Oberhausen. Matthias Reuter hat im Lockdown jeden Tag geübt – so singt er in seinem neuen Programm. Dessen Titel wurde zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Im Ebertbad, der ersten Kabarett-Adresse seiner Heimatstadt Oberhausen, feierte Matthias Reuter unlängst Premiere seines neuen Bühnenprogramms. Wie immer kombiniert der 45-Jährige darin launige Lieder am Klavier mit skurrilen Alltagsbeobachtungen – etwa im Supermarkt. Stefan Moutty sprach mit dem Kabarettisten u.a. über redselige Kassiererinnen und die Freuden des Zeitunglesens.

Ihr Programm heißt „Karrierefreies Wohnen“ – beschreibt das Ihr Dasein als Künstler während des Lockdowns?

Matthias Reuter: Der Titel des Programms „Karrierefreies Wohnen“ ist tatsächlich 2019, also vor dem Lockdown, entstanden. Ich war selbst überrascht, dass ich das dann erstmal anderthalb Jahre lang gemacht habe. Ich probiere mal aus, ob das auch umgekehrt funktioniert. Das nächste Programm nenne ich „restlos ausverkauft“ und drücke die Daumen.

Im Programm singen Sie – auf die vergangenen Monate bezogen – „Ich hab jeden Tag geübt“. Wie haben Sie die Zeit noch genutzt?

Ich habe in der Lockdown-Zeit ein Tontechnik-Fernstudium abgeschlossen. Da gab es immer einiges zu tun. Und Klavier geübt habe ich auch. Aber ohne Publikum spielt man ja meist etwas anderes als seine Kabarettprogramme. Und nach einem Jahr musste ich dann schon überlegen, wie noch mal die Texte meiner eigenen Songs waren.

Für eine Nummer im neuen Programm bekamen Sie die Inspiration aus Ihrer Tageszeitung. Sind Sie überzeugter Zeitungsleser?

Eine Zeitung aus Papier gehört bei mir zum Alltag. Ich lese meistens erstmal den Oberhausener Lokalteil, dann Kultur und zum Schluss den Politik-Teil. Dafür sollte man ja häufig am besten die erste Tasse Kaffee schon getrunken haben.

Treueherzen für die vorlaute Kassiererin

Gewissermaßen die Hauptdarstellerin in den Texten Ihres neuen Programms ist eine recht mitteilungsfreudige Supermarkt-Kassiererin namens Frau Schröder. Gibt’s die wirklich?

Die gibt’s wirklich. Aber als eine Mischung aus unterschiedlichen mitteilungsfreudigen Sympathieträgerinnen – und mit einem Anteil Hella von Sinnen aus dem alten TV-Werbespot von 1989: „Tina, wat kosten die Kondome?“ Genauso hat auch Frau Schröder bei allen modernen Kundenkommunikationsschulungen komplett blau gemacht. Und dafür gibt’s von mir alle Payback-Punkte und Treueherzen, die ich in den letzten Jahren nicht mitgenommen habe.

Sie sind Oberhausener – dort geboren und geblieben. Gilt das Goosen-Diktum „Woanders is auch scheiße ...“ – oder spricht noch mehr für Oberhausen? Andere Kabarettisten und Comedian zieht’s der Karriere wegen ja nach Köln ...

Ich hab den Spruch ja immer so verstanden: „Zu Hause isses auch nicht schlecht.“ Was Auftritte anbelangt, fahre ich gerne mal nach Köln, wo karrierefreies Wohnen, glaub ich, auch ganz gut möglich ist. Und in Oberhausen zu wohnen ist absolut in Ordnung. Ich habe während der Uni mal ein Jahr in Essen gewohnt. Mehr große Welt könnte ich nicht mehr verkraften.

Germanistik als Kleinkunst-Fachabitur

Nimmt man Sie außerhalb des Reviers eigentlich als typischen Ruhrgebiets-Kabarettisten wahr?

Ich spiele ja auch viele Lieder am Klavier und werde darum meistens erstmal als Klavierkabarettist und dann erst als Ruhrgebietskabarettist eingeschubladet. Aber die Mischung stimmt schon. Wenn’s den Leuten gefällt, sollen sie mich gern einordnen wie sie wollen. Und wenn nicht, dann kann auch das Ruhrgebiet nichts dafür.

Sie haben Germanistik studiert, was ja schon mal ganz gut für Kleinkunst qualifiziert. Dazu haben Sie auch Ihre Magisterarbeit über Kabarett geschrieben. War Kabarettist immer schon Ihr Traumberuf?

Das hat sich so ergeben. Aber ein Germanistik-Magister ist ja schon irgendwo Kleinkunst-Fachabitur. Traumberuf? Hmm. Als Kind und Jugendlicher habe ich regelmäßig Hanns Dieter Hüsch und andere Kabarettisten gesehen und mir gar nicht klar gemacht, dass das überhaupt ein Beruf ist. Ich hab mir immer gedacht, die würden das auch ohne Gage machen. Seit dem Lockdown weiß ich: Das stimmt. Aber mit isses schon schöner.

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