Dortmund. Tassen, Schüsseln & Co. selber herstellen, liegt voll im Trend. Louisa Heerde töpfert seit gut zwei Jahren. Ihr Fabrikat kann sich sehen lassen.
Wer ans Töpfern denkt, dem kommt unwillkürlich die berühmte Szene aus dem Hollywood-Blockbuster „Ghost – Nachricht an Sam“ in den Sinn. Patrick Swayze und Demi Moore matschen lasziv an einem Klumpen Ton herum, während im Hintergrund „Unchained Melody“ läuft. Sitzt man selber an so einer Töpferscheibe, sieht die Sache allerdings ganz anders aus.
Romantik hin oder her – ein zweites Paar Hände, das sich um einen Tonhaufen bemüht, und derartige Ablenkung sind vor allem eines: störend. Denn zum Töpfern benötigt man vor allem Konzentration. Dabei sieht es so einfach aus. Wie durch Zauberhand zieht sich der Klotz hoch zu einem Gefäß.
Zeit, Geld, Material und Platz
Die Zauberhände gehören Louisa Heerde. Sie töpfert insgesamt gut zwei Jahre, angefangen hat sie 2016. „Das ist kein Hobby, das man mal eben so anfängt“, mahnt die Dortmunderin. Man brauche Zeit, Geld, Material und Platz. Und Spaß an der Sache. Den hat die Studentin der Medienwissenschaft, die auch als freie Journalistin arbeitet, allerdings. Enthusiastisch erzählt sie von ihrer Leidenschaft: „Ton ist nasser Schlamm. Du startest also mit Dreck und hast nachher eine Tasse. Wie cool ist das denn?“
Ziemlich. Die 27-Jährige hat sich in der Werkstatt ihres Vaters einquartiert. Ein geräumiger Schuppen auf einem Dortmunder Hinterhof. In wandhohen Holzregalen stehen Louisas Erzeugnisse: Bräunlich-rote Tassen, helle Schüsseln, kleine Pöttchen und sogar Zahnputzbecher, einiges hat sie bereits verkauft.
Gebrauchsgeschirr muss zweimal in den Ofen
Das meiste ist unfertig, wartet auf den finalen Brand. Den Brennofen, der 110 Liter fasst, einfach mal zwischendurch anschmeißen, ist nicht. Ein Vorgang strapaziert den Stromzähler deutlich. Deshalb sammelt die junge Frau erst einmal, bevor das Fabrikat in den Ofen kommt. Zweimal, zum Schrüh- und Glasurbrand, damit es wasserundurchlässig wird.
Das alles dauert Tage. Aber erstmal ist das Töpfern an der Reihe. Heerde schneidet mit einem langen Draht ein gutes Stück aus dem groben Tonklotz. Die Hobby-Töpferin hat sich für funktionale Keramik entschieden, Gebrauchsgeschirr wie Tassen. Einfache Formen und natürliche Glasuren sind ihr Ding.
Ordentlich Kneten, damit die Luft entweicht
Bevor das gute halbe Kilo auf der Töpferscheibe landet, macht sich die junge Frau ans Kneten. Dadurch sollen Luftbläschen im Ton entweichen. „Wenn nachher noch Luft in der Masse ist und es dann in den Ofen kommt, explodiert es.“
Deshalb bearbeitet Heerde den Klumpen mit einiger Kraftanstrengung. Mit beiden Händen umschließt sie den Brocken rechts und links und drückt ihn nach hinten durch. „Sodass sich eine Art Elefantenrüssel formt.“ Hat sie eine Luftblase erwischt, knackt es.
Selber treten war gestern, jetzt geht’s elektrisch
Mit ein paar weiteren Handschlägen wird aus dem Rüssel eine Kugel. Die platziert Heerde auf die Mitte der Töpferscheibe und setzt sich davor. Mit dem Fuß kurbelt sie die elektronische Scheibe an. Selber treten war gestern. Immer wieder greift sie in die schwarze Plastikschüssel mit Wasser und träufelt es über die Masse, um sie feucht zu halten.
Nur so klappt’s mit dem Formen. Unter ihren Händen schmatzt der beige Ton. Mit den Innenflächen drückt sie von oben und der Seite gleichmäßig auf den Klumpen. Die Arme ruhen gut gesichert auf den Oberschenkeln. Der Druck auf den Ton erfordert Kraft und Stabilität.
