Voerde. Arrangements aus Trockenblumen waren lange als Staubfänger verschrien. Vanessa Lehmkuhl zeigt in Workshops, dass die Zierpflanzen zu mehr taugen.
Noch sieht der schwarze Metallring auf dem großen grauen Tisch ziemlich trostlos aus. Buschiges Pampasgras, dunkelgrüner Eukalyptus und samtweicher Lagurus sollen es richten. Ein paar stachelige Disteln hier, ein paar goldene Ähren dort und schneeweißer Ruscus hat auch noch nie geschadet. Vanessa Lehmkuhl nickt anerkennend. Das könnte zusammenpassen.
Aber eigentlich ist beim Arrangieren von Trockenblumen alles erlaubt, was schön aussieht, erklärt die 34-Jährige. „Man sagt ja: In der Natur passt alles zusammen.“ Und das stimmt.
Trockenblumen liegen im Trend
Was erst aussieht wie ein Haufen vertrockneter Gräser, ist – nun ja, tatsächlich vertrocknet – allerdings, hübsch hergerichtet zum sogenannten Flower Hoop, eine echte Augenweide – und hoch modern. Was die Generation X nur zum verzweifelten Kopfschütteln animiert, weil sowas höchstens die Spießer-Eltern im Regal stehen hatte, findet sich mittlerweile in jedem gutsortierten Influencer-Haushalt.
Die einstigen als Staubfänger verschrienen Deko-Elemente erleben aktuell eine Renaissance, vor allem kunstvoll drapiert an großen und kleinen Metallringen, hängend an Wänden, Tür- und Fensterrahmen. Vanessa Lehmkuhl hat den Hype um Amaranthus, Chrysanthemen, Broom & Co. vor gut zwei Jahren für sich entdeckt.
Flower Hoops: Blumenreife
„Da waren allerdings eher noch Seidenblumen gefragt, die mit ihrer zeitlosen Schönheit weiterhin vorkommen in meiner Arbeit, vor allem im Kranz als Kopfschmuck. Aber seit letztem Jahr erleben vorrangig die Trockenblumen ihren zweiten Frühling“, erzählt die Mutter von drei Kindern und verweist auf die sogenannten Flower Crowns, die in einer Ecke hängen. Der Blumenreif dominiert mittlerweile das Interieur.
Gerade in der Elternzeit angekommen, wollte die frischgebackene Mama sich kreativ austoben. „Ich wollte irgendwas machen, ich kann nicht nichts tun.“ Und weil im frischbezogenen Haus in Voerde ein kleines Atelier zur Verfügung stand, entschied sich Vanessa Lehmkuhl den leeren Raum mit den unterschiedlichsten Naturmaterialien zu füllen und als Madame Fleur Workshops anzubieten.
Zeitvertreib für Junggesellinnenabschiede
Wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht, basteln vornehmlich Junggesellinnenabschiede und Babyparty-Gäste an Crowns und Hoops.
Auf einer Küchenzeile machen sich Pampasgras, Mohnkapseln, Strohblumen und Schleierkraut breit. Knallige Farben sucht man allerdings vergeblich. „Das ist aber auch nicht so gewollt, es geht vielmehr um Naturtöne. Die meisten mögen rosa.“ Zartes Lila, dunkles Grün und verblichenes Gelb zieren die üppig befüllten Vasen. Harmonie pur.
Kommt oft zum Einsatz: Haarspray
Da fällt die Auswahl schwer. „Erst einmal sollte man sich überlegen: Was möchte ich haben, welche Materialien möchte ich mixen“, erklärt die Blumenkünstlerin und greift zum Pampasgras. Das imposante Ziergras eignet sich gut als Beiwerk.
Dafür wird die buschige Blüte auseinandergerupft. „Achtung, das kann sehr stauben.“ Ein Tipp von der Expertin: „Die Staude ausschütteln, mit Haarspray einsprühen, noch mal schütteln.“
Vor dem Festzurren zurechtlegen
Zu den Süßgräsern gesellt sich Eukalyptus. Bevor alles festgezurrt wird, sollten die verschiedenen Komponenten am Rahmen zurechtgelegt werden, rät Lehmkuhl. „So ein Hoop ist maximal zu 2/3 gefüllt, das ist aber Geschmackssache. Ich würde jetzt den Eukalyptus hochranken lassen.“ Passt.
