Essen. Seit 48 Jahren trommelt Teddy Ibing bei Truck Stop – dabei ist er eigentlich nur aushilfsweise in der Band.

Mit Country-Songs auf Deutsch brachten Truck Stop in den 70ern und 80ern den „wilden, wilden Westen“ in die Hitparade. Angefangen hatten sie bereits 1973 mit englischen Texten. Auch als mit Burkhardt „Lucius“ Reichling und Günter „Cisco“ Berndt 2012 bzw. 2014 die beiden Frontmänner verstarben, blieben die Cowboys von der Waterkant im Sattel – am 2.4. erscheint das 44. Album „Liebe, Lust & Laster“. Stefan Moutty sprach zuvor mit Drummer Teddy Ibing (72), der als einziger von der ersten Probe bis heute mit dabei war.

Herr Ibing, Sie sind 1970 nach Hamburg gezogen – eigentlich um Zahnarzt zu werden, oder?

Teddy Ibing: Das ist richtig, ich hab‘ spät mein Abi gemacht, bin zwei Mal sitzen geblieben. Das Abi habe ich auch nur der Musik zu verdanken. Ich hab damals Schützenfest-Musik gemacht. Und da ich sah, wer nachts um drei mit welcher Frau durch den Saal geschossen ist, war ich Geheimnisträger bei den Lehrern. Ich musste in der Abi-Prüfung dann gar nichts sagen … (lacht)

Aufgewachsen an der Grenze zur DDR

Geboren sind Sie in Niedersachsen, in Bergen an der Dumme.

Ja, direkt an der Zonengrenze, da gab’s gar nichts. Ich weiß noch, als angefangen wurde, die Grenze zu verminen. Die Minen sahen aus wie umgekehrte Bierflaschen, die in der Erde steckten. Da haben wir mit einem Kleinkalibergewehr drauf geschossen und die Dinger zur Explosion gebracht.

Dann war die Wende für Sie ein ganz besonderes Erlebnis?

Ja, und als die Grenze geöffnet wurde, haben wir gerade in Berlin gespielt. Während des Konzertes verließen immer mehr Leute in Gruppen den Saal. Wir dachten, „Sind wir heute so schlecht oder was ist hier los?“. Bis wir einen Zettel kriegten, auf dem stand: „Das Brandenburger Tor ist auf“. Na, dann haben wir alles abgebrochen und nichts wie hin.

1988 sind Sie noch in der DDR aufgetreten. Wie war das?

Das Lied „Der wilde, wilde Westen“ durften wir nicht spielen – weil zu viele Westbegriffe vorkamen. Haben wir aber trotzdem gemacht, die Leute wollten das. Es war eine komische Atmosphäre, wir wurden auch von einem Stasi-Mann begleitet. Ich kann mich an eine Situation in Weimar erinnern, als Lucius sagte, „So Leute, jetzt spielen wir eine Countryschnulze – holt mal eure Feuerzeuge raus!“ Danach war Totenstille, bis eine Stimme sagte: „Erst mal eins haben …“

In der Jugend Jazz statt Beat

Ihre erste Band in der Jugend hieß „King Bees“. Das klingt nach einer typischen Beat-Band.

Ja, war aber keine. (lacht) Wir haben gejazzt, Dixieland und Swing.

Dann war auch nicht Ringo Starr Ihr Vorbild …?

Nein, Gene Krupa.

Wie kam’s schließlich zur Gründung von Truck Stop?

Ich hab als Student in einer WG in einer alten Villa in Hamburg gewohnt. Wir jazzten unten und oben lief immer Cowboy-Musik. Irgendwann sah ich einen Typen mit Cowboyhut im Treppenhaus, das war Lucius. Er und Cisco wollten eine Band gründen und fragten, ob ich Lust hätte in einer Country & Western-Band zu spielen. Ich kannte das gar nicht, und er meinte, „Du kennst doch Johnny Cash?!“ Ich sagte, „Wer? Ich kenn’ John Coltrane …“ Ich machte dann mit, aber das war für einen Jazz-Trommler ziemlich langweilig, deshalb bin ich wieder ausgestiegen. Lucius fragte: „Kannst du nicht so lange mitspielen, bis wir jemand anderen gefunden haben?“ Es gab damals schon einen Hunderter am Abend, also sagte ich ok – danach haben wir nie wieder darüber gesprochen. Ich bin also seit 48 Jahren Aushilfstrommler. (lacht)

1974 sind Sie gleich mit Fats Domino auf Tour gegangen ...

