Essen. Erfolg mit dem Comeback-Album „Now“, Frust gegenüber der Regierung. Was Fury In The Slaughterhouse aktuell bewegt, verraten sie im Interview.
Für treue Fans von Fury In The Slaughterhouse ist das nicht mal zur Hälfte vergangene Jahr 2021 jetzt schon ein gelungenes. Denn mit „Now“ erschien kürzlich das erste Album der Hannoveraner Rockband („Won’t Forget These Days“) seit 2008. Über die Comeback-Platte, kuriose Konzerte im vergangenen Sommer und die jüngsten Maßnahmen der Bundesregierung sprach Patrick Friedland mit Sänger Kai Wingenfelder (61).
Warum dauerte es 13 Jahre bis zu einem neuen Album?
Kai Wingenfelder: Wir hatten uns 2008 getrennt, weil wir im Studio nicht mehr miteinander klar kamen. Konzerte waren kein Problem, aber beim Schreiben und Aufnehmen sowie durch einige Missverständnisse haben wir uns ständig in die Wolle bekommen. Wenn wir damals weitergemacht hätten, wären Freundschaften zerstört worden. Schließlich sind wir seit der Bandgründung eine Gang (lacht), ich kenne die Jungs länger als meine Frau. Seit der Reunion 2017 haben wir uns auch nicht mehr gestritten.
Gibt es einen ungünstigeren Zeitpunkt für ein Comeback?
Wir hatten überlegt, wie viele andere zu verschieben, aber die Platte ist fertig. Und wenn die Leute alle in ihren Buden hängen, sollen sie doch da wenigstens die Musik hören, die sie lieben. Zudem ist es ein positives Album – mit einigen kritischen Momenten zum Nachdenken zwischendurch – geworden.
Der Song „Sorry“ ist quasi eine Entschuldigung an Ihren Sohn, dass die jetzige Generation ihren Kindern einen völlig kaputten Planeten Erde hinterlässt. Wie groß sind Ihre Sorgen vor der Zukunft?
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Groß. Auch, weil wir das gerade so ein bisschen verdrängen. Bei vielen Menschen ist die Bereitschaft, etwas zu ändern, nicht da. Die Erde wird uns nicht verzeihen. Und das ist auch eine Aufgabe der Politiker für die kommenden Generationen, da zu handeln und sich dem nicht aus kommerziellen Gründen zu verschließen.
Kommt man als tourender Musiker da nicht in Gewissensbisse?
Gut, wir fliegen nicht mit zwei Jumbojets um die Welt. Und jeder, der irgendwo irgendetwas kauft, kann sich denken, dass irgendein Lkw mit Verbrennungsmotor dieses Produkt geliefert hat – das ist dann keine Schuld der Musiker, die umherfahren, um den Leuten ein wenig Spaß ins Leben zu bringen. Aber gerade an diesen Verbrennungsmotoren müssen wir etwas ändern. Ich fände es cool, wenn unser Tour-Lkw eines Tages mit Wasserstoff fahren würde. Könnten das alle machen, hätten wir wohl auch keine Probleme mehr.
Das Cover von „Now“ fällt im Plattenregal auf. Warum ein Boxer?
Das ist Kurt Haberkorn, der Schwiegervater von unserem Grafiker Dirk Rudolph. Wenn der die Familie besucht, holt der immer alte Fotoalben raus und erzählt einen Schwank aus seinem Leben. Dann sah Dirk dieses Bild – er wusste bereits, dass das Album „Now“ heißen soll – und meinte: „Jo, das ist es.“ Der Boxer auf dem Bild hat Kondition, Geduld und Disziplin. Drei Dinge, die als Musiker sehr wichtig sind. Und in dem Moment, wo alles soweit ist, musst du jemandem aufs Maul hauen. Genau das tun wir jetzt mit dem Album.
Ich wunderte mich schon, dass sich eine Band dieses Namens dann nicht Tyson Fury aufs Cover holt.
Nee, wir wollten ja keine Werbung für einen Boxer machen ...(lacht)
„Wir haben die Windschutzscheiben unserer Fans geputzt“
Sie spielten seit Pandemieausbruch ein paar Autokino-Shows, zuletzt gab es einen Stream zur Albumveröffentlichung. Wie fühlte sich das an?
Der Stream hat Spaß gemacht, es war interaktiv, ganz anders als die normalen Livestreams, die mich mittlerweile langweilen. Wir haben die Lieder gespielt, das aufgezeichnet und uns dabei gefilmt, wie wir gemeinsam mit den verantwortlichen Kollegen vom WDR das Konzert anschauen, uns dabei betrinken und Fragen beantworten. Die Auto-Konzerte haben wir nicht für uns gemacht, sondern für die Fans. Geld verdienen kannst du damit eh nicht, du hast zudem das Gefühl, vor der Tagesproduktion von Volkswagen zu stehen.
