Hattingen. Ein Trend, der sich durch die ganze Region zieht: Schmucklose Rohkeramiken können Kreative zum Beispiel in der Potteery in Hattingen verschönern.
Aus dem weißen Plastikbecher sprudeln die Blubberblasen nur so heraus. „Weiter blubbern, wir brauchen mehr“, motiviert Brigitte Heise. Noch einmal ordentlich in den gestreiften Strohhalm gepustet und die 55-Jährige ist zufrieden. Auf zwei umgedrehten Löffeln balancierend landet die Blubberhaube in der blanken Keramikschüssel.
Was sich nach einer Lieblingsbeschäftigung aus Kindertagen anhört, verschönert noch schmucklose Keramik. Denn anstelle von Kakao steckt der Strohhalm in einem Gemisch aus Wasser, Spülmittel und grüner Farbe. „Die Blubbertechnik ist eine der beliebtesten Techniken beim Keramikbemalen“, erklärt Brigitte Heise. Platzen die Blasen, hinterlassen sie feine grüne Ovale in der Schale.
Die Potteery – Eine Keramikwerstatt samt Teeladen
Der Blubberexpertin gehört die Potteery in Hattingen. Gemeinsam mit ihrer damaligen Bekannten und heutigen Geschäftspartnerin Andrea Kehry-Rudolph hat sie vor sechs Jahren die Keramik-Kreativwerkstatt mit angeschlossenem Teeladen eröffnet.
Aus einem Hobby ist Profession geworden. Das Geschäft mit der Keramik kommt an. Die dreistündigen Malsessions sind immer gut gefüllt. Um an den mit Pinseln, Tupfern, Klebeband und Stempeln gedeckten Tischen Platz nehmen zu können, ist eine Online-Anmeldung notwendig.
Hier platzen keine Träume nur Blubberblasen
Dabei können nicht nur zerplatzte Bläschen eine Schüssel verschönern – Techniken gibt es viele, mehr noch gibt es Rohkeramiken. Hohe Holzregale in der Potteery, vollgestellt mit beigen Tassen, Tellern, Dosen, Kannen und noch so vielem mehr, machen die Auswahl schwierig.
Salz- und Pfefferstreuer, Tortenböden, Spardosen und Figuren – „Wir haben weit über 200 Artikel und es werden immer mehr“, Brigitte Heise zuckt beinah entschuldigend mit den Schultern. „Eigentlich ist alles einfach zu bemalen. Am kreativsten ist man mit Keramiken, die nicht motivbedingt sind, also nur eine Form haben.“ Es wird die schlichte Müslischüssel.
Hände waschen nicht vergessen!
Bevor die allerdings auf der Werkbank landen kann, gilt eines: „Hände waschen“, mahnt die Hobbymalerin. Ansonsten können unschöne Fettflecken auf der Oberfläche entstehen. Mit der Müslischale in den staubtrockenen Händen hat die Qual der Wahl aber noch kein Ende.
Denn das farblose Gut will bemalt, betupft oder beblubbert werden. „Generell gilt: Man kann frei gestalten“, erklärt Heise und stellt ein paar Beispielexemplare auf den Tisch. Eine verwaschen grüne Tasse zieren feine Gräser.
Eine Technik aus der Kindheit
Die verschiedenen Grüntöne hat die 55-Jährige mit dem Finger aufgetragen, die Striche mit einem Holzstäbchen eingezeichnet und mit der anderen Stabseite kleine Punkte daran gemalt.
Eine andere wird durch kräftige Kontrastmuster verschönert. „Hier habe ich erst verschiedene Farben wild aneinandergetupft, alles mit schwarz übermalt und dann mit einem Holzstäbchen Muster reingekratzt. Das kennt man vielleicht noch aus der Kindheit.“
Klebeband, Stempel, Siebdruck – die Auswahl ist groß
Die Teekanne daneben zieren rote Rosenköpfe – aufgetragen mit einem Bund abgeschnittener Gummibänder. „Man nimmt die Farbe auf und dreht sie dann auf die Keramik.“ Die Möglichkeiten scheinen unendlich: Klare Kanten durch die Klebeband-Technik, verschiedene Stempel oder die Siebdrucktechnik, deren Schablonen in der Potteery einige Kladden füllen, zaubern unterschiedliche Motive auf Tassen & Co.
