Essen. Die beiden Physiker Nicolas Wöhrl und Reinhard Remfort diskutieren in ihrem Podcast „Methodisch Inkorrekt“ wissenschaftliche Themen.

Häufig geht es um Musik, meistens in Form von Interviews, manchmal wird einfach nur so geplauscht – ganz oft über „True Crime“. Mit Verbrechen haben Nicolas Wöhrl und Rainhard Remfort nichts zu tun, dafür aber mit Wissenschaft. Alle zwei Wochen unterhalten sich die beiden Physiker locker über wissenschaftliche Themen und bringen sie humorvoll und verständlich unter ihre Hörer. Mit seinen Diskussionen hat das Duo mittlerweile die Live-Bühne erobert – da klappt’s auch mit den Experimenten besser. Was Zuschauer sonst noch erwarten können und warum ihnen die Bezeichnung „Rockstars der Wissenschaft“ eher unangenehm ist, das haben sie Maxi Strauch erzählt.

„Es ist Zeit für Panik“ heißt es in Ihrem Ankündigungstext. Muss ich mir jetzt Sorgen machen?

Nicolas Wöhrl: Man sollte sich schon darüber bewusst sein, in welcher Zeit wir leben. Aber worauf wir eigentlich hinweisen wollen: Man sollte lernen, Risiken einzuschätzen. Also: Was ist eigentlich gefährlich in unserer Welt? Und wie gehen wir damit um? In der Show wollen wir abwägen, wo ist Panik angemessen und wo nicht. Zum Beispiel beobachten wir beim Klimawandel etwas zu wenig Panik. Da wäre es uns lieber, wenn die Menschen mehr in Aufregung wären. Bei anderen Themen ist es genau umgekehrt: Da sind Leute sehr leicht in Panik zu versetzen, wo wir jetzt keinen großen Grund sehen.

Ärgern sie sich mittlerweile über ihren Namen „Methodisch inkorrekt“? Jetzt, wo wissenschaftliche Korrektheit so wichtig geworden ist …

Remfort: Es ist eigentlich eher was, dass unseren Podcast ganz gut beschreibt, weil wir über Wissenschaft generell reden. Wir sind beide Physiker. Wir reden aber auch über Biologie, Psychologie, Sozialwissenschaften und so weiter. Und wenn wir unser eigenes Fachgebiet verlassen, dann wird es halt schnell mal dünn (lacht). Aber wir finden es trotzdem toll, darüber zu reden und Leute dafür zu interessieren.

Wöhrl: Die Idee war ja auch, dass diese enorme Ehrfurcht, die Menschen vor der Wissenschaft verspüren, abgebaut wird. Und der Name, die Art und Weise, wie wir über Wissenschaft sprechen oder wie wir auf Bühnen stehen und Experimente machen, das ist auch schon mal … fahrlässig (lacht).

Braucht man für Ihren Podcast Vorwissen oder darf ich auch als Anfänger einfach einsteigen?

Wöhrl: Gerade über Mails haben wir mitbekommen, wie divers unsere Hörerschaft eigentlich ist. Wir zitieren immer gerne Nachrichten, die wir schon von mehreren Landwirten bekommen haben, die auf dem Trecker sitzen und unseren Podcast hören. Sie hätten nie etwas mit Naturwissenschaft zu tun gehabt, aber sie hatten den Wunsch, sich da noch mal reinzuhören oder zu lesen. Auf der anderen Seite haben wir auch die Studierenden, die den Podcast hören.

Remfort: Mit die schönsten Nachrichten sind: „Ich habe euch während meines Abis entdeckt und gehört und habe dann angefangen Physik zu studieren oder Naturwissenschaften. Ihr habt mich bei meinem Bachelor begleitet, bei meinem Master und jetzt mache ich gerade meine Promotion fertig …“

Sie sind also inspirierende Persönlichkeiten?

