Mülheim. Atze Schröder und Till Hoheneder kramen in „Zärtliche Cousinen“ alte und neue Geschichten hervor. Damit geht es ab September auf Tour.
Einfach mal drauflosbrabbeln – das können Komiker oft besonders gut. Till Hoheneder (54) und Atze Schröder (vermutlich auch 54) tun das seit Februar 2019 wöchentlich im Podcast „Zärtliche Cousinen“. In Ping-Pong-Manier tauschen beide Erinnerungen aus 30 Jahren im Showgeschäft aus und stellen die Aufnahmen immer freitags ins Internet. Im September soll es mit dem Programm dann auch auf Tour gehen. Die Generalprobe gab es kürzlich im Autokino am Mülheimer Flughafen – Patrick Friedland sprach vor der Show mit den beiden Comedy-Veteranen.
Ein Blick ins Lexikon verrät: „Zärtliche Cousinen“ ist ein Softcore-Erotikdrama des britischen Fotografen David Hamilton. Wie viel Erotik, wie viel Drama steckt denn in Ihrem Podcast und Ihren Bühnenshows?
Atze Schröder: Ja, wir haben natürlich versucht, soviel aus dem Film ’rüberzuretten wie möglich. Aber Anja Schüte, eine der Hauptdarstellerinnen und die Ex-Frau von Roland Kaiser, ist ja jetzt auch nicht mehr ganz so jung. Nein, Spaß. Wir haben mit dem Originalfilm gar nichts zu tun. Wir hatten eines Tages in einer seligen Bierlaune nach einem Titel für unser Unterfangen gesucht. Und wir wurden ja eigentlich von unserem Management dahin gezwungen. Wir wussten erst gar nicht, was ein Podcast ist.
Till Hoheneder: Die sagten: „Setzt euch mal ins Studio und tut so, als seid ihr anner Bar.“. Joa, das haben wir dann gemacht.
Atze: Wir kramen ja auch gern Geschichten aus den 70ern und 80ern hervor. Der Name ist auch irgendwo eine Reminiszenz an diese Jahre. Aber die Bühne wurde nachgeschoben, das war eigentlich gar nicht unser Plan.
Warum machen eigentlich alle plötzlich Podcasts? Was ist das Faszinierende daran?
Atze: Ich kann es nicht sagen. Im Prinzip ist es ein gutes altes WDR-Interview. Und in Deutschland ist es verhältnismäßig ja noch in den Kinderschuhen. In den USA hat ein Podcastproduzent jetzt einen Zehn-Jahres-Vertrag auf 500 Millionen Dollar abgeschlossen.
Till: Wir hätten das schon für 300 Millionen gemacht.
Atze: Sicherlich. Aber da sieht man mal, wo sowas hinführen kann.
Till: Ich finde es auch bemerkenswert, dass der Redeanteil im Radio immer mehr sinkt. Bei einer Stunde Sendezeit sind’s nur noch 15 Minuten Redezeit. Auf der anderen Seite scheint es einen Riesenbedarf zu geben, Menschen einfach mal zuzuhören.
Atze: Das ist echt paradox. So einen Sender wie WDR5 mit vielen Wortbeiträgen hört keiner. Und in den USA, wo immer alle nur „schnell schnell“ wollen, ist der Markt so groß. Kapieren tue ich das nicht.
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Bei Ihnen geht es ja vor allem um Erinnerungen und Prominente.
Till: Und den Alltag, was wir so in der Woche erleben. Und dazu fallen uns dann Geschichten von früher ein. Da wir beide über 30 Jahre im Geschäft sind, kommt da einiges zusammen. Ich glaube, dass die Mischung bei den Leuten gut ankommt. Ein paar Anekdoten, aber auch mal was Tiefsinniges zwischendurch.
Gibt es denn heute überhaupt noch interessante Persönlichkeiten, Stars, über die es sich zu reden lohnt? Gefühlt werden es immer weniger.
Atze: An der These ist was dran. Wenn ich an meinem neuen Programm schreibe, so alle zwei Jahre, dann gibt es immer einen Block, in dem vor allem Promis durch den Kakao gezogen werden. Wer war auffällig, wer hielt seinen Arsch aus dem Fenster? Das sind seit 20 Jahren eigentlich dieselben Namen. Und das ist wirklich traurig.
Till: Wir haben mit Till & Obel vor 30 Jahren schon diejenigen parodiert, die heute immer noch im Geschäft sind. Grönemeyer, den mache ich auch nachher wieder, ist kein Problem, es ist nach wie vor ein großer Name. Und die, die nachwachsen, sind gar nicht mehr so interessiert daran, in diesem Gossip vorzukommen.
Atze: Alles durchgestylt, die haben sich selbst im Griff und steuern ihre Außendarstellung über Social Media.
Till: Jap. Die eine von Monrose, Senna (Gammour, Ex-Mitglied der Popgruppe Monrose, d. Red.), hat zwei Millionen Follower auf Instagram. Die braucht keine Bunte, Hörzu oder Berichte in irgendwelchen Zeitungen. Wir waren damals total froh, wenn wir mal in der Hörzu standen. Oder in der ADAC Motorwelt.
Aber auch die deutsche Comedy insgesamt hat sich in der Zeit ja gewandelt. Müssen Sie heute nicht viel vorsichtiger mit Ihren Gags sein?
Atze: Absolut. Und das schlägt in dieselbe Kerbe. Wenn du heute einen falschen Satz sagst, wirst du auf Twitter & Co. ruckzuck durch die Scheiße gezogen. Erinnern Sie sich noch an „Mr. Pumpernickel“ Chris Howland? Dem haben sie wegen eines unehelichen Kindes die Sendung abgesetzt. Heute wäre das Grundvoraussetzung, um überhaupt eine Sendung zu bekommen.
Till: Was wir uns damals bei Till & Obel an politischen Statements und Frechheiten getraut haben, was wir alles allein Helmut Kohl angedichtet haben, das würde uns heute Kopf und Kragen kosten. Damals hat das niemanden interessiert.
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Wie kamen Sie als Künstler bisher durch die Corona-Zeit?
Atze: Ich hatte noch Glück. Ich konnte fast die ganze Tour spielen, bis auf vier Termine, die im Oktober nachgeholt werden sollen. Ansonsten war ich mit meinen Podcasts beschäftigt. Das war eine gute Beschäftigung, um nicht völlig zu verblöden. Insgesamt fand ich die Zeit ganz ok. Viel zuhause abhängen, viel Ruhe. Und das höre ich von vielen Leuten – nur nicht von denen, die Kinder haben.
Till: Genau. Bei uns war es krass. Zwölf Stunden am Tag hatten wir die Kinder um uns herum. Meine Frau und ich haben sonst mehr Zeit. Das musste sich einspielen. Bei uns ist es gut gegangen, aber wir haben auch Platz, wohnen relativ ländlich und können auch mal aufs Feld gehen. Ich möchte nicht wissen, wie das in einer 50-Quadratmeter-Wohnung mitten in der Großstadt läuft.
>>> INFO: Zärtliche Cousinen auf Tour
Termine: 5.9. Kamp-Lintfort (Stadthalle), 6.9. Wipperfürth (Alte Drahtzieherei), 10.9. Marl (Theater der Stadt) 11.9. Essen (Zollverein Halle 12), 17.9. Kleve (Stadthalle), 1.11. Köln (Theater am Tanzbrunnen). Karten gibt es ab ca. 32 € (für Marl schon ab ca. 27 €) an allen bekannten Vorverkaufsstellen. Die Shows in Waltrop (Majestic Theater) am 1.+2.9. sind bereits ausverkauft.