Essen. Mit „Herz über Kopf“ wurde Joris zum Star. Im Interview verrät er, warum das nicht geplant war und wie der Dreh zur Show „Sing meinen Song“ war.
Als Joris den Telefonhörer zur Hand nimmt, macht es sich der Musiker gerade mit einer Tasse Halswohl-Tee gemütlich. Keine Sorge, die Stimme des 31-Jährigen hat keine Kratzer, er trinkt ihn einfach nur gern. Mit Kirsten Gnoth sprach Joris, der mit „Herz über Kopf“ seinen ersten großen Hit landete nicht nur über seinen Lieblingstee, sondern machte auch eine Reise in seine musikalische Vergangenheit,. Außerdem verrät der Musiker, auf wen er sich bei der TV-Show „Sing meinen Song“ am meisten gefreut hat und was das neue Album so besonders macht.
Sie schreiben schon seit ihrer Schulzeit Lieder und haben lange darauf hingearbeitet, Musiker zu werden. Wie fühlt sich das nun an?
Joris: Das Lustige ist, ich habe da gar nicht so wirklich drauf hingearbeitet – das ist vielleicht auch mein Geheimrezept. Ich habe nie davon geträumt, auf großen Bühnen zu stehen. Warum, weiß ich eigentlich nicht genau. Ich komme aus der kleinen Stadt Vlotho in Ostwestfalen und ich war da irgendwie immer der Einzige, der verrückt genug war, den ganzen Tag und die ganze Nacht Musik zu machen. Ich habe die Musik immer als meinen bedingungslosen Kumpel wahrgenommen und hatte auch eine Band. Obwohl ich die Musik immer um mich herum hatte, wollte ich lieber Arzt oder Rechtsanwalt werden. Ich hatte schon immer ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und wollte Gutes tun.
Dann ist es doch anders gekommen als gedacht.
Meine Pläne sind alle schiefgegangen (lacht). Aber im Ernst, im Moment bin ich sehr glücklich darüber.
In der Schulzeit ist auch ein Liebeslied für Schauspielerin Emma Watson entstanden. Was hat es damit auf sich?
Das hätte ich niemals erzählen dürfen (lacht). Aber ja, ich habe damals in einem Kauderwelsch-Englisch einen Song für sie geschrieben. Im Text habe ich einfach nur 15 Vokabeln aneinandergereiht. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass es keine Relikte davon gibt. Auch wenn ich sehr gerne in Englisch geschrieben habe – auch mit inhaltlich wertvolleren Texten.
Also haben Sie ihr das Lied nie geschickt?
Nein, zum Glück nicht. Es gibt keine Aufnahme davon. Aber Spaß bei Seite. Ich habe großen Respekt vor Emma Watson. Sie hat eine tolle Rede für Frauenrechte vor der UN gehalten und ist sehr engagiert in vielen Bereichen. Sie nutzt ihre Stimme, das finde ich großartig.
Mal was anderes – bald erscheint Ihr drittes Album. Nach Ihren eigenen Worten ist es das beste Album, was Sie je gemacht haben. Was macht Sie da so sicher?
Ich glaube, das ist so ein Satz, den man von Musikern und Musikerinnen immer zum neuen Album hört. Aber es ist wirklich so. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben – vielleicht auch ein bisschen bedingt durch den Lockdown, der im zweieinhalbjährigen Entstehungsprozess dazu gekommen ist – alles so aufgenommen, wie es gekommen ist und kommen wollte. Ich habe die Dinge nicht zerdacht. Es gibt zum Beispiel bei „Nur die Musik“, das als Vorbote zum Album schon vorab zu hören war, so viele Dinge, die zeigen, was ich meine. Am Ende ist zum Beispiel ein „Family and Friends“-Chor zu hören. Den haben wir im Tourbus mit dem Handy aufgenommen. Ich habe meinen Jungs und Mädels die Nummer gezeigt und die ist auf so eine schöne Resonanz gestoßen, dass alle plötzlich angefangen haben mitzusingen. Und genau das haben wir aufgenommen. Früher hätte ich mich das nie getraut, weil da auch Autobahn-Geräusche mit drauf sind. Aber ich wollte einfach die Dinge, die passieren, in der Musik archivieren und das trifft auf das ganze Album zu. Mir ging es darum, Momentaufnahmen aufzufangen.
