Alpen. Die Streuobstwiese im niederrheinischen Alpen erfreut sich großer Beliebtheit. Hier kann der Snack für zwischendurch schnell gepflückt werden.
Christian Chwallek läuft um den Apfelbaum herum und blickt suchend in seinen Wipfel. Plötzlich bleibt er stehen und streckt die Hand nach einem tiefroten Apfel aus. Vorsichtig packt er ihn und dreht so lange, bis sich das gute Stück vom Ast löst.
Der 63-Jährige putzt ihn grob an seinem Hemd ab und beißt hinein. „Lecker, auch wenn die rote Sternrenette eher zu den mehligen Sorten gehört“, berichtet der stellvertretende Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (kurz NABU). Die Tatsache, dass der stattliche Apfelbaum sein „Patenkind“ ist, versüßt den Geschmack.
Ein Obstbaum zur Erinnerung
Vor zehn Jahren pflanzte Christian Chwallek das Bäumchen auf die 8000 qm große Wiese am Dahlackerweg im niederrheinischen Alpen. Damals war der Stamm noch spindeldürr und der Baum gerade mal ein bisschen größer als Chwallek selbst. Heute braucht er eine Leiter, um die Äpfel von ganz oben ernten zu können. Allerdings steht der Baum nicht allein auf weiter Flur, sondern ist in bester Gesellschaft. „Der NABU hat von der Gemeinde einen Maisacker zur Verfügung gestellt bekommen und wir haben ihn in eine Streuobstwiese umgewandelt. Ein prägendes Landschaftselement hier am Niederrhein“, erinnert er sich.
Schon 2009 setzte er sich als Mitglied des Gemeinderats für die Wiese voller Obstbäume ein. „In einem anderen der Dörfer wurde nämlich beschlossen, eine Streuobstwiese in Bauland umzuwandeln. Die Wertschätzung für diese alten Obstsorten war zu gering. Das wollte ich ändern, die anderen Ratsmitglieder bei ihrer Ehre packen und sie zu Baumpaten machen. Außerdem haben viele Großeltern einen Baum für die Enkel gepflanzt, wenn Oma und Opa selbst nicht mehr da sind, ist der Baum es noch.“
Obstbäume mit roten Bändern sind für die Paten reserviert
Der Plan ist aufgegangen: 2011 wurden die ersten 118 von nun rund 170 Bäumen gepflanzt und auf den Namensplaketten stehen auch die einiger Ratsmitglieder. Deshalb trägt das fruchtbare Fleckchen Land den Namen Ratsbongert. Wo das „Rat“ herkommt, dürfte nun klar sein und „Bongert“ ist die niederrheinische Bezeichnung für eine Streuobstwiese.
Und auf eben jener liegt nun jede Menge Obst verstreut und verströmt einen süßlichen Duft. „Auch das Fallobst kann oft noch bedenkenlos aufgesammelt werden.“ Und zwar von jedem, der den knirschenden Kiesweg zwischen den Bäumen entlang wandert. An vielen Stellen müssen Spaziergänger und Spaziergängerinnen nur einen langen Arm machen, um sich Vitamin C vom Wegesrand zu gönnen. „Nur von Bäumen mit einem roten Band darf nicht gepflückt werden. Die sind für ihre Paten reserviert“, verrät Chwallek mit Blick auf eines dieser im lauen Lüftchen wehenden Bänder.
Die richtige Pflege ist das A und O
Gerade jetzt, an einem der vermutlich letzten heißen Spätsommertage, ist der Biss in einen Apfel erfrischend. „Allerdings schmecken sie anders, als das Obst aus dem Supermarkt.“ Auf dem Ratsbongert ist nichts genormt – auch nicht der Geschmack. Dort wächst der säuerliche Boskoop, neben der Rheinischen Schafsnase mit ihrem Honig-Aroma oder der Goldparmäne, die eine nussige Note hat.
Auf der Streuobstwiese dürfen Kirschen, Quitten & Co. wachsen, wie sie möchten. „Die Bäume werden gepflegt und beschnitten, das ist das A und O für eine ertragreiche Ernte“, erklärt der Fachmann und zwackt einen wildwuchernden Ast ab. „Da kann ich einfach nicht anders“, sagt er und lacht.
Pflückreif ist nicht genussreif
Wer einen besonders leckeren Apfel zu dieser Jahreszeit pflücken möchte, sollte die Hinweisschilder unter den Bäumen lesen. Dort steht, wann die Früchte reif sind. Aber pflückreif ist nicht genussreif. Lässt sich zum Beispiel ein Apfel leicht vom Baum zupfen, ist er zwar pflückreif – schmecken muss er aber noch lange nicht. Manche Sorten brauche noch einige Monate in der Garage oder dem Keller, um richtig schmackhaft zu werden. Also nicht gleich enttäuscht sein und den Apfel ins Gras pfeffern, wenn es beim ersten Bissen nicht mundet.
Eine Erfahrung, die Christian Chwallek am nächsten Obstbaum auch macht. Ein beherzter Biss in die Birne sorgt für kurzes Stirnrunzeln: „Oh, die ist aber noch knackig. Na ja, das mag ich lieber als matschig.“ Es ist eben alles Natur hier auf dem Ratsbongert. Und manchmal hält die auch eine eiweißhaltige Überraschung parat. Deshalb rät der Profi: „Den Apfel erstmal in der Mitte durchschneiden, damit man nicht direkt in den Wurm beißt.“
Streuobstwiesenfest und weitere Infos
Am 26.9. findet das Alpener Streuobstwiesenfest statt. Entlang der Wiese am Dahlacker-/Mittelweg präsentieren sich von 10-17 Uhr regionale Betriebe. Ein Schäfer bringt seine Waren mit, es wird eine mobile Mosterei geben und regionales Bier. Infos: streuobst-niederrhein.de
Die Streuobstwiese ist nicht nur etwas für die Sinne, sondern als Umweltbildungsprojekt auch den Kopf. Hinweisschilder entlang der Wiese weisen auf die Flora und Fauna hin. Ein scannbarer QR-Code führt zu einem digitalen Marktplatz für Obst.
Weitere Streuobstwiesen sind über www.streuobstwiesen-nrw.de zu finden. Dort steht meist auch, ob geerntet werden darf oder nicht.
Die Webseite mundraub.org bietet eine Übersichtskarte über jegliche wild-wachsende Snacks am Wegesrand. Hier kann jeder seine Funde eintragen.