Essen. Miriam Davoudvandi spricht im Podcast „Danke, gut“ mit Persönlichkeiten aus der Popkultur über Mentale Gesundheit. Wir baten sie zum Gespräch.

„Danke, gut.“ So antworten viele Menschen auf die Frage „Wie geht es dir?“. Nicht selten steckt dahinter eine Notlüge. Denn an die Auseinandersetzung mit der Psyche trauen sich in der Öffentlichkeit nur Wenige. Miriam Davoudvandi, selbst seit Jahren im Kampf mit Depressionen, tritt an, das zu ändern – und spricht in ihrem Podcast „Danke, gut.“ seit August mit Prominenten über Gefühle und Erfahrungen. Bereits zu Gast waren unter anderem Annenmaykantereit-Sänger Henning May, Politikerin Sarah Wagenknecht und Comedian Ines Anioli. Patrick Friedland sprach mit der 27-jährigen Musikjournalistin und Hobby-DJ über den Podcast und ihre große Leidenschaft: Rap.

Wie kam der Podcast zustande? Das Thema ist ja in der Medienwelt eher unterrepräsentiert ...

Miriam Davoudvandi: Es war gar nicht so einfach, den irgendwo unterzubekommen, das war ein jahrelanger Prozess. Die Idee hatte ich schon vor fünf Jahren im Kopf herumschwirren und versuchte immer wieder, Menschen davon zu begeistern. Aber die Hemmschwelle bei solch schwierigen Themen ist oft immer noch hoch. Viele hatten Angst, dass das Thema vielleicht zu sensibel ist. Ich bin nunmal selbst betroffen und mir hatte eine solche Sendung lange gefehlt. Irgendwann dachte ich; „Mach es halt selbst!“

Könnte man glaubwürdig einen Podcast zu dem Thema moderieren, wenn man nicht selbst an Depressionen leidet?

Es kommt auf die Perspektive an. Man könnte das Thema zum Beispiel sehr wissenschaftlich aufbereiten, mit Therapie-Fachkräften, die selbst gar nicht betroffen sind. Mir geht es dagegen um persönliche Geschichten. Und „Danke, gut.“ ist ausdrücklich auch nicht nur für Betroffene, die Folgen sollen jede Person mitnehmen, die interessiert ist. Ich denke aber, dass mir meine Erfahrungen insofern helfen, als das ich keine umempathischen und unangenehmen Fragen stelle.

„Es muss nicht immer superdramatisch sein“

Wie suchen Sie Ihre Podcast-Gäste aus? Oder suchen die sich mittlerweile Sie aus, weil sie in den Podcast wollen?

Mittlerweile melden sich tatsächlich viele von selbst. Weil sie immer schon mal darüber reden wollten, aber das Format dafür nicht existierte. Aber seit die Idee in meinem Kopf war, hatte ich eine ellenlange Liste mit Wunschgästen angelegt. Immer, wenn Prominente das Thema anrissen, notierte ich mir das. Es gibt viele, die das tun, aber ständig an einer bestimmten Stelle abgewürgt werden. Bisher war es mir wichtig, dass wir verschiedene Geschichten unterbekommen. Es muss nicht immer superdramatisch sein, auch eine „leichte“ Depression kann es absolut wert sein, in dem Format besprochen zu werden.

Welche Themen fehlen Ihnen denn noch?

Ganz wichtig ist Sport. Es ist aber auch ein schwieriger Bereich, weil da kaum offen drüber gesprochen wird. Und es ist für mich zudem schwer, solche Leute zu fragen, wenn sie ihre Probleme nicht schon öffentlich besprochen haben. Wobei es mehr werden. Christoph Daum, Babak Rafati, letztens André Schürrle ...mal sehen, wer letztlich in dieser Folge sein wird.

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Haben Sie einen Traumgast?

Ja, Angela Merkel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die letzten Jahre unbeschadet überstanden hat. Ich hoffe, sie hat ab nächstes Jahr etwas Zeit … (lacht)

Wäre es denkbar, „Danke, gut“ mal vor Live-Publikum aufzunehmen?

Ich dachte darüber nach, wie das aussehen könnte. Der Podcast lebt aber vor allem von der persönlichen Atmosphäre und ich weiß nicht, ob die Gäste das vor Publikum möchten. Oft tun sich Menschen ja bereits schwer, im engsten Freundes- oder Familienkreis über ihre Probleme zu reden. Für ein Live-Event im Oktober nächsten Jahres habe ich aber schon zugesagt – bis dahin muss ich mir also was überlegen.

Wollten Sie nie Psychologie studieren?

Mein Notenschnitt reichte damals nicht aus, aber das steht noch im Raum, eine Grundausbildung wird wohl irgendwann in der Zukunft passieren, vielleicht sogar etwas Berufliches. Aktuell bin ich aber zufrieden, so wie es läuft.

„Um die Psyche wird sich in Firmen nicht so oft gekümmert“

Wie verändert die Pandemie das Thema Depressionen?