Das klingt so, als wäre das neue Album in einer entspannten Atmosphäre entstanden.
Bei der Arbeit an „Willkommen Goodbye“ sind die ersten anderthalb Jahre wirklich der Spaß und die Leichtigkeit im Fokus gewesen … Ich wollte einfach nur Musik machen. Bis zum Lockdown sollte die Platte auch „Nur die Musik“ heißen. Dann kam die ganze Corona-Zeit dazu und hat mir mal wieder gezeigt, dass das Leben eben nicht nur eines ist, sondern ganz viel auf einmal. Deshalb ist „Willkommen Goodbye“ auf den ersten Blick ein großer Kontrast. Auf den zweiten Blick ist es aber viel mehr als das. Alles im Leben ist ein Kommen und Gehen. Ich bin glücklich, dass die Lockerheit im Album ist, aber auch der Tiefgang nicht fehlt.
In „Willkommen Goodbye“ lautet eine Songzeile „Augen voller Zuversicht, auch wenn alles gerad‘ verloren scheint“ – sind Sie Optimist?
Tendenziell schon, ich bin Fan davon, die Dinge mit einem Lächeln anzugehen. Aber ich bin kein naiver Optimist. Oft genug bin ich auch Realist und weiß, dass wir es momentan mit großen Herausforderungen zu tun haben. Damit meine ich nicht nur das Corona-Virus. Wir hatten eine starke „Fridays for Future“-Bewegung, die das Thema Klimawandel auf den Plan gerufen hat. Leider ist das durch Corona in den Hintergrund getreten, dabei ist die Klimakrise so relevant wie nie. Oder es gab die unglaublich wichtige „Black Lives Matter“-Bewegung, für die ich im vergangenen Lockdown bei einem Onlinekonzert mit anderen Künstlerinnen und Künstlern Spenden gesammelt habe. Wir haben große demokratische Herausforderungen, die wir angehen müssen, aber die Hoffnung darf dabei nie verloren gehen.
Sie haben Ihr soziales Engagement schon angesprochen. Ist es wichtig, dass Künstler wie Sie sich für solche Dinge stark machen?
Gegenfrage: Ist es nicht wichtig, dass das jeder und jede von uns macht? Natürlich ist es für mich wichtig, mich zu engagieren und auch meine Plattform zu nutzen. Aber ich darf meine Plattform nicht nur nutzen, um herauszuposaunen – ich muss aufpassen, dass ich für die Dinge auch einstehen kann. Ich bekomme viele Anfragen, kann aber nicht alles machen. Zum einen, weil ich sonst unglaubwürdig wirken würde und zum anderen, weil ich mich nicht mit allen Themen ausreichend genug befassen kann, um sie auf einer großen Bühne zu vertreten.
Nochmal zurück zum Song. Im Video dazu haben Sie einen ständigen Begleiter: ein kleines Schweinchen. Wie kam es dazu?
Die Idee vom Regisseur war, dass ich eine schwere Kiste hinter mir herziehe. Die steht für die Anstrengungen und Herausforderungen, die man im Leben hat. Aber es ist auch ganz oft so, dass man viele Schultern von Freunden und Familienmitgliedern hat, an denen man sich anlehnen kann. Im Video haben wir das mit einem Filmschwein übersetzt: Paul. Paul isst wahnsinnig gerne Erdnussbutter und wenn es die gibt, macht er auch alles mit. Am Ende verblasst er dann langsam und ich weiß nicht, ob er wirklich da war oder nur imaginär. So oder so wünsche ich allen, die das hier lesen, dass sie jemanden an ihrer Seite haben, wenn sie durch schwere Stunden gehen.
Aber im April erscheint ja nicht nur Ihr Album, sondern auch die neue Staffel von „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“. Wo waren Sie, als Sie die Einladung bekommen haben?
