Bochum. Seine Show in der Jahrhunderthalle musste das „Urbanatix“-Ensemble erneut absagen. Nun gibt’s eine Sonderedition im Bochumer Schauspielhaus

Ausgerechnet im „Jubiläumsjahr“ 2020, zum zehnjährigen Bestehen von „Urbanatix“, gab es erstmals keine Show in der Jahrhunderthalle: Corona verdarb die Geburtstagsparty. 2010, im Kulturhauptstadtjahr, hatte die Erfolgsgeschichte des Street-Art-Projekts begonnen – mit leichten Startschwierigkeiten. Denn zunächst wurde der Antrag auf Aufnahme ins offizielle „Ruhr 2010“-Programm abschlägig beschieden. Trotzdem präsentierte ein Ensemble aus Talenten und Profiartisten ihr spektakuläres Können in der Jahrhunderthalle – und begeisterte Presse und Publikum derartig, dass Urbanatix eigens als Kulturhauptstadtprojekt nachnominiert wurde.

„Urbanatix“: Exklusives Ausweichquartier auf der Theaterbühne

Seitdem feiert in jedem Herbst ein neues Programm in der Jahrhunderthalle Premiere. Wie gesagt, eigentlich. Nach der Absage 2020 musste zuletzt auch die diesjährige Ausgabe verschoben werden. Nun gibt es immerhin eine Sonderedition: Nicht in der angestammten Jahrhunderthalle, sondern im Bochumer Schauspielhaus hebt sich ab dem 8.12. an fünf Abenden der Vorhang für die Street-Akrobaten.

Ein wahrhaft exklusives Ausweichquartier, das die Urbanatix-Crew im Dezember mit entsprechender Freude bezieht – zumal das Theater relativ kurzfristig fünf Termine in der laufenden Spielzeit zur Verfügung gestellt hat. „Ich bin der Intendanz für die offenen Türen und den Kolleginnen und Kollegen dort für die große Flexibilität sehr dankbar“, so Urbanatix-Gründer Christian Eggert, der deshalb nicht mit überschwänglichem Lob spart: „In dieser existenziell schwierigen Zeit für die freie Kulturszene ist eine solche Offenheit und der echte Wille zur Unterstützung absolut herausragend.“

Filmpremiere im August

Zu sehen gibt es im Schauspielhaus einen Mix aus Tanz, Musik, Neuem Zirkus – und Film. Letzterer heißt „Urbanatix Home“ und feierte im vergangenen August bei herrlichem Sommerwetter umjubelte Premiere im Open-Air-Kino der Bochumer Brauerei Fiege. Der 20-Minüter war die kreative Reaktion auf den ersten Coronalockdown und gleichzeitig eine Hommage an Bochum zum 700-jährigen Jubiläum der Stadt – die sich damit über einen ziemlich coolen Image-Film freuen durfte. „Urbanatix Home“ ist aber noch mehr als Tanz und spektakuläre Street-Akrobatik im Ruhrstadion, Bermuda-Dreieck & Co. Der Film erzählt auch etwas von der persönlichen Geschichte eines Ensemblemitglieds: Protagonist ist der in Simbabwe geborene Takudzwa Madaka alias T.K., der als Flüchtling nach Deutschland kam, über den Tanz Anschluss an Gleichgesinnte und schließlich seinen Weg ins Urbanatix-Ensemble fand.

Von der Leinwand auf die Bühne

Ursprünglich als kreative Alternative für das spielfreie Jahr angelegt, wird der Film jetzt zur Grundlage für das Bühnenprojekt im Schauspielhaus: Das Stück „Urbanatix Home – on stage“ kombiniert die filmischen Bilder mit Akrobatik und erzählt die Story von T. K. weiter – eine Geschichte über das Suchen, Finden und Verlieren von Heimat im Zeichen von Migration. „Mit unserem Filmprojekt haben wir viele Zuschauer emotional erreicht. Mit der Bühneninszenierung werden wir diese Emotionen aufnehmen und mit einer Mischung aus Film und Live-Bühnenentertainment weiterentwickeln. Dabei wird das filmische Material zur Kulisse der Live-Performances im Schauspielhaus“, so Urbanatix-Gründer Christian Eggert zur Aufführung. Heißt: Die Artisten und Streetart-Talente treten gewissermaßen von der Leinwand auf die Bühne.

Hoch hinaus wollen die Artisten der Company Volantes – bald auch im Bochumer Schauspielhaus.
Hoch hinaus wollen die Artisten der Company Volantes – bald auch im Bochumer Schauspielhaus. © Urbanatix | Company Volantes

Zuhause dank Urbanatix

Für die Inszenierung hat sich Christian Eggert einmal mehr mit Frank Hörner, Regisseur und Leiter des „Theaterkohlenpott“ in Herne, zusammengetan. „Es gibt so viele Definitionen von ,Home’ (dt. Heimat; Anm. d. Redaktion), wie es Menschen gibt“, sagt Hörner über „Urbanatix Home – on stage“. Protagonist T.K. aus Simbabwe habe in Bochum – auch dank Urbanatix – sein Zuhause für die nächste Zeit gefunden: „Er hat einen Job, eine Wohnung und einen Studienplatz. Aber leider auch Auflagen, die seinen Aufenthalt offenbar so schwer wie möglich machen sollen.“

Zuhause auf der Bühne

Diesen Erfahrungen des 27-Jährigen räumt das Regie-Duo auf der Bühne nun weit größeren Raum als noch im 20-minütigen Film ein. T. K. selbst findet dabei offene Worte für seine auf vielerlei Art schwierige Situation – modern und streetartgemäß formuliert in einem mitreißenden Rap.

Immer wieder trifft T.K. in der ­Inszenierung auf Menschen, die ihm erklären wollen, wo sein Zuhause ist. Der junge Tänzer mit dem langen Weg nach Bochum gibt aber auch selbst eine Antwort darauf, wo er sein Zuhause im Hier und Jetzt ge­funden hat – eine, die so mitreißend wie überzeugend ist: auf der Bühne.

>>> Alle Infos zur Show „Urbanatix Home – on stage“:

Termine: 8.+9.12. und 13.- 15.12. (jeweils 19.30 Uhr) im großen Saal des Schauspielhaus Bochum (Königsallee 15). Tickets (37 €) und aktuelle Infos zu den geltenden Corona-Regeln gibt’s auf www.schauspielhausbochum.de