Essen. Ines Anioli machte kürzlich öffentlich, Opfer physischer und psychischer Gewalt geworden zu sein. Darüber spricht sie in ihrem neuen Podcast.

Die Podcasterin und Comedian Ines Anioli ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Offen und ehrlich hat sie in ihrem Comedy-Programm „Cumedy“ und dem Podcast „Besser als Sex“ über eben jenen gesprochen. Auch in ihrem neuen Podcast „me-time“ legt die gebürtige Duisburgerin ihr Seelenleben offen, schlägt dabei allerdings ernste Töne an. Denn die 32-Jährige steckte in einer toxischen Beziehung fest. Wie sie sich von ihrem Partner lösen konnte und warum die Social-Media-Ikone trotzdem ihren Humor nicht verloren hat, erzählt sie Maxi Strauch im Interview.

Ihr Podcast heißt „me-time“, Zeit für sich nehmen. Warum brauchen Sie gerade so viel „me-time“?

Ines Anioli: Es ist eine Person in mein Leben gekommen, mit der ich eine gewisse Zeit zusammen war. Und in dieser Beziehung habe ich sexuelle Gewalt, körperliche Gewalt und psychische Gewalt erlebt. Dinge, die mir vorher gar kein Begriff waren, wie Gaslighting, Manipulation und was das mit einem machen kann. Ich hatte in meinem Leben schon immer viel mit Ablehnung zu kämpfen. Leute konnten schwierig kategorisieren, was ich so beruflich mache, wie sie mit mir umgehen sollen. Aber daran bin ich gewachsen. Diese Beziehung, die ich hatte, das war was ganz anderes: Sie hat so viele Traumata in mir hervorgerufen. Ich habe wirklich gedacht, ich verrecke daran.

Sie sprechen offen über Ihre Ex-Beziehung und was Sie erleben mussten. Was hat Sie in dieser Beziehung gehalten?

Dass ich diesen Menschen wahnsinnig geliebt habe. Ich habe mich an den schönen Momenten festgehalten, bin auf diese Manipulation reingefallen. Er war nicht der Bad Cop, sondern er hat mir immer das Gefühl gegeben: Das, was ich mache, ist falsch. Meine Bedürfnisse wären weniger wert. Ich habe mich irgendwann so geschämt, überhaupt mit jemandem darüber zu reden. Und wenn man aufhört, mit Freunden und Familie über Probleme zu reden, dann läuft irgendwas falsch. Ich habe gar nichts mehr erzählt und habe Dinge mit mir machen lassen, weil ich da drin gefangen war. Ich dachte, die Person liebt mich doch und kann deshalb nur das Beste für mich wollen!

Haben Sie Hilfe bekommen?

Natürlich habe ich mich in eine Therapie begeben und das ist auch wahnsinnig wichtig. Es ist wichtig, offen zu sagen: „Mir geht’s nicht gut, ich möchte mir Hilfe suchen.“ Es ist ein absoluter Beweis von Stärke, den Mut zu haben, sich mit seinen Schwächen, seinen Problemen, seinen Lebenslagen auseinanderzusetzen. Das habe ich gemacht. Aber irgendwann habe ich gemerkt, das reicht nicht. Nur darüber reden. Ich muss aktiv Dinge tun, die ich auch in meinen Alltag integrieren kann. Ich möchte es selber schaffen, die Dinge begreifen. Deshalb habe ich das als Podcast-Projekt in die Hand genommen.

Ob Podcast oder Comedy – Sie haben selbstbewusst und offen über ihre Sexualität gesprochen. Jetzt möchten Sie am liebsten gar nicht mehr darüber nachdenken …

Ich finde meine Geschichte selber total absurd. Ich habe so offen über Sex geredet, habe darüber Witze gemacht, es war Teil meines Comedy-Programms. Das war ja auch die Richtung, die ich einschlagen wollte. Und jetzt habe ich seit eineinhalb Jahren gar keine Sexualität mehr. Das ist auch für mich schwierig. Vorher war es so: Die redet über Sex – nicht okay. Jetzt habe ich keine Sexualität mehr – auch nicht okay. Wir wollen das eine nicht und das andere auch nicht. Du hältst jetzt mal schön deine Klappe. Aber wenn ich so nur zwei Leuten damit geholfen habe, dass ich offen und ehrlich über meine Geschichte spreche, dann ist das der richtige Weg.

Sind sexuelle Gewalt und toxische Beziehungen immer noch Tabuthemen?

Absolut. Und das ist so absurd. Ich habe gemerkt, wie groß diese Themen sind, wie vielen Menschen das passiert! Sexuelle Gewalt, diesen Begriff gibt es schon länger. Aber sowas wie toxische Beziehung ist noch neu. Viele wissen gar nicht, was beinhaltet das überhaupt? Bin ich vielleicht in einer toxischen Beziehung? Ich kannte den Begriff vorher auch nicht. Und toxische Beziehungen gibt‘s nicht nur in Liebesbeziehungen, sondern auch in der Familie, auf der Arbeit, in Freundschaften. Sich das so bewusst zu machen, das ist mit Arbeit verbunden. Und es ist schwierig und unangenehm und dramatisch. Am Ende des Tages muss man sich bewusst sein: Man hat nur das eine Leben, und man ist sich selbst verpflichtet, das Beste daraus zu machen.