Das klingt sehr unpersönlich.
Ja, wobei wir es anders gemacht haben. Es gab acht Videowände, da konnten sich die Leute dann via Zoom reinschalten und in 500 andere Autos gucken. Dann hat man so ein Gefühl von Zusammenhalt. Beim Einlass haben wir anderthalb Stunden lang Windschutzscheiben geputzt und allen ‘Guten Tag’ gesagt, um zu sehen, wie die Leute aussehen, damit wir wenigstens ein bisschen Bindung aufbauen konnten. Das war super – weil wir gesehen haben, wie sie sich freuten. Aber nochmal will ich das nicht machen.
Hegen Sie als Künstler Frust wegen der Konzertverbote durch die Corona-Schutzmaßnahmen?
Es ist eine schwierige Situation, beschissen für uns alle. Aber wenn man diese in den Griff kriegen will, muss man irgendwo einschränken. Und wir machen etwas, wo Menschen eng zusammenkommen und Party machen. Das geht zurzeit leider nicht. Aber: Sollten zur Fußball-EM wirklich 15.000 Zuschauer in München reingelassen werden, werden wir laut. Wenn man der EM eine Chance gibt, muss man uns auch eine Chance geben. Es gibt gute Konzepte.
„Es wird Zeit für eine Gewerkschaft“
Aber die Kultur hat in Deutschland keine Lobby.
Ja. Ich verstehe, dass wir nicht spielen dürfen. Aber wie kompliziert es zum Beispiel auch Crewmitgliedern gemacht wird und wurde, an Unterstützung zu kommen und wie lange das dauerte – und bei Daimler-Benz werden Milliarden-Boni ausgezahlt, damit die weiterkommen. Kulturgut wird mit Füßen getreten. Gleichzeitig erlassen sie Gesetze, die die Verwendung von 15-sekündigen Songteilen ohne Entgelt erlauben. Das geht nicht. Das ist unsere Musik, das sind unsere Ideen. Es gibt einen Brief von rund 1500 deutschen Musikern, von Die Ärzte bis Howard Carpendale sind alle mit dabei, der liegt jetzt beim Bundesministerium und die können sich jetzt mal damit beschäftigen. Wir müssen uns wehren. Es wird auch Zeit für eine Musikergewerkschaft.
Würden Sie sich in einer solchen Gewerkschaft engagieren?
Ja, auf alle Fälle. In solchen Situationen braucht man ein Sprachrohr. Auch das mit der YouTube-Kohle, die seit einigen Jahren über die GEMA abgerechnet wird. Das wird dann als was Gutes verkauft, ist es aber nicht. Das bedeutet nämlich, dass wir das nächste Geld in drei Jahren kriegen. Die GEMA ist überhaupt nicht in der Lage, sowas logistisch zu managen. Das Geld müsste direkt an die Plattenfirmen, beziehungsweise Künstler gehen – sonst steckt sich es sich wieder jemand anderes ein.
So wie Spotify bei den Streams.
In Großbritannien mussten Verantwortliche von Spotify, Deezer und Konsorten letztens zu einer Ausschussanhörung des Parlaments, weil die Künstler kein Geld für ihre Musik bekommen. Dann hieß es, das zwei Drittel der Einnahmen ja an die Plattenfirmen gehen würden – dann wurde es interessant. Da gab es ein Gerichtsurteil, dass der Verteilungsschlüssel angepasst wird, die sind wenigstens schon so weit. Aber mit 0,001 Cent pro Stream wie hier kann ich nichts anfangen. Wir haben ja nicht mal mehr einen Musikpreis, selbst das kriegt man im viertwichtigsten Absatzmarkt für Musik weltweit nicht hin. Peinlich.
Fury In The Slaughterhouse live:
Coronakonforme Termine 2021: 12.7. Dortmund (Westfalenpark, im Rahmen der Juicy Beats ParkSessions), Einzelticket ca. 59 €, Zweierticket: 117 €. 30.+31.7. Mönchengladbach (Sparkassenpark, im Rahmen des Strandkorb Open Air), Zweierticket auf der Tribüne: ca. 114 €.
Reguläre Konzerte 2022: 11.6. Mönchengladbach (Sparkassenpark, Karten ab 49 €), 20.8. Hemer (Sauerlandpark, Karten ab ca. 56 €).