Essen. Schlagersängerin Kerstin Ott hat ihr neues Album „Nachts sind alle Katzen grau“ veröffentlicht. Im Interview verrät sie die Inspiration dahinter.
Gut zehn Jahre schlummerte „Die immer lacht“ in einem musikalischen Dornröschenschlaf. Wachgeküsst wurde das Lied von Kerstin Ott durch den Remix des DJ-Duos Stereoact. Heute brauchen die Songs der 39-Jährigen keine Nachhilfe mehr. Ihr neues Album „Nachts sind alle Katzen grau“ stieg auf Platz drei der Charts ein. Wie schwer es war, sich an den Erfolg zu gewöhnen und wie sie mit Anfeindungen umgeht, darüber sprach Kerstin Ott mit Kirsten Gnoth.
Die Texte auf Ihrem neuen Album „Nachts sind alle Katzen grau“ drehen sich um durchaus ernste Themen. Woher kommt die Inspiration?
Kerstin Ott: Ich mache mir Gedanken darüber, was für die Menschen interessant sein könnte und daher kommt das. Alles in allem finde ich aber, dass es ein sehr tanzbares Album ist.
Wie ist der Albumtitel entstanden?
Das ist ganz einfach. Er ist im Studio entstanden, als ich gerade draußen auf dem Balkon eine Zigarette rauchen war. Und plötzlich kam mir der Spruch „Nachts sind alle Katzen grau“ in den Kopf.
Schreiben Sie die Songs nur im Studio?
Ich schreibe, wo es gerade passt. Wenn ich einen Einfall habe, notiere ich mir das ganz schnell in meinem Handy, bevor er wieder verschwindet. Ich passe schon immer auf, dass ich keine gute Idee einfach so liegen lasse. Mit meinen Einfällen komme ich dann ins Studio und wir basteln etwas Schönes daraus.
Spiegelt das Album auch Persönliches wider?
Ja klar, ich finde es wichtig, über Dinge zu schreiben, die ich selbst erlebt habe oder die Bekannte von mir erlebt haben. Ich habe zum Beispiel einen Fan, die Trisomie 21 hat. Sie hat mir geschrieben, dass sie sich gerade verliebt hat. Ihr Freund hat ebenfalls Trisomie 21. Ihre Liebe wird allerdings nicht ernstgenommen. Durch diese Geschichte ist die Idee für das Lied „Was weißt du von meiner Liebe“ beispielsweise entstanden. Das sind wichtige Themen, die man auch besprechen sollte.
Das klingt aber nach einem sehr engen Kontakt mit den Fans?
Ja, mit diesem Fan habe ich seit ungefähr drei Jahren eine Brieffreundschaft. Sie ist tatsächlich so die Einzige, mit der ich hin und her schreibe, da ich recht wenig Zeit habe. Wir liegen uns schon sehr am Herzen.
Sind Sie immer offen, wenn man Sie auf der Straße anspricht, oder haben Sie auch mal einen schlechten Tag?
Natürlich gibt es auch mal Tage, da bin ich nicht offen dafür. Aber das ist sicherlich bei jedem so. Manchmal bin ich einfach zeitlich im Stress und kann eben nicht zehn Selfies machen. Es kommt auch immer darauf an, wie die Leute mir begegnen. Das kann manchmal etwas distanzlos sein. Dann muss ich schon mal forsch werden und sagen, dass es so nicht geht. Aber das muss man einfach kommunizieren und meist stoße ich auf Verständnis.
Auf dem Album ist außerdem der Song „Sag mir (wann beginnt endlich die Zeit)“, der sich mit Klischees und Anfeindungen verschiedenster Natur auseinandersetzt. Wurden Sie selbst schon mal angefeindet?
Das passiert mir bei Social Media ständig. Das liegt natürlich auch daran, dass ich eher maskulin aussehe und mit einer Frau verheiratet bin. Das gefällt nicht allen. Bei Social Media sind solche Hate-Nachrichten und alles, was sich die Leute noch so einfallen lassen, dann auch mal schnell hingeschrieben.
Geht Ihnen das nahe?
Ich muss echt sagen, dass ich mich davon schon stark emotional distanziere. Ganz am Anfang der Musikkarriere war das allerdings schwierig, weil ich mit diesem geballten Hass und den negativen Kommentaren nicht umgehen konnte. „Normale“ Personen bekommen nicht so viele negative Nachrichten. Aber mittlerweile weiß ich, dass auf der anderen Seite der Tastatur Menschen sitzen, die mich einfach nicht kennen. Und deshalb beschäftige ich mich damit auch nicht großartig.
Haben Sie jemals darüber nachgedacht, Ihr Äußeres dem Branchen-Image anzupassen?
