Essen. Thomas Godojs neues Album „Stoff“ ist erschienen. Im Interview spricht der Recklinghäuser auch über seine Castingshow-Vergangenheit – und Kaffee.
Mal ein kleiner Test für Profis: Bekommen Sie noch alle Sieger der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ zusammen? Viele sind längst in der Versenkung verschwunden. Thomas Godoj aber, Gewinner des Castingwettbewerbs 2007, ist immer noch dick im Geschäft. Innerhalb von acht (!) Minuten sammelten seine Fans die erforderlichen 55.000 Euro für die Produktion des achten Soloalbums „Stoff“, das nun erscheint. Der Recklinghäuser (42) hat aber auch noch eine andere Leidenschaft neben der Musik, wie er Patrick Friedland verriet.
Sie waren fast zwölf Jahre lang ununterbrochen auf Tour. Kam Ihnen die Corona-Zwangspause nicht vielleicht sogar etwas gelegen?
Thomas Godoj: Als „Pause“ habe ich die Zeit ehrlich gesagt nicht empfunden. Gerade zu Beginn der Pandemie war es ganz schön sportlich, die Kinderbetreuung inklusive Homeschooling mit dem Kreativ- und Produktionsprozess fürs Album, der schon voll im Gange war, unter einen Hut zu bringen. Außerdem haben wir uns wegen der Konzertabsagen im Hauruckverfahren ein Streamingkonzert-Konzept überlegt, bei dem wir den Leuten die Möglichkeit geboten haben, Solidaritäts-Tickets zu kaufen. Alles auf freiwilliger Basis, aber tatsächlich konnten wir dadurch die finanziellen Verluste der abgesagten Tour zumindest ansatzweise auffangen.
„Stoff“, der Titel der neuen Platte, wird im Deutschen ja für viele Dinge gebraucht. Wofür steht der Begriff in diesem Falle?
Im Vordergrund steht, dass wir bei dieser Platte so richtig „Stoff“ geben wollten, musikalisch und thematisch. Wir wollten Stoff zum Nachdenken, Stoff zum Abgehen, musikalischen Stoff für den inneren Antrieb, den Motor, der uns Menschen am Laufen hält und motiviert. Mir ist natürlich bewusst, dass „Stoff“ auch im Sinne von „Droge“ deutbar ist – und da Musik einfach meine Droge ist, weil sie mich glücklich und süchtig macht, hoffe ich, dass das auch das Album bei den Leuten da draußen bewirkt.
„Ich sammele keine Spenden, sondern erarbeite mir Geld“
Wieder einmal war Crowdfunding angesagt. Am Ende kam fast das Dreifache der erforderlichen Summe zusammen. Wie kommt’s?
Crowdfunding auf die Art, wie wir es aufziehen, funktioniert nach dem Prinzip „Geben und Nehmen“. Ich sammele keine Spenden, wie es gerne mal missverstanden wird, sondern erarbeite mir das Geld, welches ich für die Albumproduktion und sämtliche Maßnahmen rund um das Marketing benötige. Zum Beispiel, indem ich beim Crowdfunding „Dienstleistungen“ anbiete, die exklusiv nur in dieser Phase zu erwerben sind, wie die Wohnzimmerkonzerte in privatem Rahmen.
Dafür zahlte ein Fan 5000 Euro. Konnten Sie den Gig schon spielen?
Nein, die Wohnzimmerkonzerte terminieren wir auch wegen Corona alle ins nächste Jahr.
In der Single „Astronaut“ werden Sie explizit politisch und warnen vor der weiteren Zerstörung der Erde. Gibt es noch Hoffnung?
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich weiß nur, dass Klimaschutz und Erderwärmung bereits seit den 1990er-Jahren in der EU Thema sind und es sehr lange, zu lange, gedauert hat, um auch den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass es für uns alle existenziell ist. Nur ist bisher aufgrund der größeren wirtschaftspolitischen Interessen viel zu inkonsequent und viel zu wenig an Maßnahmen umgesetzt worden, um den Prozess aufzuhalten oder gar zu stoppen. So langsam werden die Auswirkungen dessen sicht- und erlebbar. Es macht mir große Sorgen und ich denke, dass es immer noch zu viele Menschen gibt, die davor die Augen verschließen.
