Im Interview erzählt Paul Panzer von schizophrene Neigungen, Männern in Glitzerjeans und seinem neuen Programm.

„Panzer, ich begrüße Sie“ mit diesen Worte wurde Dieter Tappert berühmt. In der Rolle des charmanten Einfaltspinsels Paul Panzerführte er Ahnungslose mit Scherzanrufen im Radio aufs Glatteis. Der Erfolg ebnete ihm den Weg von der Sprecherkabine auf die Bühne. Kirsten Gnoth sprach mit dem 47-jährigen Comedian und seinem Alter Ego über schizophrene Neigungen, Glitzerjeans und sein neues Programm.

Ihr neues Programm heißt „Midlife Crisis“. Stecken Sie selbst in einer?

Paul Panzer: Ja, ich stecke selber drin. Da hätte ich nie mit gerechnet, aber so ist es dann nun mal. Die Kinder sind groß, die Frau ist unterwegs und plötzlich hast du Zeit. Du denkst, der Tag kann kommen und wenn der Tag kommt, hat er dann nichts mehr für dich parat. Und das ist schon eine Tragik. Nicht umsonst habe ich den Untertitel „Willkommen auf der dunklen Seite“ gewählt.

Haben Sie schon ein Rezept gegen die Krise gefunden?

Ich seh’ noch kein Licht am Ende des Tunnels. Man durchläuft ja so verschiedene Phasen. Erstmal versuchst du, dich zwangsweise nicht mit der Krise zu beschäftigen und auf Teufel komm raus abzulenken. Herren mittleren Alters fangen an, sich optisch zu verändern. Die rennen plötzlich in Glitzerjeans durch die Gegend und tragen mit Strasssteinen besetzte Lederjacken. Ich habe angefangen, alle möglichen Aktivitäten auszuprobieren: Tennis, Golf, Squash, selbst Kitesurfen. Dabei bin ich aber schnell an meine körperlichen Grenzen gekommen.

Das heißt, wir dürfen Paul Panzer in Gefahr erleben?

Könnte man so sagen. Bei meinem letzten Ausflug nach Ostende wurde ich 200 Meter von dem Kite über die Strandpromenade geschliffen. Die haben da jetzt ne Route nach mir benannt – die Paul-Route. Man muss sich in dem Alter fragen, welche körperliche Leistung man noch zu bringen im Stande ist .

Sie haben auch von optischen Veränderungen gesprochen. Heißt, dass Sie das Blümchenhemd einmotten?

(lacht) Ich hab das Blümchenhemd noch an, aber es ist schwarz-weiß. Ich habe es sonst immer in Farbe getragen. Man könnte wohl sagen: ‘Der Lack ist ab’. Das ist ein ganz lustiger Effekt. Vor allem, wenn man irgendwo im Fernsehen ist und die Leute anfangen, an ihrem Fernsehgerät zu schrauben, oder einen Techniker rufen. Ich wollte mir jetzt nicht direkt die Haare färben, also hab ich erstmal mit dem Hemd angefangen.

Paul ist ja eher ein Hibbel auf der Bühne. Erleben wir ihn diesmal grübelnd?

Ich habe ja schon immer leicht philosophische Grundtöne mit einfließen lassen. Aber in erster Linie sollen die Leute auch diesmal wieder lachen. Der Grundton ist aber so wie beim Paul immer – leicht melancholisch. Das liegt mir ja dann noch im Blut.

Woher kommen die Ideen für ein neues Programm?

Im Grunde aus dem Leben. Ich bin ja in der schizophrenen Situation, dass ich nicht nur Paul bin, sondern auch noch Dieter. Den nenn’ ich immer den Langweiligen, weil er das normale Leben hat und nicht auf der Bühne steht. Dieter erlebt aber auch Dinge. Man muss nur die Augen offenhalten. Gerade jetzt auch bei der „Midlife Crisis“. Die Menschen um einen herum sind mit einem alt geworden. Die schrägen Aktionen passieren dann im Freundeskreis, auf der Arbeit oder bei Kollegen. Die Aufgabe vom Paul ist es, das in eine Bühnensprache zu transportieren.

Sagt Paul Dinge, die Dieter nicht sagen würde?

Ja auf jeden Fall. Paul zerschreddert erst mal jede Information, baut sie neu zusammen, um sie dann am Ende in der paulesken und völlig übertriebenen Manier zu präsentieren. Aber Humor generiert sich nun mal unter anderem durch Übertreibung. Paul war immer schon weniger Witzeerzähler als denn Geschichtenerzähler und das ist diesmal auch wieder so. Der Dieter wäre da viel zu schüchtern und viel zu gut erzogen, als dass er manche Dinge aussprechen würde. Paul hingegen spricht sie aus.

Gibt es denn Themen, um die selbst Paul einen Bogen macht?

Die ganzen Boulevardthemen haben den Paul nie interessiert. Das fand ich eigentlich immer das schöne an der Figur, so skurril und schräg wie der Paul optisch rüberkommt, haben ihn doch immer die großen Dinge interessiert. Sprich: Der Sinn des Lebens, was die Welt zusammenhält, was Glück ist. Damit habe ich mich in den letzten Programmen ja auch beschäftigt. Paul geht es im Grunde immer um die menschlichen Aspekte. Aber Paul geht nicht in den schlüpfrigen Bereich oder lästert über andere Personen ab.