Sie haben sich irgendwann trennen können, wie ist es dazu gekommen?

Es war eine krasse Abhängigkeit, in die ich mich da reinbegeben habe. Ich habe das nicht alleine gemerkt. Ich hatte Hilfe durch ein, zwei Freunde, die mir ganz klar gesagt haben, dass diese Beziehung katastrophal ist. Meine Therapeutin meinte, dass ich das erste Mal auf Tour gegangen bin mit meinem ersten Comedy-Programm könnte der Auslöser für die Trennung gewesen sein. Ich habe mich da abgekapselt, war so viel unterwegs. Da kannst du nicht die ganze Zeit in Kontakt bleiben. Und die Zuschauer haben mir so positives Feedback gegeben. So viel Liebe. Dadurch habe ich mich selber ein bisschen aufgeladen, mein Selbstwertgefühl, meinen Glauben an mich selbst. Ich wusste, ich liebe diesen Menschen, aber ich konnte dann sagen: Alles klar, das will ich mir nicht weiter antun.

Trotz allem, das beweist „me-time“, haben Sie Ihren Humor nicht verloren. Wie?

Mein Humor hat sich verändert. Ich merke, dass ich manchmal gar nicht mehr so weit gehen kann. Weil ich selber viel zu sensibel geworden bin. Vorher war mir scheißegal, was andere sagen. Und jetzt möchte ich nicht, dass sich andere schlecht fühlen. Humor hat mir aber schon immer geholfen, schlimme Zeiten zu durchleben. Wenn ich mich mittlerweile mit Freunden unterhalte und entweder ich oder eine andere Person macht einen Witz über das, was mir passiert ist, und ich kann darüber lachen. Dann weiß ich, ich heile gerade. Am Anfang konnte ich das gar nicht. Zu der Zeit hatte aber gerade mein Comedy-Programm angefangen. Da wurde mir auch von Leuten aus der Branche gesagt: Nicht zu viel weinen, du willst ja die Lustige sein. Und das hat mich unter Druck gesetzt. Für die Social-Media-Welt habe ich dann so getan, als wenn gerade etwas total Lustiges passiert wäre. Und dann habe ich das Handy wieder zur Seite gelegt und geweint.

Vermissen Sie die alte Ines?

Total. Es gibt bestimmte Tage, da denke ich an diese Leichtigkeit, die ich hatte, zurück. Die habe ich verloren. Irgendwo steckt noch eine Leichtigkeit, aber da ist eine Schwere hinzugekommen. Ich habe aber mittlerweile immer wieder Gespräche oder bemerke, dass Leute in die Richtung wollen, mir zu sagen: Ines, du hast zwar krasse Scheiße erlebt, aber es hat dich zu einem besseren Menschen gemacht, es hat dich noch emphatischer gemacht, noch sensibler. Es wird dir für die Zukunft helfen. Mittlerweile verstehe ich auch, was die meinen.

Was dich nicht umbringt, macht dich stärker?

Das auf jeden Fall (lacht). Da hat Kelly Clarkson echt was gerissen. Ein totaler Popsong, aber so ist es eben. Ich dachte wirklich, ich verrecke. Und dass ich daran nicht verreckt bin, hat mir auch gezeigt, wie viel man doch aushält. Ich möchte aber nicht sagen, dass Leute so etwas erleben müssen, um da gestärkt rauszugehen. Im Gegenteil. Aber genau deswegen glaube ich, dass der „me-time“-Podcast oder auch die me-time an sich präventiv Hilfe leisten kann, um eher an diesen Punkt zu kommen. Damit man sich die Scheiße nicht geben muss.

Hat Ihnen eine Aktivität aus Ihrem Podcast besonders dabei geholfen?

Es gibt noch ein paar Sachen, die ich noch machen werde. Aber die Schamanismusfolge war ein Highlight. Und die Anti-Aggressionsfolge, beim therapeutischen Boxen. Da habe ich gemerkt, wie wichtig Körperarbeit ist. Ich habe sehr viel Zeit und Geld in Therapien jeglicher Art gesteckt, bevor ich diesen Podcast angefangen habe. Meistens redet man da ja viel und da wurde oft gesagt: „Du hast zu viel vertraut, du musst deine Grenzen besser definieren, du musst für dich einstehen, du musst auf deine Bedürfnisse achten“. Aber was machst du damit? Es ist ein bisschen wie eine Gebrauchsanweisung, aber die Praxis fehlt.

>>> INFO:

me-time ist ein Spotify Original Podcast und ausschließlich auf dem Audio-Streaming-Dienst verfügbar.

Goddess -Tour 2021: 1.3. Düsseldorf (Savoy), 7.3. Dortmund (Westfalenhalle), 11.3. Duisburg (Mercatorhalle), 15.4. Frankfurt (Jahrhunderthalle), 16.+17.4. Köln (E-Werk), 30.4. Bochum (RuhrCongress). Tickets ab ca. 32 €.