„Wichtig ist dabei, dass sich die verschiedenen Materialien ausgewogen wiederholen“, erklärt sie weiter. „Beiwerk wie Pampasgras oder Blätter sollten hinter den Trockenblumen eingebunden werden, so dass der Fokus auf den Blumen liegt.“
Vorsicht mit der trocknen Blütenpracht
Mit der groben Gartenschere geht’s ans feine Geäst von Lagurus und Ruscus. „Einfach schnibbeln, Trockenblumen werden ja nicht schlecht. Aber darauf achten, 4-5 cm Stängel dranzulassen, damit man etwas zum Festbinden hat.“
Schön hingelegt, sieht das Arrangement recht ansprechend aus. „Beim Binden ändert sich noch einmal alles“, mahnt die Fachfrau. Vorsichtig wird die trockene Blütenpracht zur Seite geschoben. All das soll jetzt mit einem goldenen Myrtendraht an die richtige Stelle gebunden werden.
Fingerspitzengefühl für Fummelarbeit
Mit spitzem Finger wird der feine Draht ein paar Mal stramm an der Stelle um den Ring gewickelt, an der man beginnen möchte. Dabei den Anfang des Drahts etwas abstehen lassen, um einen Knoten zu machen, bevor die Wickelaktion dann ihren Lauf nimmt.
Jetzt beginnt die Fummelarbeit. Den Draht fest ums Pampasgras wickeln, aber so, dass er zwischen dem Gras versteckt liegt. Eine kleine Herausforderung. Die Fachfrau nickt mitfühlend. „Da ist schon Fingerspitzengefühl gefragt.“ Gleiches gilt für den Eukalyptus, langsam baut sich das Konstrukt auf.
Gras – Eukalyptus – Ruscus – Weizen
Angefangen mit zwei Materialien kommen nun die übrigen als kleine Sträußchen nach und nach hinzu. Gras – Eukalyptus. Gras – Eukalyptus – Ruscus. Gras – Eukalyptus – Ruscus – Weizen. Vielleicht noch ein Palmenspeer für zwischendurch? Oder ein Lotuskolben als Eyecatcher? Erst einmal nicht.
Vanessa Lehmkuhls Auswahl ist riesig, muss sie auch sein. Bei Workshops wollen mindestens sechs Leute mit Material versorgt werden. Sie selbst bezieht Gräser, Blätter & Co. vom Großhändler. „Mittlerweile bieten aber viele Floristen, Gartencenter und Deko-Läden Trockenblumen im Einzelverkauf an.“
Zusammen binden
Häufig allerdings nur als Strauß, zu viel für einen Ring. Wer den Trend zuhause nachmachen möchte, sollte also am besten eine Freundin einspannen – „oder meinen Workshop besuchen“, rät die Expertin augenzwinkernd.
Mittlerweile hat sich der Ring gut gefüllt, die Hälfte ist bedeckt. Noch einmal wird der Draht, versteckt hinter dem letzten Rest Pampasgras, um den Ring gewickelt und festgezwirbelt. Mist, ein paar kahle Stellen bieten freie Sicht auf den doch eigentlich unauffälligen Golddraht.
Erneuter Griff zum Haarspray
Vanessa Lehmkuhl schmeißt die Heißklebepistole an. Als Lückenbüßer halten weiße Disteln her. Fertig ist der Flower Hoop, bereit am Küchenfenster zu hängen.
Oder doch nicht? Trockenblumen sind zwar weniger anspruchsvoll als ihr frisches Pendant, benötigen aber auch spezielle Pflege: Trocken lagern und vor Feuchtigkeit schützen. Reifen & Co. am besten mit Haarspray aus ca. 50 cm Entfernung besprühen, um Farbe und Form lange beizubehalten.
Säubern mit Pinsel und Föhn
Und damit die Trend-Deko nicht wieder zum Staubfänger verkommt: Die Deko gelegentlich säubern – mit Vorsicht und einem feinen Pinsel oder dem Föhn, auf kühler Stufe aus sicherer Entfernung. „Mit der richtigen Pflege halten die Flower Hoops ewig“, resümiert Lehmkuhl.
Das ist ihr wichtig. Denn jedes einzelne Arrangement ist ein Unikat und mit Liebe gefertigt. „Man kann sich einfach kreativ daran ausleben, jeder Kranz spiegelt die eigene Persönlichkeit wider“, schwärmt sie von der blumigen Handarbeit, die sie niemals als ihren Job, sondern vielmehr als Passion betiteln würde.
Studiert hat Vanessa Lehmkuhl übrigens BWL und Marketing, dabei geblieben ist sie allerdings nicht. „War mir zu trocken.“ Dann lieber was mit Blumen.
>>> Info: Vanessa Lehmkuhl alias Madame Fleur verkauft auch ihre Werke. Infos zum Shop und den Workshops unter 02855/3075624 oder auf www.madamefleur.de.