Berlin. Bei Markus Lanz wird wieder einmal über Migration diskutiert. Vor allem die Aussagen des Moderators sorgen dabei für Stirnrunzeln.

In Deutschland, da gibt es sechs Jahreszeiten, schrieb der freie Journalist und Autor Mohamad Amjahid vor gut einem Jahr in der „taz“. „Winter, Frühling, Sommer, Herbst, Karneval und Migrationsdebatten.” Diese sind ein (wichtiger) Dauerbrenner in den Medien, bei Wahlkämpfen, im politischen Alltag. Nur Markus Lanz scheint das nicht bewusst zu sein, wie er am Mittwochabend in seiner Talkshow unter Beweis stellte.

„Seit 2015 spricht man über nichts mehr als das Thema Migration in deutschen Talkshows. Und Markus Lanz fragt gerade Kevin Kühnert, warum uns das jetzt erst einfällt”, wundert sich auch ein Zuschauer der gestrigen Folge via X. 

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Kühnert weist Lanz-Aussage sofort zurück

Und tatsächlich. Die Art und Weise, wie Lanz SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert auf die neuesten Entwicklungen beim Thema Migration, wie zum Beispiel das Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz, ansprach, wirkte ziemlich komisch, implizierte sie doch, dass die Regierung nun zum ersten Mal überhaupt über das Thema sprechen würde.

Ein Vorwurf, den Kühnert sofort zurückwies. „Ich bestreite deutlich und mit Nachdruck, dass nichts passiert sei und alle die Hände im Schoß gehabt hätten”, empörte er sich. Allein die Ampelregierung habe in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Gesetzesverschärfungen auf den Weg gebracht, die Ende Februar in Kraft traten.

Kühnert zu Lanz: Es muss nicht immer die Apokalypse sein

Als Beispiel nannte Kühnert eine neue Regelung, die es Beamten erlaubt, bei einer Abschiebung in Gemeinschaftsunterkünften nicht nur das Zimmer des Gesuchten, sondern auch Nachbarräume durchsuchen zu dürfen. Außerdem dürfe seitdem der Abschiebegewahrsam von zehn auf 28 Tage ausgeweitet werden. „Das Maximum, was europäisches Recht erlaubt“, betonte Kühnert.

Natürlich seien dadurch nicht alle Probleme gelöst und er wolle auch gar nicht bestreiten, dass das System „grobe Probleme und Fehler” habe, doch auch positive Konnotationen müsse erlaubt sein, befand Kühnert. „Wenn wir nicht anerkennen in der politischen Diskussion, dass Fortschritte zwischendurch passieren, dann werden unsere Diskussionen nur unbefriedigte, wütende und zukunftsverdrossene Menschen zurücklassen”, erklärte er Markus Lanz. Man müsse nicht allen „die Apokalypse auf die Nase binden”.

Precht mischt sich ein: Behörden überfordert

Allerdings, warf Autor und Lanz-Podcast-Kompagnon Richard David Precht ein, sei der aktuelle Zustand der Migrationspolitik auch ein Beweis für die „enorme Überforderung der Behörden”. Ihnen fehle schlichtweg das Personal, um alle Aufgaben einwandfrei zu erfüllen. Eine „Generalentschuldigung”, die Kühnert nicht gefiel. Natürlich sei mangelndes Personal ein großes Problem, doch es könne nicht sein, dass deswegen „gar keine Maßnahmen getroffen werden”. Im Fall des Attentäters von Solingen seien einige Schritte, wie zum Beispiel die Kürzung von Leistungen, schlichtweg nicht angewendet worden.

Auch der Journalist Eren Güvercin betonte: „Migrationspolitische Herausforderungen sind keine neuen Herausforderungen.” Nach dem Anschlag wolle die Politik in seinen Augen Handlungsfähigkeit simulieren, erst recht mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Doch ein Thema werde dabei überhaupt nicht thematisiert, kritisierte Güvercin. Der Islamismus

„Terroristen halten sich nicht an Messerverbotszonen”

Dieser sei bereits „deutsche Realität”, betonte Güvercin und lasse sich nicht durch Abschiebungen lösen. Er habe seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eine „massive Enthemmung” der islamistischen Szene beobachten können, durch die insbesondere junge Menschen früh radikalisiert werden. Statt immer neuer Verbote und Regelungen wünschte er sich von allen Parteien eine „viel tiefere Auseinandersetzung mit den ideologischen Hintergründen der Täter.” Auch dieses Thema müsse seiner Ansicht nach ein Teil der Debatte werden, denn: „Terroristen halten sich nicht an Messerverbotszonen”, betonte er.

Klar ist: die innenpolitische Debatte darüber, wie sich die Asyl- und Migrationspolitik nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen verändern muss, läuft (wieder einmal) auf Hochtouren. Wahrscheinlich auch bald wieder bei Markus Lanz.