Wöhrl: Hätten wir jetzt natürlich nie so gesagt (lacht). Ich weiß auch nicht, ob es so eine gute Idee ist, sich von uns inspirieren zu lassen …

Aber zumindest die „Rockstars der Wissenschaft“ …

Wöhrl: Wir sind ein bisschen unglücklich mit dieser Bezeichnung ... Die wurde uns zugeschrieben aus der Tatsache, dass wir am Anfang ein bisschen gescherzt haben: Ich war extrem erfolgloser Rockmusiker und wollte immer gerne auf die Bühne. Das hat sich leider nie ergeben, dafür war ich einfach zu schlecht. Dann stand ich auf einmal mit Reini auf der Bühne und wir haben über Physik gesprochen. Völlig absurd. Deshalb kamen irgendwann die Zuschriften: „Rockstars der Wissenschaft“. Wir wollen da aber eigentlich von weg.

Remfort: Wir werden einfach immer drauf angesprochen. Das ist schon fast unangenehm.

Apropos Bühne: Worin unterscheiden sich denn Podcast und Liveauftritt? Was kann der Zuschauer erwarten?

Remfort: Es gibt ja mehrere Podcast-Liveveranstaltungen, wo man sich vorne hinsetzt und in großer Runde eine Folge aufnimmt. Aber genau das wollten wir eben nicht machen. Wir wollten eine nette Show, in der man was lernt, wo man spannende Experimente sieht. Und erstaunlicherweise waren auch sehr viele Leute bei diesen Veranstaltungen, die uns nicht kannten. Die hatten dann trotzdem sehr viel Spaß in der Show.

Wöhrl: Im Podcast sprechen wir über aktuelle Publikationen und erklären diese. Das würden wir auf der Bühne nicht machen. Sondern da sind die Experimente ein großer und wichtiger Teil. Abgesehen davon versuchen wir natürlich, den Leuten etwas mitzugeben.

Zum Beispiel?

Wöhrl: In der alten Show ging es um Esoterik und Schwurbel, darüber haben wir uns ein bisschen lustig gemacht. Und wir wollen darauf hinweisen, dass da eine gewisse Gefahr raus resultiert, wenn die Leute solchen absurden Ideen anheimfallen. Und genauso haben wir natürlich diesmal auch wieder ein Oberthema, nämlich „Risiko“ und wie wir mit Fakten umgehen sollten.

Also auch die aktuellen „Schwurbel-Theorien“ sind ein Thema?

Wöhrl: Ich glaube, da kommen wir 2022 nicht dran vorbei.

Diskutieren Sie noch mit „Schwurblern“?

Remfort: Also ich würde mal sagen, je nachdem wie weit diese Leute von einem wissenschaftlichen Weltbild entfernt sind oder von einer rationalen Begründung, ist es sehr schwer mit denen zu diskutieren. Oder wenn ich das mal so formulieren darf: Ich habe keine Lust mehr mit diesen Menschen zu diskutieren. Ich kann nicht mit jemandem über eine wissenschaftliche Frage diskutieren, wenn wir nicht mal den gleichen Rahmen haben. Also überspitzt gesagt, kann ich nicht mit jemandem darüber diskutieren, wie die Statik an einer Brücke hält, wenn mein Gegenüber mir sagt: „Schwerkraft gibt es nicht“.

Wöhrl: Es kommt natürlich auch immer darauf an, über welche Person wir sprechen. Sagen wir mal Verwandte oder Freunde würden dem Schwurbel anheimfallen, dann würde man wahrscheinlich etwas mehr versuchen, auf die Leute einzugehen. Es macht aber sicherlich keinen Sinn, mit dieser einen Person zu sprechen, denn die wird man nicht überzeugen. Aber wenn diese Diskussionen in der Öffentlichkeit stattfinden, auf dem Marktplatz oder auf Social Media, dann hat man auch Zuseher. Denen kann man zeigen, dass diese eine Person auf dem Holzweg ist und dass die wissenschaftlichen Fakten anders aussehen.

Haben Sie denn einen Tipp, wie man mit so einer Situation im Familien- oder Bekanntenkreis vorgeht?

Wöhrl: Nicht versuchen, alles zu widerlegen – das kostet nämlich wahnsinnig viel Zeit und Mühe. Aber Fragen stellen, die Leute selbst in Situationen bringen, in denen sie sich vielleicht mal hinterfragen. Zum Beispiel: Warum glaubst du, dass „die“ uns vergiften wollen? Wer, glaubst du, steckt dahinter, was sollte die Absicht sein? Dass man sie so in eine Situation bringt, in der sie dieses Gedankengebilde nicht mehr zusammenbekommen.

