Der China-„Tatort“ bot kaum mehr als Münster süß-sauer
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Essen. Der „Tatort“ aus Münster steht für Comedy. Boerne und Thiel sind das klassische Gegensatz-Paar der Komik. Doch diesmal kommt der Krimi ernst daher. Der Fall verbindet Provinz und große Politik. Kann das gut gehen?
Hat man je erlebt, dass Boerne zu seiner kleinstwüchsigen Assistentin „Frau Haller“ sagt und nicht „Alberich“? Aber das passt zum Ton im neuen Münsteraner Tatort„Die chinesische Prinzessin“ (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr): Der Schnösel aus der Gerichtsmedizin muss nicht nur kleine Brötchen backen, weil er unter Mordverdacht gerät. Die ganze Tonlage ist ungewöhnlich ernst für die Polizeikasper Prahl und Liefers. Und was soll man sagen: Es geht schief.
Ein Blick unter die Bettdecke
Dabei startet auch dieser Fall erstmal ausgesprochen heiter. Thiel (Axel Prahl) feiert seinen Geburtstag auf dem heimischen Sofa mit Barolo aus Bierseideln bis zum Anschlag und seiner Assistentin Nadeshda (Frederike Kempter). Am Morgen wacht er auf, und weil er sich an nichts erinnern kann, die Kollegin aber über Nacht in der Wohnung war, beschleicht ihn ein schummriges Gefühl. Zumal ihm ein Blick unter die Bettdecke signalisiert, dass die Unterhose futsch ist. Diesem Prahl bei der schrittweisen Wahrheitsfindung zuzusehen, ist schon ein Vergnügen.
Die Büros der Tatort-Kommissare
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Auch Boerne (Jan-Josef Liefers) ist zu Beginn ganz der Alte. Auf einer Vernissage verführt er eine chinesische Künstlerin, indem er mit Kniefall und ein paar überzüchteten Sprachversuchen protzt, die so lächerlich sind, dass sie nur in einer Komödie zum gewünschten Ziel führen können. Wie die beiden nun ausgerechnet in der Leichenhalle der Gerichtsmedizin zwischen entnommenen, eingelegten Organen und frisch geputzten Toten in Stimmung und dann zur Sache kommen, als sei’s die Hochzeitssuite im Adlon, das ist, Verzeihung, urkomisch.
Autoren ziehen Stecker aus Humorleitung
Dann allerdings muss es ein Krimi werden, und der geht furchtbar in die Hose. Die Künstlerin, offenbar eine Kritikerin ihrer heimatlichen Verhältnisse, liegt plötzlich tot auf der Pritsche, und der arme Boerne, vollgepumpt mit Kokain, weiß nicht, was los war. Das Schlimmste, was für einen Münsteraner „Tatort“ denkbar ist, wird Wirklichkeit: Thiel hilft ihm freundschaftlich aus der Klemme, und die beiden streiten fortan eigentlich über nichts mehr.
Auf einmal ziehen Regisseur Lars Jessen und Autor Orkun Ertener den Stecker aus der Humorleitung und verstricken die Helden in eine staubtrockene Geschichte, über deren Aufführung man nur dann und wann schmunzelt, weil die chinesischen Darsteller, die uns nun im Dutzend begegnen, eine schauspielerische Dramatik aufbieten, als sei der Stummfilm wieder auferstanden.
Ballerei im Lagerhaus
Natürlich behalten Thiel und Boerne letztlich den Überblick, aber was das Drehbuch da um verfolgte Uiguren, zwielichtige Diplomaten mit Pistolen und Triaden-Gangster auf der Jagd nach einem 1000 Jahre alten Buch auftürmt, ist einfach nur wirr und sterbenslangweilig, je länger man hinsieht. Fehlt nur noch Hühnchen süß-sauer, dann wären alle Klischees versammelt. Bei einer Ballerei am Ende in einem Lagerhaus geht immerhin -- Achtung, China-Gag! – ein Feuerwerk hoch. Sonst zündet hier nichts mehr.
Die Tatort-Kommissare
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Die rekordreife Sympathiewelle, auf der die Münsteraner seit Jahren surfen, dürfte dadurch kaum abebben. Ohne ein gescheites Drehbuch saufen aber selbst die Herren Thiel und Boerne ab.
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