Essen. Das neue Programm „Intrigation“ von Kabarettistin Liza Kos steht in den Startlöchern. Im Interview spricht sie über Glück und Zukunftsängste.

Kabarettistin Liza Kos vereint multiple Persönlichkeiten in sich. Geboren wurde die 39-Jährige in Moskau, aufgewachsen ist sie in Deutschland und zu Hause fühlt sich sich auch in der Türkei. In ihren Programmen spielt sie nicht nur mit Klischees, sondern auch auf der Gitarre. Im Interview mit Kirsten Gnoth sprach Liza Kos über das Rezept zum Glücklichsein, Vodka-Klischees und den Halterner KIEP-Preis.

Ihr erstes Soloprogramm hieß „Was glaub ich, wer ich bin?!“. Haben Sie die Antwort gefunden?

Am Ende bin ich ein Mensch und das ist das, was zählt. Im Laufe des Programms stelle ich mir auch die Frage, zu welcher Kultur ich gehöre und das ist ein Mischmasch aus vielen.

Geboren und aufgewachsen sind Sie in Russland. Als Teenager sind Sie mit ihren Eltern hier her gekommen. Wie haben Sie die Anfangszeit erlebt?

Das war sehr spannend und interessant, aber auch sehr schwierig zum Teil. Es war gar nicht so einfach, sich zu integrieren. Was mir sehr gefehlt hat, war die Möglichkeit, Kontakt zu den Einheimischen zu haben. Man wird immer erst mal unbewusst in eine Ecke geschoben. Als Migrant bist du eher in Kontakt mit anderen Migranten. Ich habe tatsächlich zehn Jahre gebraucht, bis ich mich integriert habe.

Was sind Ihre Tipps zur Integration?

Integration ist keine Einbahnstraße. An beide Seiten deshalb der Tipp: offen bleiben. Oft ist es so, dass sich nämlich beide Seiten verschließen. Vielleicht liegt das an der Angst vor dem Verlust der eigenen Werte. Und deshalb öffnen sich beide Seiten nicht vor der Kultur, des jeweils anderen.

Wie hier bei einem Auftritt in Duisburg ist die Gitarre Liza Kos’ ständige Begleitung.. Foto: Ulla Michels / FUNKE Foto Services
Wie hier bei einem Auftritt in Duisburg ist die Gitarre Liza Kos’ ständige Begleitung.. Foto: Ulla Michels / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Haben Sie denn von der russischen Kultur etwas beibehalten?

Ja natürlich. Ich kann bis heute keinen Smalltalk, sondern fall direkt mit der Tür ins Haus. Ich rede eher über tiefgründige Themen. Das ist in der russischen Kultur weitverbreitet. In der deutschen Kultur bleibt man eher noch eine längere Weile an der höflichen Oberfläche – das floskelartige Fragen nach dem Wetter eben. In Russland geht es viel tiefer. Man öffnet die Seele und spricht Gefühle aus.

Apropos Integration. Ihr neues Programm heißt „Intrigation“. Was hat es mit diesem Wortspiel auf sich?

Das hat nicht so viel mit Intrigen zu tun. Der Fehler ist extra eingebaut. Es ist lustig, dass sehr viele Menschen das Wort erst gar nicht richtig aussprechen können. Das ist für mich ein Zeichen, dass sich die Menschen noch nicht genug mit dem Thema auseinandersetzen. Das Programm hat auch noch eine Unterschrift: „Russischer Döner mit Kartoffelsalat“. Das zeigt, worum es auch diesmal wieder geht. Es geht um den Mix aus den drei Kulturen, die ich in meinem Leben so stark mitbekommen habe.

Sie sind selbst für eine Zeit lang zum Islam konvertiert. Wieso haben Sie sich nach drei Jahren wieder umentschieden?

Ich weiß nicht mal, ob ich mich so richtig umentschieden habe. Inzwischen bin ich der Meinung, dass alle Religionen von derselben Sache sprechen – auf sehr unterschiedlichen Sprachen wohlgemerkt. Was Religion angeht, ist es mir heute egal, wer ich bin. Damals hatte ich noch nicht das Gefühl, alles gefunden zu haben und wollte weitersuchen. Das ist heute anders.

Inwiefern?

Mir ist nun klar geworden, dass es vor allen Dingen wichtig ist, sich selbst zu lieben. Ich denke, die meisten Streitigkeiten und Konflikte auf dieser Welt kommen daher. Ohne diese Selbstliebe haben die Menschen anscheinend immer das Gefühl, andere angreifen zu müssen. In meinem Leben ist es eine wichtige Wende gewesen, mich selbst zu lieben. Ich wünschte, alle Menschen auf diesem Planeten könnten das. Denn ich glaube, dadurch hätten wir keine Kriege mehr.

Kommen wir noch mal zu ihrem Programm „Intrigation“. Das sollte eigentlich Premiere feiern. Nun liegt alles auf Eis. Wie erleben Sie die Zeit?

Ich muss gestehen, mir geht es ganz gut und manchmal habe ich auch ein schlechtes Gewissen deswegen. Es geht ja nicht allen so gut. Vor allem finanziell, wir haben ja fast keine Hilfen bekommen. Die „Soforthilfe“ war ja keine wirkliche Hilfe. Ich bin zwar gesund durch die Zeit gekommen und war sehr produktiv und kreativ in dieser Zeit. Ich habe auch die Ruhe und das Runterschalten genossen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es in nächster Zeit so wird wie vorher. Viele kleine Bühnen sind pleite und viele Kulturschaffende, Künstlerinnen und Künstler sind gezwungen Hartz IV zu beantragen. Und was mich ziemlich verunsichert ist, dass ich nicht weiß, wie genau es weiter geht. Mir war es immer sehr wichtig, dass die Menschen im Publikum eng beieinander sitzen. Sie stecken sich nämlich gegenseitig mit dem Lachen an. Und in der heutigen Zeit stecken sie sich mit etwas anderem an und dürfen deshalb nicht mehr eng beieinander sitzen. Das ist echt schade, aber ich muss damit leben.