„Wir wollen unser Konsumverhalten weiter optimieren“
Was tun Sie persönlich, um Ihren Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten?
Wir ernähren uns beispielsweise vegetarisch, versuchen möglichst regional angebautes Bio-Obst und -Gemüse zu kaufen, haben unseren Plastikverbrauch drastisch reduziert, trinken Wasser nur noch aus Mehrwegflaschen aus Glas, beziehen unseren Strom seit vielen Jahren von einem Öko-Stromanbieter, haben in unserem Garten insektenfreundliche Pflanzen, sensibilisieren unsere Kinder für das Thema und nicht zuletzt versuche ich auch über meine Musik darauf aufmerksam zu machen.
Das ist schon recht viel ...
Da ist aber definitiv noch Luft nach oben und wir versuchen, unser Konsumverhalten eigentlich ständig weiter zu optimieren. Ich denke, man muss nicht sofort alles perfekt machen, aber wenn man versucht, seine Gewohnheiten mit bewusstem Nachdenken über sein alltägliches Handeln zu durchbrechen, ist man auf einem guten Weg.
„Dieters Spruch damals war lustig und treffend“
In Ihrem Online-Shop kann man mittlerweile auch Kaffee kaufen. Machen Sie noch den Schritt zum Kaffee-Connaisseur?
Kaffee-Connaisseur bin ich so oder so. Ich liebe Kaffee! Oder wie mein alter Arbeitskollege Richard Miklas aus Ingenieurbürotagen gerne sagt: „Ohne Kaffee geh’ ich tot“. Er hat ebenso wie ich seinem alten Beruf als Diplom-Ingenieur den Rücken gekehrt und in Bochum eine in Kennerkreisen nun schon gut bekannte Kaffee-Rösterei mit dazugehörigem Café „Röst.Art“ aufgezogen. So kam auch ziemlich spontan die Idee zustande, zum neuen Album „Stoff“ eine von mir kreierte Kaffee-Mischung gleichen Namens anzubieten. Aber für mich gilt genauso „Ohne Musik geh’ ich tot“ – daher werde ich wohl der Musik treu bleiben.
Dieter Bohlen begrüßte Sie damals beim DSDS-Casting mit dem Satz „Du siehst aus, als sei dir der Sargdeckel schon zwei-, dreimal auf den Kopf geknallt.“ Was denken Sie heute darüber?
Ach, wenn ich daran zurückdenke, finde ich den Spruch einfach lustig und damals auch irgendwie treffend. Zu dem Zeitpunkt ging es mir nicht so gut, mein Bandprojekt, für das ich mein Studium an den Nagel gehängt habe, war damals gerade von Plattenfirmen abgeschmettert worden und die Show war quasi mein letzter Strohhalm. Ich will mal schwer davon ausgehen, dass der Sargdeckel erst in ferner Zukunft ein letztes Mal zuschlägt.
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Haben Castingshows heute überhaupt noch eine Berechtigung?
Aus produktionstechnischer Sicht haben sie halt solange Berechtigung, bis die Einschaltquoten etwas anderes sagen. Ob es „berechtigt“ ist, junge ambitionierte Künstler auf schnell und nicht nachhaltig konzeptioniert zu verheizen ist eine andere Frage. Aber mittlerweile hatte ja nach diesen vielen Jahren jeder die Möglichkeit zu erkennen, dass der Erfolg selbst nach einem Sieg nicht etwa vorprogrammiert ist, es sei denn, man kreuzt mit seinem Privatleben ständig in irgendwelchen Boulevardmedien auf. Diese Art „Erfolg“ finde ich aber eher fragwürdig und nicht erstrebenswert.
Thomas Godoj live: 28.10.21 Oberhausen (Kulttempel), Karten ca. 29 €.