Essen. Mit seinem Programm „Wir beruhigen uns“ tourt Comedian Abdelkarim durch die Region. Ein Gespräch über Wut, Klischees und Politik auf YouTube.

Abdelkarim (39) ist selbst ernannter „Marokkaner Deines Vertrauens“ und „einziger Wahl-Duisburger“. In seinem Programm „Wir beruhigen uns“, mit dem er gerade tourt, spannt der Komiker und Kabarettist einen Bogen von Handysucht und Zugfahren über Erziehung bis hin zu Rechtsradikalismus.

Im Interview hat er uns verraten, worüber er sich gerne aufregt, warum die Regierung seiner Meinung nach nicht divers genug ist und was er als Kanzler anders machen würde.

Ihr aktuelles Programm heißt „Wir beruhigen uns.“ Worüber haben Sie sich denn zuletzt so richtig aufgeregt?

Abdelkarim: Ganz eindeutig und sehr lange über meine Waschmaschine. Sie nimmt seit einigen Tagen kein Waschpulver mehr auf. Ich habe mich mittlerweile informiert und laut Google ist der Fall klar: Es kann 8000 Gründe haben. An alle Leser- und Leserinnen: Wenn ihr mal ein ähnliches Problem hattet, könnt ihr mir über Instagram oder Facebook die Lösung verraten.

Was machen Sie dann, um wieder runterzukommen?

Da ist viel möglich. Einfach kurz hinlegen oder ein paar Dehnübungen. Und man darf jetzt auch nicht übertreiben, es ist nur eine leicht defekte Waschmaschine. Morgen entscheide ich, ob ich Flüssigwaschmittel nehme oder das Waschpulver einfach mit den Klamotten in die Waschtrommel knalle. Oder es wird eine Oldschool-Handwäsche mit Waschbrett.

Am Anfang der Pandemie haben Sie gesagt, dass Sie in den Wald ziehen werden, um dort Tomaten zu züchten und Wildschweine zu erschrecken. Ist es so weit gekommen?

Nein. Tomaten habe ich noch nicht gezüchtet, aber ich war ab und an im Wald spazieren. Die Wildschweine waren aber vorbereitet.

Wie haben Sie die Corona-Zwangspause genutzt?

Ich habe viel ausgemistet, war viel spazieren und habe zig Filme und Dokus nachgeholt. Und ich habe versucht, den ständigen Wechsel zwischen „Kadavermodus“ und „Kultur ist wieder möglich“ zu managen.

„Das ist alles eine sehr weiße, männliche Angelegenheit.“

Bei einem Auftritt meinten Sie, die Regierung sei nicht divers genug: Ein Ahmed hätte mit seinem Akzent viel bessere Impf-Deals ausgehandelt. Ist es nicht gefährlich, mit solchen Klischees zu spielen?

Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich da auch erwähnt, dass Ahmed akzentfrei Deutsch kann, aber beim Handeln extra einen Akzent benutzt. So gesehen ist das also von Ihnen – wenn ich mal einen auf Lehrer machen darf – das falsche Beispiel für die richtige Frage. Die Gefahr, Klischees und Vorurteile durch Wiederholen zu bestätigen oder sogar zu zementieren, ist natürlich immer da. Und gerade in der heutigen Zeit mit Rassisten im Bundestag sollte man solche Gefahren nicht unterschätzen. Daher finde ich es großartig und wichtig, dass alle Comedians, die mir spontan einfallen und die solche Themen auf der Bühne ansprechen, für eine antirassistische Haltung stehen. Das ist übrigens eine Haltung, die in der Comedy- und Kabarettszene keine Seltenheit ist. Und man muss natürlich wie ich auch Glück haben mit den Leuten, die einen gut finden.

Wie nehmen Sie Ihr Publikum denn wahr?

Meine Zuschauer und Zuschauerinnen sind sehr weltoffen. In meinen Shows sitzen Menschen von hellweiß bis dunkelschwarz und sie nehmen sich alle nicht zu ernst und lachen gemeinsam. Mehr Völkerverständigung geht eigentlich gar nicht.