Sie haben einen Sohn im Schulalter. Sind Sie nun auch Homeschool-Lehrerin?

Mein Sohn ist zu seinem Vater gezogen. Dadurch, dass er nun zu Hause zur Schule gegangen ist, war er auch längere Zeit bei mir. Er ist 14 und ist sehr selbstständig. Ich musste da überhaupt nichts machen.

Allerdings liegt das Lehrergen bei Ihnen in der Familie. Ihre Mutter war selbst Lehrerin und ihr Vater Musiker. Sie wurden von ihm in die Musikschule gesteckt. Haben Sie die Zeit verteufelt oder geliebt?

Die Zeit habe ich nicht verteufelt – ich hatte nur keine Lust, jeden Tag Querflöte zu üben. Aber ich musste jeden Tag dadurch. Man musste mich nie zwingen, nur manchmal überreden. Ich war meinem Vater aber auch dankbar, denn heute profitiere ich davon und kann Musik in meine Show einbinden. Außerdem lernt man schneller neue Instrumente, wenn man schon welche spielt. Nach der Querflöte und dem Klavier war es einfach, auch die Gitarre zu lernen. Das ist wie mit Sprachen.

Sie haben länger unter dem Namen Aliza Musik gemacht. Wie würden Sie diese Musik beschreiben?

Momentan liegt das Aliza-Projekt auf Eis. Aber es kann sein, dass es mal weiter geht. Ich male in meiner Musik mit Wörtern, weil ich sehr viele Sprachbilder benutze. Es ist Poesie mit Musik.

In der Biografie auf Ihrer Homepage steht, dass Sie 2020 einen Welthit haben. Wie sieht es damit aus?

Ach Gott, da habe ich völlig die Zeit vergessen. Ich mach mich gleich dran und dann hab ich ihn bis zum Ende des Jahres fertig.

Welcher Song ist für Sie persönlich ein Welthit?

„Happy“ von Pharrell Williams habe ich sehr genossen. Der hat sich bei mir nie abgenutzt und das, obwohl ich ihn wirklich oft gehört habe. Da habe ich immer gern drauf getanzt und könnte es direkt wieder machen. Der Song spricht mir aus der Seele, weil ich mich einfach glücklich fühle.

Was brauchen Sie zum glücklich sein?

Ich glaube, die Selbstliebe hat mich glücklich gemacht. Plötzlich kann man alles um sich herum lieben -- auch in den Zeiten von Corona. Das kann man sich wie einen Filter vorstellen, der über allem liegt. Ich hab‘ einen Glücksfilter, und zwar egal in welcher Situation ich bin.

Musik spielt bei den Programmen eine wichtige Rolle.
Musik spielt bei den Programmen eine wichtige Rolle. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Sie sind aber nicht nur ein glücklicher, sondern (nach eigener Aussage) auch ein introvertierter Mensch. Wie passt das mit der Bühne zusammen?

Das passt sehr gut zusammen. Ich bin einer der introvertierten Menschen, die auch nur dann reden, wenn man ihnen zuhört. Ich könnte mich nicht in einer großen Menschenmenge behaupten und die Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Sobald ich ein Mikro habe, habe ich die Macht. Damit kann mich wirklich jeder hören. Ich glaube, es ist für einen introvertierten Menschen viel einfacher, sich auf der Bühne auszudrücken.

Verbinden Sie in ihren Comedy-Programmen eigentlich deutschen und russischen Humor?

Es kann sein, dass ich beide Dinge verbinde. So genau habe ich das noch nicht analysiert. Ich habe auch ein bisschen was am Programm geändert, als ich gesehen habe, dass immer mehr russisch sprachige Menschen zu mir in die Show kommen. Wenn es um Klischees wie ‚Russen und Vodka‘ geht, finden es die Deutschen lustig. Viele mögen das Spiel mit Klischees – gerade wenn die Haltung dahinter stimmt. Die russischsprachigen Menschen sehen das anders. Sie sind nicht sauer, aber hätten gerne weniger Klischees.

Sie haben mit ihrer Comedy in diesem Jahr gleich zwei KIEP-Preise der Stadt Haltern einheimsen können. Zwei von vielen Preisen. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?

Solche Preise kommen meist dann zu einem Menschen, wenn sie wichtig für einen selbst sind. In den Momenten zum Beispiel, wenn man sich fragt: ‚Soll ich das mit der Musik noch so weiter machen oder möchte ich eher Stand-up-Comedy machen?‘. Das ist eine Frage, die mich seit Längerem beschäftigt. Man zweifelt immer mal an sich selbst. Die Preise geben einem die Bestätigung, dass man doch auf dem richtigen Weg ist. Das ist eine tolle Sache und über die beiden Preise bin ich sehr glücklich.

Voraussichtliche Termine:

„Intrigation“-Termine: 19.11. Düsseldorf (Takelgarn Theater). Karten ca. 23€.

„Was glaub ich, wer ich bin?!“-Termine: 28.10. Essen (Stratmann, verschoben vom 1.5.), 20.2.21 Dortmund (Cabaret Queue, versch. vom 4.4.), 9.5.21 Schwerte (Sparkasse Kundenhalle, versch. vom 10.5.20). Karten ab ca. 20 €.