Ne, die Frage hat sich bei mir nie gestellt. Ich wusste von vorneherein, dass ich mich nicht in diese Rolle reinzwängen kann. Selbst wenn ich wollte, würde das nicht funktionieren. Ich denke auch, dass die Marke Kerstin Ott gerade so funktioniert. Die Menschen können sich damit gut identifizieren. In der Medienwelt fehlen manchmal einfach so Normalos wie ich.
Wie war der Sprung ins Rampenlicht?
Viele können nicht nachvollziehen, wie es ist, seine Anonymität zu verlieren. Diese ganze Aufmerksamkeit ist am Anfang wirklich überfordernd. Ich musste lernen, damit umzugehen, auf der Straße erkannt zu werden. Es hat gut anderthalb Jahre gedauert, bis ich damit klarkam – ohne, dass ich verrückt wurde im Kopf.
Vor fünf Jahren gelang Ihnen als „Normalo“ der große Durchbruch. Wie ist es, wenn Sie sich an den Moment zurückerinnern?
Es gab gar nicht den einen Moment, das war ein schleichender Prozess. Mein Lied wurde von den beiden DJs gefunden und ein erster Kontakt ist entstanden. Danach hat das Lied „Die immer lacht“ im Internet für immer mehr Furore gesorgt. Und plötzlich saß ich bei einer Plattenfirma und habe meinen ersten Vertrag unterschrieben. Es war eine richtige Achterbahnfahrt, in der die Gefühle auf und ab gingen. Eine Zeit lang war das alles ziemlich überfordernd. Das war schon alles ziemlich skurril, weil ich mit einem ganz anderen Lebenskonzept gerechnet habe.
Mit was haben Sie eigentlich gerechnet?
Ich habe felsenfest damit gerechnet, mein Leben als Handwerkerin zu verbringen. Mit dem Gedanken war ich auch sehr glücklich. Als es musikalisch dann losging, habe ich geglaubt, dass es nur ein One-Hit-Wonder wird. Aber selbst das hätte ich toll gefunden. Denn viele schaffen nicht mal einen Hit. Und dann wurde das Ganze doch größer.
Haben Sie weiter als Handwerkerin gearbeitet?
Ich habe ein halbes Jahr zeitgleich beides gemacht. Aber irgendwann wurde das zu anstrengend. Als ich wusste, dass ich sechs oder sieben Monate gebuchte Auftritte hatte und dadurch auch sicheres Geld, habe ich mich mit meiner Frau Karolina und meinem Manager zusammengesetzt. Ich wollte erstmal ein halbes Jahr lang gucken, wie es läuft. Wäre es gar nicht mein Ding gewesen, hätte ich nach der Zeit wieder aufgehört und meinen Handwerker-Job weitergemacht.
Das klingt so, als würde Ihre Frau hinter Ihnen stehen.
Ja, sie ist da genauso reingeschlittert wie ich. Uns war relativ schnell klar, dass wir das zusammen machen müssen. Sonst wäre ich viel zu viel von zu Hause weggewesen. Wir haben zusammengearbeitet und es hat Gott sei Dank funktioniert.
Sie haben Ihrer Frau auch immer wieder Lieder gewidmet. Wie kommt das?
Das liegt an der Tatsache, dass ich sehr, sehr viel Zeit mit meiner Frau verbringe und das auch gerne. Dadurch erleben wir auch die meisten Sachen zusammen. Sie ist eine gute Muse. Mir macht es außerdem Freude, über die Liebe zu schreiben, weil es auch ein Gefühl ist, dass ich jeden Tag greifen kann.
Ihre Frau ist auch ihre Tourmanagerin und so gut wie immer mit dabei. Gehen Sie sich da manchmal auf die Nerven?
Ja, klar. Wir sind manchmal zehn Stunden am Stück unterwegs und davon 24 Stunden lang zusammen. Da bleibt das gar nicht aus. Wir nehmen uns manchmal gerne getrennte Hotelzimmer, um auch mal alleine zu sein und in der Nase popeln zu können, ohne, dass der andere das sieht (lacht). Der Beruf ist so stressig, dass man immer mal wieder ein paar Stunden für sich allein braucht.
Freuen Sie sich denn auf die Tour?
Ja, sehr. Aber es lagen anderthalb Jahre Pause dazwischen und mittlerweile ist das Lampenfieber wieder ganz schön groß. Ich musste mich viel, viel genauer auf die Texte vorbereiten. Ich habe auch Angst, nicht mehr die Routine zu haben – allein, wenn es darum geht, den Koffer vor der Tour zu packen (lacht).
Kerstin Ott live:
„Ich geh’ meinen Weg“-Tour: 16.11. Siegen (Siegerlandhalle), 9.12. Köln (Lanxess Arena), 13.12. Oberhausen (KöPi-Arena). Tickets ab ca. 40 €.
Auftritte bei der Schlagernacht des Jahres: 6.11. Oberhausen (KöPi-Arena), 23.4. Köln (Lanxess Arena). Karten ab ca. 61 €.