Essen. Eine Politiksendung speziell für Jugendliche - ein guter Ansatz der ARD. Bei “Überzeugt uns! Der Politiker-Check“ hat das Erste aber an vielen Stellen bewiesen, dass eine gezwungen auf jung gemachte Sendung auch peinlich werden kann. Ein Politiker konnte das Publikum am Ende trotzdem überzeugen.
Politikverdrossenheit und ein immer höher steigender Anteil Nichtwähler – das sind die Symptome eines Wahlkampfes, in dem Parteien keine konkreten, konstruktiven Äußerungen wagen. Für einen Bundestagswahlkampf, in dem Oberflächlichkeiten und Phrasendrescherei an der Tagesordnung liegen, der in einer an Unverschämtheit grenzender Weise durch nichtssagende Wahlplakate die intellektuelle Inkompetenz der Bürger suggeriert. Wie Marktwerber buhlen sie um die Wähler, die sich an inhaltlose Werbekampagnen konsumorientierter Firmen erinnert fühlen müssen.
Da wundert es nicht, dass insbesondere Jugendliche sich als Spielball der Politiker empfinden, die am Ende nur ihren persönlichen Profit im Auge haben und sich in Worthülsen und leere Versprechungen wickeln. Auf die Idee, diese Zielgruppe durch auf sie abgestimmte Formate zum Wählen zu animieren, ist nicht nur die ARD gekommen: Die dort Montagnacht ausgestrahlte Sendung „Überzeugt uns! Der Politiker-Check“ hatte mit ihrem Sendetermin von 22.30 Uhr bis Mitternacht allerdings wenig Chance, ihre Zielgruppe tatsächlich zu erreichen.
Junge Moderatoren konnten bei "Überzeugt uns!" in ARD nicht mithalten
Das Konzept der Show klang zunächst interessant: Je ein Vertreter der CDU, SPD, CSU, FDP, Grünen und Linken sollte mit den anderen Politikern über Wahlkampfthemen diskutieren. Das sollte möglichst eindrücklich und aussagekräftig geschehen, denn per Telefon-Voting sollten die Zuschauer entscheiden, wer am Ende der überzeugendste Diskussionsteilnehmer war.
Daraus entstand eine durchaus Potenzial besitzende Gruppe um Umweltminister Peter Altmaier (CDU), Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD), Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), Parteichefin Claudia Roth (Grüne) und den Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi (Linke).
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Um das Spektakel jugendfreundlich zu gestalten, bedienten sich die Programmchefs einiger vermeintlicher Unterhaltungs-Garanten. Dieses Konzept lief allerdings gewaltig schief, und das von Anfang an. Die Moderatoren, bewusst jugendlich gewählt, konnten kaum mit den versierten Rednern der Diskussionsrunde mithalten.
Versuchte Katrin Bauerfeind oder ihr Kollege Ingo Zamperoni, einen zu ausführlich schwadronierenden Sprachführer zu unterbrechen, redete ein Peter Altmaier oder eine Ilse Aigner gerne mit gesteigertem Stimmvolumen über den Einwand hinweg. So sympathisch dieses Moderatoren-Duo den jugendlichen Zuschauern auch erschienen haben mag, so waren sie ihrer Aufgabe zu oft nicht gewachsen und kamen ins Straucheln.
Peinliche Einspieler und Twitter-Botschaften unterbrachen die Diskussion
Die Diskussion selbst drehte sich um die zentralen Wahlkampfthemen. Arbeitsmarktchancen, Mindestlohn, Ausbildungsplätze, Rente, Betreuungsgeld und Kita-Plätze – auch der NSA-Skandal wurde kurz behandelt. Von Vornherein war da klar, dass hier keine tieferen Analysen möglich sein würden, bei gerade mal anderthalb Stunden Sendezeit.
Vielleicht hätte sich aus der sehr leidenschaftlichen Diskussion aber doch noch etwas mehr für den Zuschauer ziehen lassen können, wäre sie nicht immer wieder unterbrochen worden durch Einblendungen von Twitter-Botschaften, unlustigen, sehr bemühten und dabei überaus peinlichen Einspielern und dem sogenannten Speed-Dating, bei denen die Banalität des Sendungskonzepts endgültig der Lächerlichkeit preisgegeben wurde.
Angestrengt auf jugendlich, „cool“ getrimmt wirkten diese Showelemente, in denen sich schließlich mehr über die Politiker lustig gemacht als konkreter Inhalt vermittelt wurde. Volker Beck wurde genötigt, mit dem Moderator zu rappen, Merkels Wahlkampfauftritt als Bühnenshow des CDU-Tang-Clans auf die Schippe genommen und Manuela Schwesig gefragt, ob sie durch ihr Aussehen im Job weitergekommen wäre. Als hätte es eine Sexismus-Debatte nie gegeben. Insgesamt wirkten die Fragen, die vom Social Media Publikum an die Politiker weitergegeben wurden, als hätte sie ein völlig uninformierter Politik-Novize ausgewählt, weshalb die Antworten der Politiker allzu oft mechanisch abgespult klangen.
Einzelne leidenschaftliche Wortduelle als Highlight von "Überzeugt uns!"
Der Polit-Sendung zu Gute kamen dagegen die aus dem Leben gegriffenen Paradebeispiele für die Missstände in manchen Gebieten der Politik. Der ausgebildete Verkäufer, der arbeiten will, aber nur eine zu niedrig bezahlte Teilzeitstelle bekommt und die arbeitstätige Mutter, die keine geeignete Kindertagesstätte findet, aber auch nicht zuhause bleiben will, wirkten als ehrliche und unverstellte Bürgermeinungen ein auf die Diskussionsrunde. Prompt entstand so manches leidenschaftlich ausgeführte Wortduell, in dem die Konkurrenten bisweilen aufeinander losgingen wie zornige Streithähne, die einander mit bis ans Schreien grenzender Stimmkraft zu übertönen versuchten.
Bei diesen Faktoren war abzusehen, dass das Ergebnis der Telefon-Abstimmung deutlich machen würde, wer in der Runde am meisten Charisma, am meisten Redegewandtheit und am meisten Geschick im Umgang mit seinen Opponenten hatte. Daniel Bahr, dem der Zorn allzu häufig ins Gesicht geschrieben gestanden hatte, bekleidete dann auch den letzten Platz – mit 5 Prozent der Anrufer unterlag er Claudia Roth auf Platz fünf, Ilse Aigner auf Platz vier, Peter Altmaier auf Platz drei und Manuela Schwesig, die – hoffentlich nicht nur durch ihre äußere Erscheinung – mit 29,7 Prozent auf Platz zwei landete.
Es wunderte nicht, dass Gregor Gysi schließlich als Gewinner des Abends hervorging, der sich bei weitem am Elegantesten durch die Argumentationskämpfe gewunden hatte. Mit 45,3 Prozent der Zuschauerstimmen ging er als Sieger hervor - zumindest an diesem Abend.