Wann können wir mit „Classical 2000s Dance“ und einer Orchesterversion von „Du hast den schönsten Arsch der Welt“ rechnen?

Christensen: Es ist witzig: Wir konnten ja 2019 schon wenige Shows mit dem Programm spielen, eine war auf Schloss Gotha vor viel Klassik-Publikum. Als wir dann fertig waren und ich die Leute fragte, was sie denn für die Zugabe hören wollen, forderten viele genau diesen Song. Ich konnte mich dann nur damit rausreden, dass das ja kein 90er-Song ist. Mal sehen, ob wir das irgendwann machen. Es ist halt ein superemanzipierter Song, weil das eine Frau singt. Bald wird auch eine international bekannte Rapperin davon eine Neuauflage herausbringen.

>>> INFO: Alex Christensen, das Berlin Orchestra und Ana Kohler live:

Termine: 16.6. Dortmund (Westfalenhalle 2, nur noch Einzelplätze), 21.6. Münster Halle Münsterland, nur noch Einzelplätze), 22.6. Düsseldorf (Mitsubishi Electric Halle). Karten ab ca. 50 €.

In der Reihe „Classical Dance“ sind drei CDs mit Songs der 90er sowie eine CD mit Songs der 80er erschienen.