Oberhausen. Kabarettistin Gerburg Jahnke spricht über schlechte Gags, (un)lustige Kollegen und was der Schlaganfall ihres Verlobten verändert hat.
Seit den Missfits ist sie aus der deutschen Kabarettszene nicht mehr wegzudenken: Gerburg Jahnke (65) lässt bekanntlich kein gutes Haar an den Herren der Schöpfung – und die Methode hat Erfolg. Frau und auch Mann will sie sehen. Aktuell tourt die gebürtige Oberhauserin mit ihrer Show „Frau Jahnke hat eingeladen“, in der sie mit wechselnden Kabarett-Kolleginnen auf der Bühne steht. Im März feiert ihr neues Programm im Ebertbad Premiere – dann auch mit Männern. Was die da machen und ob die Welt mit Frauen an der Macht besser wäre, darüber hat Nadine Przystow mit ihr gesprochen.
Am 5. März startet Ihre neue Produktion „Die Abrechnung“ im Ebertbad in Oberhausen. Was dürfen Zuschauer da erwarten?
Die Rollenverteilung ist ganz einfach. Frau Jahnke hat vor einer Weile bemerkt, dass sie Frau Gott ist. Das ist nicht angenehm. Weil sie nicht eingreifen kann. So ist nun mal die göttliche Definition. Das fällt so einer Macherin sehr schwer. Und als Frau Gott hat sie den Eindruck, dass der Mann der Fehler im System ist.
Welche Rolle spielen dann die beiden Männer, Nito Torres und Peter Engelhardt, die mit Ihnen auf der Bühne stehen?
Der eine, Peter Engelhardt, ist ja ein begnadeter Gitarrist. Er macht eigentlich nur die Musik und ist ein sehr zurückhaltender Mann, also er sagt nichts – insofern ein guter Mann. Und der andere, Nito Torres, ist...der Mann...mit dem abgerechnet wird und der sich wehrt.
Wird denn noch mit anderen Themen abgerechnet?
Es geht auch um Fragen wie: Warum ist es so leicht, schlecht zu sein und so schwer, gut zu sein? Warum ignorieren alle Menschen den Klimawandel vor ihrer Haustür? Warum bekommt man Kinder, wenn man eigentlich keine Zeit hat, sich um sie zu kümmern? Es entstehen wirklich spannende Diskussionen. Und es ist hoffentlich witzig. Ich bin gerade in so einer Phase, wo ich überhaupt nicht weiß, wie es wird.
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Ist das häufiger so, dass Sie Angst haben, ein Programm kommt beim Publikum nicht an?
Ja, man hat vorher immer diese tiefe Krise. Du denkst, es ist alles scheiße, was du machst und es ist völlig belanglos. Es gibt gar nichts zu lachen und die Leute werden noch vor der Pause einschlafen.
Aber in Ihrer Heimat, dem Ruhrgebiet, lachen die Menschen doch gern...
Ich glaube, man braucht sehr viel Humor, um hier in diesen Zeiten, in diesem Strukturwandel after Kohle, gute Laune zu haben. Es ist alles sehr unerquicklich. Dazu schreit die Unfähigkeit der Städte, miteinander zu arbeiten und diese sogenannte Metropole herzustellen, zum Himmel. Das merkst du gerade als Kulturschaffende, wenn Förderungen immer seltener und weniger werden und die mediale Unterstützung ein Furz ist. Die Humorfähigkeit der Menschen im Ruhrgebiet ist sehr zu bewundern und auch, dass sie überhaupt hier bleiben.
Bekannt wurden Sie als eine Hälfte der Missfits an der Seite von Stephanie Überall. Nach 20 Jahren haben sie sich 2005 einvernehmlich getrennt. Vermissen Sie solche und andere Duos wie Harald Schmidt und Herbert Feuerstein oder Loriot und Evelyn Hamann heute? Werden Kabarett und Comedy immer mehr zur One-Man/Woman-Show?
Es gibt sehr viele alleinreisende Komiker und Komikerinnen, das stimmt. Erstmal ist es schwierig, mit jemand anderem zusammenzuarbeiten. Du musst ein Dialogkonzept und eine Rollenverteilung haben. Das ist schwer zu bedienen. Viele Künstlerinnen, und damit meine ich auch die Männer, haben wirklich nur ein Konzept für sich selber.
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Hatten Sie Angst, dass Sie es allein auf der Bühne nicht schaffen?
Ich habe überhaupt nicht die Absicht gehabt, diesen Beruf zu wählen. Ich wollte eigentlich Kunstlehrerin werden.
Und was hat sie davon abgehalten?