Paul und Dieter teilen sich einen Körper. Das ist doch bestimmt manchmal schwierig, oder?

Ja schon, weil die Grenze manchmal verschwimmt. Dann wird man als Paul wahrgenommen, wenn man gerade vielleicht gar nicht Paul ist oder umgekehrt. Man teilt sich ja nicht nur den Körper, sondern auch die Befindlichkeiten. Wenn man als Dieter mal keinen guten Tag hat, der Paul aber gleichzeitig den Körper braucht, weil er einen Auftritt hat, dann ist es schon schwierig. Aber dabei hilft einem die Erfahrung über solche Momente hinweg. Ich bin ja schon über 20 Jahre auf der Bühne. Aber manchmal habe ich die Brille sogar als Dieter auf und merke es nicht, bis mich meine Familie daran erinnert. Ich weiß aber auch nicht, wer ganz am Ende übrig bleibt – nicht, dass der Paul sich durchsetzt und der Dieter ganz verschwindet.

Gibt es Dinge, die Paul von Dieter lernen kann und anders herum?

Der Paul hat das Herz auf der Zunge und spricht auch Dinge aus, die vielleicht nicht politisch korrekt sind. Als Dieter denke ich dann immer: ‘Wenn mehr Leute das sagen würden, was keiner von ihnen erwartet, dann würde das vielleicht ein neues Diskussionsklima erzeugen. Aber das ist natürlich Wunschdenken. Umgekehrt hat Paul von Dieter solche Dinge mitbekommen, wie, dass man pünktlich und höflich ist. Wenn man prominent ist, geht das manchmal verloren. Aber das Bodenständige hat der Paul von Dieter.

Bewahren Sie sich als Dieter Ihre Privatsphäre durch Paul?

Man sagt ja immer, dass man den Leuten nur vor den Kopf guckt und so ist das auch. Wenn ich im Supermarkt mit Paul angesprochen werde, dann spiele ich das Spiel mit. Dann ist der Dieter im Hintergrund und Paul ist präsenter.

Nach welchem Muster haben Sie Paul erschaffen?

Ich wollte die großen Themen auf der Bühne rüberbringen, fand es aber gleichzeitig reizvoll, dass nicht mit einer optisch souveränen Person zu machen. Ich wollte eine Figur, der man erst mal nicht Themen wie den Sinn des Lebens oder den Klimawandel abnimmt. Ich wollte eine Figur mit Schwäche, so ein bisschen wie Columbo. Ich wollte keinen, der sich über das Publikum erhebt und sagt ‘Ich bin der große Superstar’. Ich wollte jemanden, der auf Augenhöhe ist. Ich wollte jemanden mit Schwächen und jemanden, der auch morgens den Müll rausbringen muss.

Angelegt war der Paul fürs Radio. Wie war der Sprung von der Sprecherkabine auf die Bühne?

Im Radio muss die Stimme prägnant sein, wegen des Wiedererkennungswertes und so kam dann der Paul. Auf einer großen Veranstaltung hatte der Paul dann einen kleinen Auftritt. Die Leute mochten ihn und so ging es weiter. So hat sich der Paul in mein Leben gemogelt und jetzt ist er fast wie ein Bruder.

Auf ihrer aktuellen Tour spielen Sie fast jeden Tag woanders. Nun gehen Sie und Paul auf das Ende der 40er zu. Geht das straffe Programm an die Substanz?

Die Bühne ist meine große Liebe und die Dinge, die man gerne tut, fallen einem auch leichter. Wenn ich jeden Tag an einem anderen Ort einen Schacht für Wasserleitungen ausheben müsste, würde ich es irgendwann nicht mehr schaffen. Man bekommt in meinem Beruf aber sehr viel vom Publikum zurück und das stärkt schon. (In dem Moment übernimmt Paul wieder die Kontrolle) Doch gerade in der Midlife Crisis merkt man körperlichen Verschleiß. Vor ein paar Tagen hat meine Tochter (Susaska, Anm. d. Red.) gesagt: ‘Mach doch mal einen Handstand’. Das hab ich seit 20 Jahren nicht gemacht. Die ersten zehn Minuten haben meine Arme gezittert, als hätte ich gegen einen Weidezaun gepinkelt. Dann steht man da und denkt die Socken rutschen, aber eigentlich sind es die Waden, die in Richtung Hüfte wandern. Was körperlich passiert, ist ein großes Abenteuer.

Dann drücken wir Ihnen die Daumen, dass Sie sich doch noch aus der Krise retten können.

Ich bin da guter Hoffnung. Wenn es einer schafft, dann Paul. Und wenn es Paul schafft, kann es jeder.

Termine: 21.11. Wesel (Niederrheinhalle), 23.11. Hagen (Stadthalle, Restkarten), 5.12. Bielefeld (Stadthalle), 6.12. Gelsenkirchen (Emscher-Lippe-Halle), 7.12. Siegen (Siegerlandhalle), 13.+14.12. Dortmund (Westfallenhalle 2). Weitere im kommenden Jahr, u.a. in Essen (4.4.) und Bochum (17.5.).

Karten ab ca. 36 €.