Essen. Auch die zweite Staffel der „Game Of Thrones“-Vorgeschichte „House Of The Dragon“ macht aus dem Fantasy-Epos ein weibliches Ringen.
Schon die erste Staffel von „House Of The Dragon“ war eine überraschend weibliche Angelegenheit. Wie die Erfolgsserie „Game Of Thrones“ ereignete sich zwar auch die 200 Jahre früher spielende Vorgeschichte um den Fall des Herrscherhauses Targaryen in einer von Männern dominierten Fantasy-Welt. In der werden mit Schwert und feurigem Drachenatem blutige Fakten geschaffen, adelige Frauen sollen lediglich Thronfolger gebären.
Doch die Serienmacher legten die Erzählung als Aufstiegsgeschichte zweier Kindheitsfreundinnen an, die später zu Rivalinnen werden: Auf der einen Seite Alicent Hohenturm (Olivia Cooke), die zur zweiten Frau von König Viserys Targaryen (Paddy Considine) wird, für den kränkelnden Regenten einspringt und dem König den bislang ausgebliebenen männlichen Erben schenkt. Und auf der anderen Seite Rhaenyra Targaryen (Emma D’Arcy), Tochter des Königs und gegen die Tradition von diesem zur Thronfolgerin bestimmt. Während die beiden Frauen auf ihrem Weg an die Spitze von allerhand skrupellosen Intriganten und hitzköpfigen Testosteron-Bolzen umgeben sind, zweifeln sie, wägen ab, ringen mit sich und ihrer Welt, ohne sich beiseite schieben zu lassen. Diese weibliche Stärke – in „Game Of Thrones“ vorhanden, aber eine Randerscheinung – stand im Zentrum von „House Of The Dragon“. Nicht zufällig waren einige der eindrucksvollsten Szenen der ersten Staffel nicht monumentale Schlachtenbilder, sondern zerbrüllte, blutige Geburtsszenen.
„House Of The Dragon“: Rhaenyra Targaryen will den Eisernen Thron zurück
Auf diesem Pfad geht die zweite Staffel von „House Of The Dragon“ weiter: Nachdem Alicent ihren Königsgemahl auf dem Sterbebett missverstanden und den gemeinsamen Sohn Aegon Targaryen II auf dem Thron installiert hat, tötet Alicents anderer Sprössling Aemond Targaryen unbeabsichtigt mit seinem riesigen Drachen Rhaenyras Sohn Lucerys – und nun stehen die Zeichen endgültig auf Erbfolgekrieg, in dem sich die beiden Matriarchinnen gegenüberstehen. Rhaenyra fordert im schmerzvernebelten Zorn den Kopf von Aemond. Was sie an Shakespeare‘schem Drama bekommt, beschleunigt den aufziehenden Schrecken nur noch.
Wie schon in der ersten Staffel, die gut die Hälfte ihrer zehn Folgen als Anlauf brauchte, ist auch in den neuen Episoden das Erzähltempo zunächst gemäßigt – vielleicht soll der Zuschauer genug Zeit zum Verdauen der stets komplexen Verwandtschafts- und Allianzverhältnisse haben, vielleicht wollen die Serienmacher auch nicht zu schnell zu viel von der Buchvorlage „Feuer und Blut“ von George R. R. Martin verbrauchen. Viele Szenen sind unspektakuläre Kammerspiele zwischen Herrschern und Herrscherinnen, Beratern, Geliebten und potenziellen Verbündeten. Intrigen und Allianzen werden geschmiedet, nächste Schachzüge geplant. Und wieder sind es die Frauen (und nicht nur die beiden Hauptfiguren), die die dramatischsten Momente prägen, deren Emotionen man förmlich schmecken kann und die inmitten der Hitze des sich anbahnenden Schlachtens noch den kühlsten Kopf bewahren. Die stärkste Figur auf dem Schachbrett war schon immer die Dame.
Großes Schlachten-Epos, das vor allem mit seinen Drachen beeindruckt
„House Of The Dragon“ bleibt dabei natürlich trotzdem bildgewaltige Massen-Unterhaltung mit epischen Kampfszenen. Und ja, in denen mischen endlich auch die Drachen mit. Leider spürt man ihre Präsenz wie auch die großen Festungs-Panoramen der Serie nicht körperlich; die Digitaltechnik ist schon weit, die Magie der gigantischen Fabelwesen bekommt sie aber noch nicht verlustfrei auf die Leinwand. Die Schauwerte der prunkvoll eingerichteten Interieurs und kunstvoll verzierten Rüstungen dagegen übertreffen teils sogar die von „Game Of Thrones“.
Schauspielerisch wiederum befindet sich „House Of The Dragons“ in der Aufholjagd: Selbst die Hauptdarstellerinnen haben noch Luft nach oben, vor allem aber ist die Serie nicht bis in die letzten Nebenrollen so überzeugend besetzt wie einst „Game Of Thrones“. Charismatische Fan-Lieblinge wie die dort stark aufspielenden Peter Dinklage (Tyrion Lennister) oder Rory McCann (Sandor „Der Hund“ Clegane) fehlen „House Of The Dragon“ noch. Matt Smith gibt als Daemon Targaryen (Bruder von König Viserys und Mann von Rhaenyra) aber schon einen patenten Halb-Schurken, und Ewan Mitchells Aemond Targaryen wirkt als lauernder einäugiger Krieger mit Augenklappe wie ein mittelalterlicher Bond-Bösewicht.
Gegen den Streaming-Trend: Sky zeigt „House Of The Dragon“ wöchentlich
Als abschließendes Urteil darf man das alles noch nicht verstehen: Vorab gab es nur vier der acht neuen Folgen zu sehen, mutmaßlich aus Angst, es könnten Details zur Geschichte durchsickern. Was diese zweite Staffel „House Of The Dragon“ wirklich taugt, wird sich also erst Anfang August zeigen, wenn die letzte Folge gelaufen ist – die US-Serien-Hitschmiede HBO („Die Sopranos“, „The Wire“) veröffentlicht die Staffel nicht geballt, hierzulande erscheint ab dem 17. Juni wöchentlich am Montag bei Sky und Wow eine neue Episode.