Essen. Der Recklinghäuser André Tegeler alias Moguai gehört zu den erfolgreichsten DJs Deutschlands. Ein Gespräch über Musik, Werdegang und Fußball.
Weit mehr als 100 nationale sowie internationale Live-Auftritte pro Jahr, mit Platin-Schallplatten ausgezeichnete Produktionen und mehrere Radiosendungen, unter anderem bei 1Live – der gebürtige Recklinghäuser André Tegeler alias Moguai gehört zu den meistbeschäftigten Elektro-DJs des Landes. Nach der langen Corona-Zwangspause kann der 47-Jährige bald endlich wieder auflegen. Karten für sein Set im Rahmen des „1Live Festivalsommers“ am 23. Juli kann man allerdings nicht kaufen, sondern nur beim Radiosender gewinnen. Patrick Friedland sprach mit Moguai über das DJ-Leben vor und während Corona, alte Hits und seine Verbundenheit zum Ruhrgebiet.
Sie hatten lange keine Live-Auftritte mehr. Mit welchen Gefühlen geht es jetzt zum Gig in Essen?
Ich hatte vergangenes Jahr ein paar Auftritte, einmal ging es ans Düsseldorfer Rheinufer. Wunderschöne Lage, top Wetter, Sonnenuntergang, Platz für 2500 Leute – und kommen durften 250. Das sah sehr verloren aus. Das Gelände am Delta Musik Park kenne ich von früheren Auftritten, ich weiß zwar noch nicht, wie genau die Regularien vor Ort sein werden, aber ich freue mich riesig, überhaupt mal wieder performen zu dürfen. Live spielen ist der Hauptgrund, warum ich mit dem DJing und Produzieren vor über 20 Jahren mal angefangen habe.
Wie haben Sie die auftrittslose Zeit genutzt?
Ich habe ein Künstlermanagement für DJ-Nachwuchstalente ins Leben gerufen, die „Moguai Management GmbH“. Wollte ich schon länger machen, aber bei 120 Shows pro Jahr plus Anreisen blieb dafür nie Zeit. Zudem habe ich mein altes Plattenlabel „Punx“ wiederbelebt, eine eigene Verlagsedition, die „Dial M for Moguai“, gegründet und ein neues Album produziert, das im Oktober erscheinen wird. Es gab also gut zu tun. Und an den Wochenenden war ich für die Familie da. Ein ungewohntes Gefühl, am Anfang war ich sogar ein bisschen unruhig. Einige Monate war das echt schön, aber irgendwann dachte ich: Jetzt darf es mal wieder losgehen.
„Wer die richtigen Hits produziert, kann davon leben“
Wie verdient denn ein DJ Geld, wenn er nirgends auflegen darf?
Kommt drauf an, wie du aufgestellt bist. Lebst du nur vom Live spielen, ist natürlich momentan nix zu holen. Ich habe noch meine Radiosendung auf 1Live. Zudem produziere ich weitere Musik, die auch gut im Radio laufen oder gestreamt werden kann. Wer die richtigen Hits produziert, die in den Streaming-Charts oben landen und von vielen gehört werden, kann davon leben. Wobei ich schon gemerkt habe, dass die Live-Einnahmen wegfielen. Man muss außerdem sagen: Was die Regierung mit den Hilfen auf den Weg gebracht hat, fand ich gut. Es war aber sehr kompliziert, da ran zu kommen, Selbstständige mussten sich da durch einen riesigen Paragraphen-Dschungel kämpfen.
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Die ungesunden Lebensstile vieler DJs sind kein Geheimnis: Ist die Corona-Zwangspause der Gesundheit nicht vielleicht auch zuträglich?
Ich kann mir vorstellen, dass die Pause vielen Kollegen hilft, damit der Körper mal zur Ruhe kommt. Wenn sie nicht im Privaten weitergefeiert haben, was ich von einigen weiß. Im normalen Leben gilt immer die Reihenfolge Flug kriegen, Einchecken, Soundcheck, Spielen und am nächsten Tag sofort wieder in den nächsten Flieger steigen. Die Pause ist für unsere gesamte Szene trotzdem eine Katastrophe. Nicht jeder hat die Leute und die Ideen, um durch so eine Zeit durchzukommen, andere DJs mussten auch andere Jobs ausüben. Ich kenne da einige Leute bei Booking-Agenturen, die europäische DJs nach Ostasien vermittelt haben – da ist natürlich ganz vorbei.
Sie produzierten bereits Remixe für Weltstars wie Britney Spears, Moby und Beyoncé. Wie kamen Sie dazu, mit den Songs von Weltstars arbeiten zu dürfen?
Das machen die Plattenfirmen. Vor Neuveröffentlichungen schauen die genau hin. Wer hat gerade einen guten Sound? Wer performt auf den DJ-Plattformen gut? Dann bekam ich die Anfragen – natürlich nicht von Britney oder Beyoncé selber –. Man schickt eine Produktion zurück und die wird dann genommen oder eben nicht. Bei manchen Singles gibt es 50 oder 60 Remixe und am Ende bekommt einer den Zuschlag.
Für die Produktionen „In The Middle“ (Sugababes) und „Something Kinda Ooh“ (Girls Aloud) bekamen Sie Doppel-Platin. Wie war da die Zusammenarbeit?