Ich habe während des Studiums ein paar Jahre an einer Schule gearbeitet und da habe ich gemerkt, dass Schule nichts für mich ist. Die Kinder schon, aber die Struktur Schule gar nicht. Und dann hat sich das mit Frau Überall und mir einfach so ergeben. Die Journalisten holten für uns den Begriff Frauen-Kabarett aus der Schublade, was natürlich völlig absurd ist – als gäbe es Männer-Kabarett und Frauen-Kabarett. Es gibt Kabarett, fertig. Aber wir wurden eben sehr oft eingeladen, weil wir eine der wenigen Frauen-Kombos waren, die es überhaupt gab. Ich habe nie Bock gehabt, alleine auf die Bühne zu gehen.
Das merkt man ja auch an dem, was sie tun. Bis Ende 2018 haben Sie die Show „Ladies Night“ im WDR und der ARD moderiert. Ihr Programm „Frau Jahnke hat eingeladen“ ist seit mehreren Jahren erfolgreich. Was macht so Spaß an diesen Formaten?
Ich bin eine Teamplayerin und ja tatsächlich auch sehr engagiert bei der Frage, warum es so wenige Frauen auf deutschen Bühnen gibt. Es verbessert sich, aber viel zu langsam. Ich habe immer noch mit Journalisten zu tun, die fragen, warum Frauen eigentlich nicht so witzig sind. Da finde ich es super, dass wir mit unserem Abenden in ganz Deutschland beweisen, dass es anders ist und gut. Und Backstage ist es wie eine große Pyjamaparty.
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Veranstalter lassen Männern den Vortritt
Nach zwölf Jahren haben Sie die „Ladies Night“ in neue Hände gegeben. Zum Abschied sagten Sie, Sie hätten „in der öffentlichen Wahrnehmung der weiblichen Comedy- und Kabarettszene etwas verändert, aber wir sind noch lange nicht da, wo wir hin wollen“. Täuscht der Eindruck, dass Frauen mittlerweile in der Szene angekommen und ernstgenommen sind?
Künstlerinnen (hier sind explizit die Frauen gemeint, Anm. der Redaktion) müssen gefördert werden, das war schon immer so. Wenn du neu anfängst, hast du nicht sofort 1000 Leute da sitzen, das sind nur einzelne Märchen. Also muss es Veranstalter geben, die es sich leisten können, mit einem kleinen Publikum anzufangen. Aber das ist für alle Beteiligten schwer, weil die Zeiten in der Kultur sehr hart geworden sind. Oft werden dann eher die Männer eingeladen und es gibt noch immer viele Veranstalter, die gar nicht wissen, welche Frauen wir überhaupt haben.
In früheren Interviews sagten Sie „Ich hatte ganz schlimm Feminismus“. Ist das etwa nichts, das für immer bleibt?
Das ist falsch überliefert. Es heißt „Ich habe ganz schlimm Feminismus“. Wenn du ihn einmal hast, wirst du ihn auch nicht mehr los. Es ist also alles in Ordnung, nur ist es jetzt eben Alters-Feminismus.
Das heißt, es hat sich schon etwas verändert?
Für mich war die Welt früher mehr schwarz-weiß. Jetzt nehme ich die Grautöne mehr wahr. Nicht jeder Mann ist ein Arschloch und nicht jede Frau ist gut. Ich bin nachsichtiger und differenzierter geworden.
Aber für Sie tragen „untervögelte, alte, weiße Säcke“ die Schuld an den Problemen der Welt. Während Fridays For Future mit 70 Prozent Frauen eine weibliche Bewegung sei. Wäre die Welt mit Frauen an der Macht eine bessere?
Das ist tatsächlich eine Frage, die sich stellt. Aber ich weiß es nicht. Ich glaube, dass Frauen grundsätzlich zum Thema Leben eine andere Beziehung haben als Männer, weil sie diejenigen sind, die Leben erschaffen können und die genetisch darauf gepolt sind, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder überleben. Aber das andere Problem ist doch Macht und wie du mit ihr umgehst, oder? Wenn ich mir die Frauen ansehe, die Macht haben, dann finde ich den Unterschied zu den Männern irrelevant. Also die Frage ist ja: Können Frauen sich von dem Thema Macht distanzieren und demokratisch entscheiden? Wenn ich Königin von Deutschland wäre, weiß ich nicht, ob ich ein guter Mensch bleiben würde.
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Kritik an Chris Tall und Jan Böhmermann: Ist das Satire?
Die Beziehung bzw. der Gegensatz zwischen Mann und Frau ist auch bei vielen Ihrer Kollegen ein beliebtes Thema. Finden Sie das alles gut oder ist die Szene irgendwann vielleicht auch an Frotzeleien über Geschlechterrollen übersättigt?
Es funktioniert ja immer noch. Doch mittlerweile spielt sich vieles davon untenrum ab. Ich kann nicht über jeden dieser Witze lachen, aber ich muss ja auch nicht alles gut finden. Viel schlimmer finde ich, wenn ein junger Comedy-Held sagt ‚Heute ist Chris-Tall-Nacht‘ – einfach nur, weil er sich diesen Namen gegeben hat. Und ich wundere mich, dass das inzwischen als Satire gesehen wird. In meiner Welt ist Satire das Ergebnis von Handwerk, Recherche und Nachdenken. Zwar war das fest in Männerhand, doch waren das auch geile Typen wie Georg Schramm und Dieter Hildebrandt, die hatten wirklich eine Vorbildfunktion. Und jetzt ist alles so heruntergekommen und ein bisschen Böhmermännchen- mäßig. Reicht es ‚Ziegenficker‘ zu sagen und dann ist es Satire? Nein, ich finde nicht. Aber das ist meine persönliche Meinung.