„Unser Bildungswesen und unser Bundestag sollten unbedingt repräsentativ sein.“

Wie ernst ist Ihre Kritik daran, dass die Regierung nicht divers genug ist?

Da gibt es auf jeden Fall noch großen Nachholbedarf. Ich habe mal einen Auftritt von Professor Haci-Halil Uslucan gesehen, der an der Uni Duisburg-Essen lehrt und das Essener Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung leitet. Die Zahlen sind in Deutschland eindeutig: Ungefähr 20 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Bei den Lehrern und Lehrerinnen haben aber nur ein Prozent einen Migrationshintergrund. Und im Bundestag auf jeden Fall unter zehn Prozent, das ist alles in allem schon eine sehr weiße, männliche Angelegenheit. Unser Bildungswesen und unser Bundestag sollten aber unbedingt repräsentativ sein, damit alle Menschen vertreten und optimal wahrgenommen werden. Ich hoffe, dass sich in Zukunft die Verhältnisse an die Realität anpassen werden.

Wie kann das Ihrer Meinung nach gelingen?

Am nachhaltigsten klappt das wahrscheinlich, wenn man Menschen schon in jungen Jahren Zugangsmöglichkeiten in die Politik zeigt. Man muss ja nicht direkt wie Amthor komplett ausrasten und seine Kindheit im Bundestag verbringen, aber ich hätte es als Kind bestimmt cool gefunden, wenn wir in der Schule gelernt hätten, wie man sich leicht für lokale Sachen engagieren kann. Dieser erste, einfache Kontakt kann ja später der Auslöser einer politischen Laufbahn sein.

Auftritte in der Region

Termine: 25.7. Dortmund (Schalthaus 101), 28.7. Bochum (Zeche Hannover, Open-Air-Mix-Show), 26.9. Münster (Kap.8 ), 30.9. Soest (Kulturhaus Alter Schlachthof), 2.10. Kleve (Stadthalle).

Tickets gibt’s unter anderem auf www.abdelkarim.tv.

„Comedians haben den großen Vorteil, dass sie nicht immer sachlich sein müssen.“

Unter „Abdelkratie“ erklären Sie auf YouTube das Grundgesetz. Warum können Comedians den Menschen Politik manchmal besser näherbringen als Politiker und Politikerinnen?

Comedians haben gegenüber Menschen aus der Politik den großen Vorteil, dass sie nicht immer sachlich sein müssen. Das gibt uns die Möglichkeit, auch mal einen Vergleich oder ein Beispiel zu wählen, das vielleicht nicht zu 100 Prozent passt, aber das Problem trotzdem richtig erklärt. Und man kann Sachen viel besser verstehen und sie sich besser merken, wenn man sie unterhaltsam vermittelt bekommt.

Wie würde ein Kanzler Abdelkarim sein?

Ich weiß nicht, wie ich wäre, aber meine ersten Amtshandlungen stünden schon fest: 1. Ich würde jedem empfehlen, jeden Tag mindestens 30 Minuten an die frische Luft zu gehen. 2. Ich würde mit Programmierern an einer neuen, sehr notwendigen Social-Media-Funktion arbeiten: Wenn jemand auf Facebook oder Twitter einen Text schreibt und dann auf „posten“ klickt, wird ihm der Text von einem Roboter automatisch vorgelesen und am Ende kommt der Satz „Bist du sicher, dass du das posten willst? Ist das wirklich dein Beitrag zur Diskussion? Dann klicke jetzt auf JA!“ Das würde uns allen viel Unsinn ersparen.

„Paris kann jeder, Duisburg muss man wollen.“

Im Mai letzten Jahres wurden Sie und Ihr Kamerateam während eines Drehs für die „heute-show“ auf einer Demo gegen die Corona-Politik angegriffen. Wie denken Sie heute darüber?

Wir hatten alles in allem auf jeden Fall Riesenglück.

Von Bielefeld als „einziger Wahlduisburger“ ins Ruhrgebiet: Warum zieht dort sonst Ihrer Meinung nach niemand freiwillig hin?

In Duisburg gibt es einen schönen Spruch: „Paris kann jeder, Duisburg muss man wollen.“ Ich denke, damit ist alles gesagt.