Was ist denn die abstruseste Theorie, die Ihnen untergekommen ist?

Wöhrl: Was uns wirklich auf die Palme bringt, berufsbedingt: Wann immer die Physik ins Feld geführt wird als Beweis. Quantenheilung beispielsweise ist so ein Thema. Da wird behauptet, dass irgendwelche Quanteneffekte dafür verantwortlich sind, dass Leute sich selbst heilen können. Und sowas ärgert uns wahnsinnig, wenn wissenschaftliche Begriffe zweckentfremdet werden. Wenn Sie als uninformierte Personen dann anfangen „Quantenheilung“ zu googeln, dann finden Sie natürlich viele Paper, die sich mit Quantenverschränkungen und Quantentheorie beschäftigen. Und die suggerieren damit eine wissenschaftliche Basis dieser Theorien, die natürlich nicht da ist.

Ist da das Internet auch ein bisschen mehr Fluch als Segen?

Remfort: Diesen ganzen Mist gab es vorher schon, es war nur nicht so ersichtlich. Ein Dauerbrenner in dem Bereich ist die Homöopathie. Das ist totaler Quatsch, wissenschaftlich nicht haltbar. Seit über 200 Jahren gibt es nicht eine ordentlich durchgeführte Studie, die in irgendeiner Form eine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus nachweisen. Und trotzdem kriegt man den Mist nicht weg.

Warum ist das so?

Remfort: Bei der Homöopathie ist es ein historischer Hintergrund. Und jahrelange Lobbyarbeit. Homöopathie ist so fest verzahnt in unserem Gesundheitssystem und auch in der medizinischen Ausbildung, das ist sehr schwer wegzubekommen. Am Ende sind’s eben auch Stiftungen, die das finanziell vorantreiben, die damit ihr Geld verdienen, gleichzeitig auch hier und da mal eine Professur stiften, die sich damit beschäftigt.

Sie haben generell ein breites Spektrum an Themen. Wonach suchen Sie die aus?

Wöhrl: Erstmal muss es uns selbst interessieren. So hat der Podcast angefangen und so ist es immer noch. Reini und ich wollen gemeinsam als Freunde über Wissenschaft sprechen. Dann kommen so Aspekte wie: Es wäre schön, wenn es auch noch einen Lebensbezug hat, also dass die Menschen damit irgendetwas anfangen können. Es ist schön, wenn es ein bisschen unterhaltsam ist oder wenn man es unterhaltsam verkaufen kann. Und wir müssen es selber erklären können. Es gibt ganz spannende Themen, wo wir sagen, die wären super für den Podcast, aber ich verstehe es einfach nicht.

Zum Beispiel?

Wöhrl: In der Medizin passieren Dinge und auch in unserem Fachgebiet, die wir nicht vermitteln können. Wenn irgendein Theoretiker sich ausgedacht hat, wie Warp-Antriebe funktionieren könnten durch komplexe mathematische Theorien, dann muss man irgendwann sagen: Okay, das können wir nicht gut vermitteln, das muss einfach anschaulich sein.

Remfort: Wir machen immer eine Sonderfolge zu den Nobelpreisen. Wenn alle Nobelpreise bekannt gegeben sind, teilen wir uns die auf. Jeder nimmt sich die Hälfte und dann erklären wir immer, wofür es die Nobelpreise gab. Und bei Chemie und Physik denke ich mir: Bitte lass mich das verstehen (lacht).

Gibt es ein Thema, das Sie noch nicht behandelt haben, aber unbedingt noch machen möchten?

Wöhrl: Leben auf dem Mars gefunden. Aber dafür bräuchten wir natürlich erstmal die Daten (lacht). Das gibt’s nicht – aber das würde ich gerne noch kommunizieren.


>>> Info:

Methodisch Inkorrekt 2.0 - Die Rockstars der Wissenschaft: 28.10. Essen (Weststadthalle), 5.+6.11. Düsseldorf (Savoy), 24.11. Krefeld (Kulturfabrik), 8.12. Köln (Gloria-Theater). Tickets gibt’s hier.

Infos zum Podcast gibt’s auf www.minkorrekt.de

Neben dem Audio-Format veröffentlicht das Duo alle zwei Wochen auch einen Beitrag auf der Live-Streaming-Videoportal Twitch.