Auf BBC Radio 1 in England hatten die Mädels von den Sugababes mein Lied „U Know Y“ gehört und sagten ihren Produzenten, dass sie auf sowas auch mal singen wollen. Die wollten sogar mein Original haben, ich schickte es ihnen zu und sie bekamen es nicht installiert. Daraufhin bin ich mit einem Sampler nach London geflogen und habe das hinbekommen, was die mit ihren 50, 60 Synthesizern nicht hinbekommen haben (lacht). Erst war ich skeptisch, ich kam nun mal aus den Underground-Clubs. Aber es hat super funktioniert.
„Zusammenarbeit mit The Killers oder Metallica wäre toll“
Gibt es noch Wunschkollaborationen?
Klar. Ich höre seit der Jugend viel Punk und jüngere Rockbands. The Killers wären zum Beispiel toll. Oder Metallica. Es ist immer interessant, solche Klänge in ein neues Gewand zu packen.
Wie kam denn der Punkrock-Hörer zur elektronischen Tanzmusik?
Das ging Anfang der 90er Hand in Hand. Es gab immer mehr Clubs, die sowohl Punk als auch den stärker und stärker aufkommenden Techno gespielt haben. Erst war ich sehr anti. Elektronische Musik – das ging gar nicht. Als ich allerdings mal eine Techno-Party besuchte, war ich sehr fasziniert von der Andersartigkeit, diesem Verbotenen, den skurrilen, verkleideten Leuten. Ich wollte ja immer Musik machen, habe aber nie ein Instrument gelernt. Dann lieh mir ein Kollege seinen Plattenspieler, ich produzierte meine ersten Mixtapes und so nahm das alles seinen Lauf. Die Entwicklung der elektronischen Musik ist auch bemerkenswert. Techno, House & Co. sind nicht mehr aus der Musikwelt wegzudenken.
Die Events wurden immer größer – wie stehen Sie zur Kommerzialisierung?
Ich verstehe es, wenn Alt-Raver damit Probleme haben. Das war eine andere Zeit in den 90ern mit anderen Leuten, die die Szene immer klein gehalten haben und nicht so extrovertiert waren. Jetzt gibt es ein Publikum, das diesen Rave-Zirkus mit Bühnenshows, CO²-Kanonen und Tortenwerfen feiert. Ich war mal auf Tour mit Deadmau5, da wurde ich Zeuge von einer Live-Inszenierung, davon, wie jeder Laser, jeder Effekt da auf die Sekunde durchgeplant ist. Ich habe zwar auch all diese Effekte, aber ich spiele Live-DJ-Sets, die nicht durchinszeniert sind, Spontanität gehört für mich dazu. Das Gute ist: Es gibt für alle genug Angebote.
Nochmal zu Ihrer Biografie: Sie waren der jüngste Metzgergeselle NRWs – wie wird man dann DJ?
Meine Eltern hatten eine Metzgerei in Marl. Die sollte ich übernehmen, aber dann lief alles anders. Mein Chef in der Ausbildung meinte, ich solle nach dem Realschulabschluss und meiner Lehre noch Abitur machen. Meine Schwester, damals Architekturstudentin, hat mich dann auf einem Gymnasium angemeldet, wo alle dachten, dass ich zweimal sitzengeblieben wäre, weil ich die Lehre schon hinter mir hatte und viel älter war. Dann kam der Zivildienst, ich fing an, Wirtschaftswissenschaften und Jura zu studieren – und 1998 kam plötzlich mein erster Top-Ten-Hit in Deutschland („The Final“ mit Phil Fuldner, d. Red.). Mein Anwalt meinte: „Wenn du jetzt weiter studierst, bist du selbst schuld.“
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2018 durften Sie eine neue Version des „Steigerliedes“ produzieren. Wie sind Sie an diese ehrenvolle Aufgabe herangegangen?
Die Idee kam von Claus-Dieter Grabner (Leiter Klartext Verlag, d. Red.) und der RAG. Ich wollte das erst absagen, weil ich diesen Auftrag zu groß fand. Als jemand, der aus dem Pott kommt, weiß ich, was die Leute damit verbinden. Da ist die Gefahr sehr groß, dass sie sagen ‚Hau ab mit der neuen Version, ich brauche nur die alte.“ Irgendwann habe ich aber ein Bild von dem Stück entwickelt, es sollte groß, nach einem Hans-Zimmer-Filmsoundtrack klingen. Dann kam der LandesJugendChor NRW noch mit dem Gesang dazu und das Ding war rund. Wir wollten eine coole Version kreieren, die Gefühl hat, niemanden schockt und nicht versucht, besser zu sein als die alte.
Nicht nur Corona hat zuletzt auf die Laune geschlagen, Sie sind ja auch großer Schalke-Fan. Wie beurteilen Sie die Situation des Klubs?
Schrecklich, desaströs, immer noch ein bisschen traumatisch. Ich glaube, der Abstieg kommt erst richtig bei mir an, wenn die neue Saison losgeht. Man will es einfach nicht wahrhaben. Ich hoffe, dass das mit Liga zwei nicht allzu lange so bleibt, die Jungs müssen jetzt Vollgas geben und wieder aufsteigen. Wenn ich nicht auf Tour bin, nutze ich auch immer meine Dauerkarte – sonst geht die an Familie und Freunde.
>>> INFO: Moguai bei den 1Live Festivalsommer DJ Sessions
Am 23.7. legt Moguai, wie auch seine DJ-Kollegen Alle Farben und Topic, im Rahmen des 1Live Festivalsommers im Delta Musik Park Essen auf. Karten gibt’s nur zu gewinnen – und zwar hier. Weitere Infos und Daten auf moguai.com.