Wasser, um den Ton feucht und formbar zu halten
„Im Prinzip versuche ich mit meinen Händen die Kräfte beim Drehen so zu beeinflussen, dass der Ton keine Chance hat, sich anders zu bewegen als ich das möchte.“ Nach und nach entsteht eine Halbkugel. „Jetzt, wo es eben ist, breche ich es auf“, erklärt Heerde und drückt zwei Finger von oben in die Kugelmitte. „Ich muss immer wieder Wasser nachgeben, weil ich dabei viel neuen Ton berühre.“
Was sie so an der Töpferei fasziniert, weiß die 27-Jährige auch nicht so genau: „Vielleicht ist es die romantisierte Ansicht einer Geisteswissenschaftlerin, die es cool findet, auch mal was mit den Händen zu machen.“ Heerde lacht. „Ich mag den Mix aus Funktionalität und Ästhetik.“
Abgelöst von Jutebeutel-Trägern
Eine Freundin hatte sie aufs Töpfern aufmerksam gemacht. „Ich dachte mir, das sieht spaßig aus.“ Kurzfristig konnte sie einen Kurs in der nahe gelegenen Volkshochschule ergattern. „Ich musste danach dann jobbedingt aufhören. Und bin später nicht mehr reingekommen.“ Erst habe sie den Altersdurchschnitt drastisch gesenkt. „Jetzt beschwert sich mein Töpfermeister, dass nur noch junge Leute mit Jutebeutel seine Kurse besuchen.“ Töpfern ist wieder hip.
Mit ihrem Kurs-Wissen hat die Journalistin einfach selbstständig weitergemacht. Und sitzt nun so oft es eben geht an ihrer Töpferscheibe. Sie hält kurz inne, um die Dicke ihrer unfertigen Tasse zu prüfen.
Mit beiden Händen die Wände hochziehen
Zwischen Tassenboden und Scheibe ist noch genug Ton – jetzt können die Wände hochgezogen werden. „Von innen sichere ich mit den Fingern die Wand, von außen drücke ich den Ton leicht schief nach oben.“ Dazu benutzt sie einen kleinen Schwamm, den sie immer wieder in der Wasserschale tränkt. „So wird’s gleichmäßiger.“
Lange musste die Autodidaktin für ihre allererste Tasse nicht herumexperimentieren: „Nach der ersten Stunde. Sie war nicht besonders schön, aber für einen selbst ja schon irgendwie.“ Für Anfänger hat Louisa Heerde zwei essenzielle Tipps: Einen Workshop besuchen, das helfe schon ungemein, und keine Angst haben, sich dreckig zu machen.
Schönheit kommt von innen
Ihre Hände und Arme sind bis zu den Ellenbogen mit hellbraunem Matsch bedeckt. Shirt und Hose haben auch etwas abbekommen, die graue Schürze zieren schon so einige Töpfer-Sessions.
„Für mich ist es wichtig, dass es von innen gut aussieht. Von außen wird noch einiges abgedreht.“ Stützmasse nennt sich das, damit das Gerüst im nassen Zustand nicht in sich zusammenfällt. Wenn der Ton lederhart ist, schabt die Hobby-Töpferin diese überschüssige Masse mit einer Metallöse (kl. Bild unten) ab, formt dann zum Beispiel auch einen Tassenfuß. Für den Henkel bearbeitet sie extra Ton mit dem Nudelholz.
Viel passiert heute nicht mehr, das Material muss antrocknen. Das fertige Produkt verschenkt sie an Freunde und Familie oder verkauft es auf einer Internetseite für Handgemachtes. Aktuell arbeitet Heerde an einer Seifenschale. In Zeiten von Corona gar keine schlechte Anschaffung.
Mehr über sich und ihre Produkte verrät die Hobby-Töpferin auf www.instagram.com/keramik_heerde.
>>> Info:
„Töpfern ist kein Hobby, das man eben mal so anfängt“, sagt Louisa Heerde. Trotzdem hat sie einige Tipps, wie es mit dem Start in die aufwendige Freizeitgestaltung doch noch klappt: Die nächstgelegene VHS zu besuchen, ist aktuell nicht möglich. „Aber es gibt wahnsinnig viele tolle Youtube-Videos zum Thema Töpfern“, weiß Heerde.
Auch zum Thema Töpfern ohne Scheibe gibt’s einiges zu entdecken, Stichwort Daumendrucktechnik. Außerdem verweist sie auf Onlinekurse, die momentan vermehrt angeboten werden, wie z.B. auf der Internetseite www.leelahloves.de. Praktisch: Für den Kurs von Bloggerin Katharina benötigt man keine Töpferscheibe! Allerdings sollte man vorab klären, wo die fertigen Teile gebrannt werden können.
Eine weitere vermeintliche Hürde: der Brennofen. Es gibt Brennservices in vielen Städten. Die luftgetrockneten Erzeugnisse aus Ton werden hingebracht und im Brennofen mit der gewünschten Temperatur gebrannt. Dabei entscheidet sich, ob der Schrühbrand (960°C) oder der Glasurbrand (1060°C) erfolgen soll. Die Preise richten sich häufig nach dem Gewicht des Fabrikats.
Apropos Mieten: Töpferscheiben muss man auch nicht unbedingt sein Eigen nennen, man kann sie sich ausborgen. Auch dafür lohnt sich ein Blick ins Internet unter dem Stichwort „Töpferscheibenverleih“.