Das erste Mal wurde ich 2016 angefragt. Damals habe ich mir die Frage gestellt, ob ich schon bereit dafür bin. Ich hatte ja erst ein Album veröffentlicht. Die Leute kannten „Herz über Kopf“ und mehr nicht. Ich hatte riesige Lust auf das Format, konnte mir aber nicht vorstellen, dass alle nun den einen Song covern. Ich habe sie dann darum gebeten, mich später noch mal zu fragen – wenn ich musikalisch schon etwas mehr dargeboten habe. Als jetzt die Anfrage kam und das auch noch bei solch einer diversen Runde, dachte ich: „Jetzt auf jeden Fall.“ Als ich gehört habe, dass es nicht in Südafrika stattfindet, war ich allerdings etwas geknickt (lacht). Ich dachte, wir sitzen am anderen Ende der Welt, im Warmen und machen Musik. Wir haben dann an der Ostsee gedreht.
Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Die Produktion hat da ein großes Zelt aufgebaut, in dem es durchgehend 23 Grad warm war. Außerdem haben sie eine wunderschöne Südafrika-Kulisse reingebaut. Als wir erstmal die Schnelltests gemacht hatten und durch alle Sicherheitskreise durch waren, durften wir abends die Masken abnehmen und uns zusammen auf die Couch setzen. Wenn dann das Licht und die Kameras angingen, hatte man alles um sich herum vergessen. Es fühlte sich an, als würde man wirklich in Südafrika sitzen.
Auf wen haben Sie sich denn besonders gefreut?
Ich habe mich wirklich sehr auf Gentleman gefreut. Im Studium habe ich als Backliner für andere Bands gejobbt, um Geld zu verdienen. Ich habe rund 15.000 Euro verdient und konnte so mein erstes Album finanzieren. Da habe ich unter anderem auch Gentleman auf der Bühne gesehen – bei einem tollen Festival in Karlsruhe. Da waren 40.000 Menschen und Gentleman hat es geschafft, dass es sich wie ein Peace-Gottesdienst anfühlte. Der ganze Stress war aus der Luft gesogen und jede Hüfte hat sich bewegt. Auch auf dem Sofa hat er eine solche Atmosphäre verbreitet. Der Umgang miteinander war immer sehr respektvoll und wir haben sehr viel gelacht.
Auf welche Coverversion waren Sie gespannt?
Ich war gespannt darauf, wie es klingt, wenn DJ Bobo einen Song von mir singt. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Er hat ihn nicht ins Englische übersetzt, sondern auf Deutsch gesungen. Allerdings darf ich nicht verraten, welcher Song es war. Mein Abend ging viel zu schnell vorbei. Es war intensiv, die eigene Musik mal auf der Bühne zu hören.
Inwiefern?
Es war skurril, die eigene Musik in so bunten Gewändern zu erleben. Trotz der vielen musikalischen Einflüsse habe ich meine DNA in den Songs wiedergefunden. Aber auch Gentleman hat sich mit seiner Version zum Beispiel den Song zu eigen gemacht. Wir stecken nicht unter irgendwelchen Masken, sondern machen Musik und sprechen darüber. Das ist gerade in der heutigen Zeit, in der die Menschen keine Konzerte sehen können, enorm wichtig.
Sie als „nicht naiver Optimist“ – wann starten die Konzerte wieder?
Ich denke, dass wir im Sommer wieder tolle und besondere Open-Air-Konzerte sehen werden. Mit räumlich getrenntem Publikum und nicht mit 40.000 Menschen. Und ich glaube, dass diese Konzerte in einer Pandemie – in der wir so viel alleine sind – immer in Erinnerung bleiben werden. Ich würde diese Konzertformate nicht mit Festivals vor Corona vergleichen, aber ich habe diese Abende bei „Sing meinen Song“, an denen man Musik gemeinsam erlebt hat, als sehr wohltuend empfunden. Denn genau so sollte man Musik erleben: gemeinsam.
Sing meinen Song – Das Tauschkonzert: ab 20.4., immer dienstags 20.15 Uhr auf VOX. Der Abend mit den Songs von Joris ist am 27.4.
Album „Willkommen Goodbye“: Veröffentlichung am 23.4.