Wer auf Schablonen und andere Hilfsmittel verzichten will, greift einfach zum Pinsel und lässt seiner Kreativität freien Lauf. Fündig wird also jeder. Apropos: „Es ist wirklich generationsübergreifend: Oma, Opa, Enkelkind, Patentante oder -onkel, Papa mit Sohn. Und jeder hat Spaß.“
Man versinkt in Arbeit – und das ist gut so
Die Inhaberin selbst ist durch einen Besuch in einer Keramikwerkstatt in Düsseldorf gemeinsam mit ihrem Mann auf das Hobby gestoßen. „Mein Mann hat zu mir gesagt: ‚Ich habe dich schon lange nicht mehr so entspannt gesehen.‘“
Andrea Kehry-Rudolph ging’s ähnlich. Und weil ihre Ehemänner befreundet waren, brachten sie die beiden Frauen, die mit ihren Jobs im Marketing- und Kommunikationsbereich unzufrieden waren, zusammen. Die Hattinger Potteery war so gut wie geboren. „Das Malen hat etwas Meditatives, weil man vollkommen in der Arbeit versinkt“, schwärmt Heise.
Blubberkönig Maxi auf Pinterest
Bevor der Pinsel die Tasse berührt, wischt die Hobbymalerin mit einem feuchten Tuch über den Rohling, um ihn vom Staub zu befreien. „Wenn noch Staubpartikel vorhanden sind, bilden sich beim Brennen Blasen, die aufplatzen. Dann springt die Farbe weg.“ Nicht schlimm, aber vermeidbar.
Und welche Technik darf’s nun sein? Brigitte Heise kramt eine Schüssel hervor, gezeichnet von Blubberblasen. „Die ist von unserem Blubberkönig Maxi“, Andrea Kehry-Rudolphs Sohn. Der junge Mann hat mit seiner Technik bereits über zwei Millionen Follower auf der Hobby-Plattform Pinterest um sich geschart. „Er nimmt den Becher und blubbert so lange, bis alles überläuft, direkt in die Keramik.“
Keramik malen geht auch zuhause
Etwas präziser wird es mit zwei Löffeln, die die Blubberhaube an oder in den Rohling legen. Damit das feine Muster auch überall zu sehen ist, wird die Schale zu allen Seiten gedreht. Gar nicht so einfach, die feine Blubberhaube rutscht hin und wieder durch die Löffel. Eine Meditation später ist das Werk fast vollbracht. Das Schalenäußere bekommt einen grün-gelben Anstrich.
Keramik bemalen funktioniert im Übrigen auch am Küchentisch. Rohkeramik zum Verschönern gibt’s z.B. im Internet, eine Google-Suche entfernt. Auch die Potteery bietet Rohlinge zum Kaufen und Mitnehmen an.
Selber brennen oder brennen lassen? Keine Frage
Das Malen vor Ort hat zwar seinen Preis, dafür allerdings einen großen Vorteil: Farben, Hilfsmittel, Glasur und Brand sind inbegriffen. Wer in den heimischen vier Wänden malt, muss sich selber kümmern. Materialien gibt es zu kaufen, das Brennen erfordert aber Temperaturen zwischen 900 °C und 1400 °C. Schreiber-Heiße und Kehry-Rudolph haben zwei große Brennöfen im Hinterzimmer stehen.
Daneben steht Mitarbeiter Valentin, der die frischbemalten Tassen, Teller & Co. nach und nach in die mintfarbene Glasur tunkt – zurück bleibt eine farblos glänzende Schicht. „Anschließend wird die Keramik bei 1050 Grad gebrannt“, erklärt Heise. Nach vier Tagen ist die Keramik abholbereit. Danach ist das einzige, das in der brandneuen Müslischale blubbert, hoffentlich nur Milch.
>>> Info: Die Potteery in Hattingen, Keramikmalwerkstatt: Fr+Sa 11-18 Uhr, Sa auch 11-14 Uhr, So 13-16 Uhr, Bahnhofstr. 2. Anmeldung und mehr Infos unter www.die-potteery.de.
Auch hier wird Keramik bemalt: (eine Auswahl) Farbrausch Keramik in Essen, Manufattura in Düsseldorf, Eigenlob in Düsseldorf,Düsselliebe in Düsseldorf, Keramikzeit in Castrop-Rauxel, Momentmal in Dortmund, Made by You in Bochum, petit atelier in Hagen