Apropos Vorbild: Am 1. März bekommen Sie als „First Lady“ vom Land Rheinland-Pfalz den Ehrenpreis des Deutschen Kleinkunstpreises verliehen…
Als die mich angerufen haben, habe ich erstmal gegoogelt und musste feststellen, dass ich tatsächlich nach zwölf Jahren die erste Frau bin. Das ist unglaublich. Ich dachte, das kann nicht sein. Bei diesem Ehrenpreis findest du das Who is Who der deutschen Kleinkunst und des Kabaretts, aber das sind eben alles Jungs. Da werde ich in meiner Dankesrede drauf eingehen müssen, das kann ich ja nicht so stehen lassen.
Die Jury sagt, sie seien „prägend für ganze Generationen junger Künstlerinnen“. Fühlen Sie sich selbst als Galionsfigur des weiblichen Humors?
Nein, es gibt wirklich eine Menge sehr guter Frauen im Kabarett und der Comedy. Auch wenn wir bei den privaten Produktionen schauen, haben wir Anke Engelke, Annette Frier oder Carolin Kebekus, die eine grandiose Arbeit macht.
Aber Sie haben schon etwas in Bewegung gebracht. Die „Ladies Night“ ist ja gerade für unbekannte Frauen eine Möglichkeit, ihre Karriere zu starten…
Ich bin quasi die Gleichstellungsbeauftragte des deutschen Kabaretts. Nein, was soll ich sagen? Es hat sich alles so ergeben und es fühlt sich richtig an.
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Mehr Ruhe und weniger Pläne für 2021
Im Januar sind Sie 65 geworden. Auf Ihrer Homepage schreiben Sie „Die Gedanken werden existenzieller, die Action relativiert sich“. Ruhiger wird es bei Ihnen aber nicht, hat man den Eindruck…
Doch, das wird ruhiger. Nächstes Jahr. Ich bin schlecht im Planen. Ich plane mich immer zu und dann wundere ich mich, dass ich auch selber dahin muss. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass mein Körper nicht mehr in der Geschwindigkeit und Schlagzahl zur Verfügung steht wie vor 20 Jahren. Und dass ich mehr Ruhe und ‚Löcher in die Luft gucken‘ brauche. Wenn ich mir die Zeit dafür nicht nehme, rächt sich das, das merke ich schon. Und natürlich hat der Schlaganfall von dem Mann (Jahnkes Verlobter Hajo Sommers, Anm. der Redaktion) die Dinge relativiert; die Perspektive, dass deine ganzen Pläne, die du für selbstverständlich hältst, sich sehr schnell ändern können. Das war schon heftig.
Hat das auch in Ihrer Beziehung etwas verändert?
Auf jeden Fall. Man passt anders aufeinander auf. Ich bin schon eher die Nerverin, die auf die Uhr guckt und fragt ‚Hast du wieder so lange gearbeitet? Müsstest du dich nicht ausruhen?‘ Es ist einfach weniger Rock‘n‘Roll im Haus.
Sie und Hajo Sommers haben sich ja in Stützstrümpfe geschmissen und sind nun Botschafter für den Verein Moyamoya Freunde und Förderer Deutschland…(Moyamoya ist eine krankhafte Verengung der Hirn-Arterien, Anm. der Redaktion)
Ja, wir haben dieses Foto gemacht, das unsere Haltung in Bezug auf die Erkrankung sehr deutlich macht. Ich finde es gut, dass wir das als Paar gemacht haben. Und der Arzt, der den Verlobten behandelt, ist ehrenamtlich bei Moyamoya aktiv. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich werde dem Verein auch die 5000 Euro spenden, mit denen der Kleinkunstpreis dotiert ist. So schließt sich der Kreis wieder.
Frau Jahnke hat eingeladen: 9.5. Krefeld (Seidenweberhaus), 10.5. Paderborn (Paderhalle), 13.8. Köln (Tanzbrunnen), 28.8. Xanten (Strandbad Südsee), 29.8. Wuppertal (Stadthalle), 30.8. Bochum (Zeltfestival), 17.9. Moers (Comedy Arts Festival), 1.11. Mülheim (Stadthalle), 9.11. Essen (Lichtburg). Weitere Termine auf www.fraujahnke.de. Karten ab ca. 31 €. Die Abrechnung: 6.3.-22.3. (6.+22.3. bereits ausverkauft), Ebertbad Oberhausen. Restkarten ab ca. 25 €.