Als er eine Europa-Tour machte, haben sie uns als Vorprogramm mitgeschickt. Da ging’s durch Hallen wie das Olympia in Paris und die Londoner Royal Albert Hall. Ich dachte, „Donnerwetter, Zahnarzt in Lüchow-Danneberg ist das eine, aber die Welt ist doch ganz schön groß.“ Da reifte der Entschluss, das Zahnmedizin-Studium zu schmeißen.

In der Pause jammen mit Fats Domino

Sind Sie Fats Domino ein bisschen näher gekommen?

Der war total easy. Seine Musiker haben uns immer angepumpt. Da haben wir ihn mal gefragt: „Hey, deine Jungs fragen uns immer nach Kohle, kriegen die von dir nichts?“ Da meinte er, „Die kriegen ihr Geld erst zum Schluss. Wenn ich denen jetzt was gebe, sind die zwei, drei Tage weg – rumhuren und saufen.“ In Berlin hatten wir ein Doppelkonzert. In der Pause haben wir ein bisschen rumgejazzt, da kam Fats dazu und hat eine Stunde mit uns gejammt. Hat Spaß gemacht!

Wie haben Sie als Jazzer denn letztlich die Liebe zur Country-Musik gefunden?

Ende der 70er hatte Freddy Quinn eine Country-Fernsehsendung, in die er auch die Amis eingeladen hat. Auch die alte Band von Hank Williams. Das waren Opas, aber so cool. Ich stand in den Kulissen und hab mir den Trommler angeguckt. Der hat mit einem breiten Grinsen einfach nur gegroovt. Da hat es bei mir Klick gemacht – ach, so geht Country, da ist ja geil!

Wie kam’s dazu, dass Sie mit Truck Stop schließlich auf deutsche Texte umgestiegen sind?

Truck Stop im Jahr 1979. In Jesuspose: Drummer Teddy Ibing.
Truck Stop im Jahr 1979. In Jesuspose: Drummer Teddy Ibing. © Truck Stop | Truck Stop

Da war die Band zweigeteilt, da gab’s richtig Knatsch. Wir hatten vier englische Platten gemacht, wurden immer besser, aber die Verkäufe immer schlechter. Wir sagten, „Wir machen jetzt noch einen Versuch, Country auf Deutsch – und wenn das nicht funktioniert, lösen wir uns auf.“ Auf der ersten Platte war gleich „Ich möcht‘ so gern Dave Dudley hören“, und dann ging das richtig durch die Decke.

Mit Dave Dudley vor dem Fernseher

Mit Dave Dudley haben Sie später oft zusammengespielt. Können Sie sich an Ihre erste Begegnung mit ihm erinnern?

Ja, da hab ich ihn vom Flughafen abgeholt und er hat bei mir zuhause gepennt. Wir hatten damals eine Tour mit ihm gemacht, weil unser Titel so gut lief. Ich weiß noch, wie wir in der ersten Nacht bei uns in Maschen Fernsehen geguckt haben – es lief „Dinner for One“ und er hat sich totgelacht.

Welche Stars haben Sie noch kennengelernt?

Willie Nelson zum Beispiel, der hat uns sogar auf sein Zimmer eingeladen. Er war in Frankfurt und meinte, wenn er in Deutschland ist, will er auch eine Zapfanlage auf seinem Zimmer haben. Da haben Sie ihm eine Zapfanlage mit Pils aufs Zimmer gebracht – und er hat gezapft, das Bier verteilt und fand das riesig.

Vor einigen Jahren sind mit Cisco Berndt und Lucius Reichling dann zwei Ihrer Weggefährten verstorben. Eine schwere Zeit?

Ja, das hat richtig reingehauen. Das mit Lucius kam völlig unerwartet, er ging ins Krankenhaus und ist dann überraschend verstorben, das war 2012. Cisco ist 2013 aus gesundheitlichen Gründen ausgestiegen – und das waren ja beide unsere Galionsfiguren. Die Leute dachten, wir hören auf, und wir haben auch gehadert. Aber wir haben gesagt, „Lass es uns versuchen, das ist unser Leben.“ Mit Andreas Cisek als Sänger haben wir weitergemacht, und die Leute haben das angenommen. Wir sind jetzt richtig verjüngt – mit Chris an der Gitarre und Tim an der Geige – da geht die Post ab. Und ich bin jetzt der Silberrücken und muss mich anstrengen.

Liebe, Lust & Laster – das neue Album live im Stream

Ihr neues Album „Liebe, Lust & Laster“ (erscheint am 2.4.) stellen Truck Stop am Donnerstag (1.4., 20 Uhr) in einem Livestream-Konzert vor. Karten ab 18,50 € und weitere Infos gibt’s online auf www.truck-stop.de.