Wir bemerken jetzt gerade, dass wir völlig unvorbereitet sind, um uns inmitten einer Pandemie vernünftig mit dem Thema zu befassen. Ich hoffe, dass mehr Leute dafür sensibilisiert werden. Auch wenn keine Pandemie ist, ist es ja meist so, dass mehr Wert auf die physische Gesundheit gelegt wird. Man stellt sich ergonomische Stühle ins Büro und macht Firmen-Yoga, aber um die Psyche wird sich nicht so oft gekümmert. Ich persönlich merke, dass es jetzt nochmal andere Perspektiven gibt, mit denen ich mich auseinandersetzen muss, obwohl ich mich schon Jahre damit beschäftige. Spannend ist momentan, wie sich Corona langfristig auf die psychische Gesundheit auswirkt, da laufen ja schon Studien.

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Wie sehr fehlt Ihnen das DJing?

Es ist schon schade, es ist mein größtes Hobby. Zuhause für mich selbst auflegen macht keinen Spaß. Aber ich will mich nicht darüber beschweren, dass das momentan nicht geht. Wenn wir über Veranstaltungen sprechen, tut es mir vor allem leid für diejenigen, die an Bühnentechnik und Ähnlichem arbeiten, für die Clubs, die schließen müssen. Das kulturelle Leben wird sich nach Corona völlig verändern. Da stirbt gerade ganz viel weg, das macht mir wirklich Sorgen.

Was fasziniert Sie als Frau am Rap, in dem es ja auch hier und da sexistische Texte gibt?

Die Welt ist nicht einfach für eine junge Frau mit Mitte 20, gerade wenn es um Dinge wie Sexismus geht. Da macht der Hip-Hop-Bereich gar keinen großen Unterschied. Ich werde am Arbeitsplatz genauso oft blöd angemacht wie auf der Straße. Die Hip-Hop-Szene hat für mich was Familiäres. Ich bin damit aufgewachsen, es nervt oft, man streitet sich oft mit Leuten, aber am Ende habe ich doch viel Identifikationspotenzial damit.

Weil ...?

Ich als migrantische Person habe mich oft in den Themen wiedergefunden, die in der Musik angesprochen wurden. Das war in der Mainstream-Musik eher nicht der Fall. Ich mag auch die Wut, die im Rap oft drinsteckt, die kann man sonst – gerade auch als Frau – eher schwer rauslassen. Die Widersprüche, die es gibt – nicht nur im Hip-Hop, sondern überall auf der Welt – versuche ich auszuhalten und meinen Teil dazu beizutragen, um Rap ein bisschen besser zu machen.

„Bei menschenfeindlichen Texten berichte ich nicht“

Gibt es Interviews und Treffen, wo Sie sich schon vorher Sorgen machen, weil bestimmte Rap-Acts einen gewissen Ruf haben?

Es gibt natürlich einige Künstlerinnen und Künstler, die nicht mit meinen Einstellungen konform gehen. Und es gibt Grenzen, bei komplett menschenfeindlichen Texten berichte ich einfach nicht darüber. Gerade bei jungen Acts hat man aber Handlungsspielraum und die Chance, was im Kopf zu bewirken, die sind meist offen für Input. Solche Gespräche finden oft hinter der Kamera, nicht öffentlich statt. Wenn sich dann immer noch nichts ändert, verzichtet man halt auf weitere Berichte. Aber klar: Man muss da abgehärtet sein.

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Fühlten Sie sich jemals nicht ernstgenommen?

Ja. Gerade in meiner Zeit als Chefredakteurin (des „Splash Mag!“, Anm. d. Red.) passierte es manchmal, dass da irgendeiner fragte, wo denn „der Chef“ sei. Da folgte dann oft ein doofer Blick. Im Musikjournalismus ist es Berufsalltag, dass man auch im Internet beleidigt wird oder wer vor der Redaktionstür steht. Aber bisher habe ich es doch recht gut ausgehalten in der bösen, bösen Rap-Welt. Oft stellen sich die mit den schlimmsten Texten als echt nett und umgänglich raus.

Warum hat Rap so einen schlechten Ruf in Deutschland?

Ich finde, das Potenzial von Rap wird oft unterschätzt und die Vorurteile treffen oft nicht zu. Zum Beispiel eben beim Thema Mentale Gesundheit. Im Rap wird seit den 90ern oft über solche Themen gesprochen, in anderen Genres und Lebensbereichen nicht. Dieses ganze ‘Da geht’s doch immer nur um Frauen und Drogen’ stimmt einfach nicht. Wer dem Ganzen eine Chance gibt, merkt das.

Welche Künstlerinnen und Künstlern sollte man eine Chance geben?

Rapkreation, Symba, Pashanim, Layla, Ebow.

>>> INFO: „Danke, gut.“ – der Podcast

Von „Danke, gut.“, platziert auf Cosmo, dem internationalen Radioprogramm von WDR, RBB und Radio Bremen gibt es aktuell elf Folgen. Abrufbar sind alle Episoden unter linktr.ee/dankegut oder in der WDR-Mediathek. Neue Folgen gibt es jeden zweiten Donnerstag. In der aktuellen Episode spricht Miriam Davoudvandi mit der Psychotherapeutin Sema Sari.