Essen. Ist der Schlager die Rettung oder der Untergang von DSDS? RTL will für das schwächelnde Casting-Format am großen Rad drehen. Dabei stehen alle Zeichen auf “Deutschland sucht den Schlagerstar“ - mit Andrea Berg in der Jury neben Dieter Bohlen. Doch die Neuausrichtung von DSDS birgt viele Gefahren. Eine Analyse.
Viel ändern müsste RTL ja nicht. Die Abkürzung und Marke DSDS hätte weiter Bestand. Und aus "Deutschland sucht den Superstar" wird einfach "Deutschland sucht den Schlagerstar". Doch so einfach wird das mit der Rettung des einstigen Casting-Show-Flaggschiff DSDS nicht. Der Quoten-Riese ist längst ins Schwanken geraten. Die Zuschauerzahlen sind in den letzten Staffeln massiv gesunken.
Selbst der Jury-Kapitän Dieter Bohlen muss sich das Ruder jetzt mit den RTL-Bossen teilen, die bei der künftigen Ausrichtung am "großen Rad" drehen wollen, sogar von einem "Bohlen-Overkill" sprechen und Bohlen damit kräftig vor den Bug schießen. Als einziger Rettungsanker für DSDS scheint sich derzeit die Konzentration auf den Schlager heraus zu kristallisieren. Doch langfristig könnte sich die Idee zum Bumerang entwickeln.
Andrea Berg verstärkt die DSDS-Jury
Was ist derzeit geplant? Andrea Berg nimmt am kommenden Samstag in der siebten DSDS-Mottoshow einmalig als Schlager-Expertin in der Jury Platz. Auf Wunsch von Dieter Bohlen, der sich damit mehr Musiksachverstand bei der Bewertung von Schlager-Sternchen Beatrice Egli erhofft - eine quasi Bankrott-Erklärung für die aktuelle Jury und ein spitzer Seitenhieb Richtung Mateo und den Kaulitz-Brüdern, mit denen Bohlen offenkundig nur recht selten auf einer Wellenlinie liegt.
Was Bohlen bislang in den DSDS-Shows kaum erwähnte, ist seine eigene Rolle als ausgewiesener Schlager-Fachmann. In seiner Karriere produzierte er nicht nur Hits für Andrea Berg, sondern auch für Semino Rossi, Peter Alexander, Nino de Angelo, Roy Black, Howard Carpendale, Katja Ebstein, Roland Kaiser, Rex Gildo, Roger Whittaker und Engelbert. Eine Tatsache, die eigentlich gar nicht zu dem Image eines Pop-Titans passt, mit dem Bohlen bei DSDS bisher so gerne spielte.
In einem Bild-Interview zur Produktion von Andrea Berg sagte Dieter Bohlen vor Jahren: „Da war ich verblüfft. Schlager und ich? Aber ich hatte schon immer eine Affinität dazu. Entweder man macht gute Musik oder Scheiß-Musik. In welchem Segment ist ja egal. Hauptsache man macht sein Ding gut.“
Schlager-Jury würde Zuschauer-Quote kurzzeitig steigern
Aber ist dieses Konzept auch auf DSDS übertragbar? Mit Andrea Berg und der laut Gerüchten zweiten Wunsch-Kandidatin Helene Fischer würde Dieter Bohlen seine Jury komplett umformieren. Das dürfte erstmal eine völlig neue Zuschauer-Zielgruppe erschließen, denn gerade im Schlager-Business gelten die Fans als besonders treu. So hatte Helene Fischer erst kürzlich als Moderatorin kräftig mitgeholfen, die Echo-Verleihung aus ihrem Quoten-Tief zu holen.
Doch schon bei den Castings fängt es an. Das bisherige Konzept bei DSDS war es neben einigen brauchbaren Kandidaten, die völlig talentfreien Bewerber vor einem Millionenpublikum lächerlich zu machen. Dazu die Sprüche von Dieter Bohlen wie "Ich kann nicht mal sagen, dass das scheiße war, das war schlechter. Wenn du mir 'nen Affen mitgibst für ein halbes Jahr, dann singt der besser" oder "Du kneifst die Augen zusammen wie ich beim Kacken". Kaum vorstellbar, dass die Schlagerstars Helene Fischer und Andrea Berg da miteinstimmen.
DSDS-Konzept mit "Sex sells" ist nichts für die "Heile-Schlager-Welt"
Dann geht es bei DSDS zum Recall an einen Traumstrand, wo die Kandidaten ihre sexy Seite zeigen - am besten noch mit realen Sex-Storys und Playboy-Shootings. Selbst bei den Live-Shows wird es nicht besser, wenn Jury und Moderator vor einem Millionenpublikum äußerst plump auf die Oberweite von Beatrice Egli oder Sexpraktiken von Ricardo Bielecki anspielen.
Da sollen sich all die Fans, die sonst die "Heile-Welt"-Atmosphäre aus der Schlager-Szene bevorzugen, wohlfühlen? Damit würde sicherlich ein Teil der neuen Zielgruppe wieder flöten gehen. Und das DSDS-Stamm-Publikum dürfte auch nicht gerade erfreut sein, wenn künftig nur noch Schlager-Hits und nichts aus den aktuellen Charts gesungen wird. Damit würde sich DSDS einmal mehr in eine Abwärtsspirale bei der Zuschauerquote begeben.
Die Stärken einer Castingshow
DSDS ist letztlich nur zu retten, wenn sich das Format auf die eigentlichen Stärken einer Castingshow besinnt - das sind gute Sänger, eine spannungsgeladene Dramaturgie und eine glaubhafte Jury - in welcher Besetzung auch immer. Mit oder auch ohne Dieter Bohlen.