Essen. Famos: In „Freundschaft auf den zweiten Blick“ soll ein Witwer nicht den Anschluss ans Leben verpassen. Dafür hat dessen Frau beizeiten gesorgt
Auf den ersten Blick wirkt „Freundschaft auf den zweiten Blick“ (Freitag, 25. März, 20.15 Uhr, ARD), diese schöne Tragikomödie, über eine äußerst widerwillige Freundschaft wie eine Variation der Sat.1-Serie „Nachricht von Mama“: Ein verwitweter Optiker bekommt gewissermaßen Lebenshilfe aus dem Jenseits, weil die Gattin geahnt hat, dass er sich nach ihrem Tod in ein Schneckenhaus verkriechen würde. Deshalb erreichen ihn einen Monat nach ihrem Ableben wie durch Zauberhand regelmäßig Videobotschaften, in denen Marlene (Teresa Harder) ihre „letzten Wünsche“ formuliert: Erst wird ihm ein Hund geliefert, damit er regelmäßig vor die Tür kommt, dann soll er einen Tanzkurs besuchen. Außerdem bittet sie ihn, die kleine private Sternwarte auf dem Dach fertigzustellen und Schulkinder zum Besuch einzuladen. Eine Yogastunde steht ebenfalls auf dem Programm.
Freundschaft auf den zweiten Blick: Ziemlich unherzlicher Empfang für den schnöseligen Regionalleiter
Dabei hat Elmar Kern (Jürgen Heinrich), Ende sechzig, ganz andere Probleme: Damit das Ehepaar mehr Zeit für sich hat, haben die beiden die Hälfte ihres Leipziger Ladens in bester Lage der bundesweiten Kette „Weitblick“ überlassen. Das Datum der Übergabe hat Elmar völlig vergessen, Überraschungen mag er ohnehin nicht, und deshalb bereitet er dem schnöseligen Regionalleiter aus Berlin einen ziemlich unherzlichen Empfang. Aber Vertrag ist Vertrag, und deshalb tauscht Frank Wolf (David Rott) die verstaubte Einrichtung („wie vor der Wende“) erst mal gegen das Standardinventar der Kette aus.
Weil Elmar das Geschäft weiterhin führen soll, muss er an einem Seminar für Filialleiter teilnehmen, wo seine Verkaufsmethoden alter Schule nichts mehr gelten: Bei Weitblick geht es nicht um Kundenbindung, sondern darum, möglichst viel zu verkaufen.
Autor Michel Birbæk erzählt also im Grunde zwei Geschichten, die jeweils auch für sich funktioniert hätten; doch erst die Kombination der beiden Ebenen macht aus „Freundschaft auf den zweiten Blick“ einen immer wieder witzigen, hintergründig aber auch ziemlich melancholischen Film, denn Überflieger Frank, dem die Beförderung zum Gebietsleiter winkt, hat erhebliche Eheprobleme: Weil ihm die Karriere stets wichtiger war als das Familienleben, hat ihm seine Frau (Anna Maria Sturm) buchstäblich den Koffer vor die Tür gestellt; nun nächtigt er im Laden auf dem Sofa, das er eigentlich als Erstes rauswerfen wollte.
Mit viel Gefühl für Zwischentöne sorgen Birbæk und Regisseur Holger Haase, der zuletzt vorwiegend für die sehenswerte ZDF-Reihe „Ella Schön“ (mit Annette Frier als autistische Juristin) gearbeitet hat, für eine vorsichtige Annäherung der beiden Männer.
Ein freundlicher Labradoodle namens Sportsfreund
Dass Frank auch seine guten Seiten haben muss, offenbart seine prompte Begeisterung für den Hund, einen freundlichen Labradoodle, den Elmar in Ermangelung eines besseren Namens kurzerhand Sportsfreund nennt. Frank hat keine Ahnung, dass Elmars Frau gestorben ist, und interpretiert dessen Andeutungen flapsig als „Ärger im Paradies“. Als klar wird, dass die Männer nicht nur geschäftlich, sondern auch privat so etwas wie Schicksalsgefährten sind, beginnen sie endlich, Sympathie füreinander zu empfinden: Der eine trauert der Vergangenheit nach, der andere hat stets für die Zukunft gelebt; nun besinnen sich beide auf die Gegenwart. Und wie der Zufall im Film gern spielt, interessiert sich auch Frank leidenschaftlich für Astronomie.
Gespielt ist das alles famos, aber die eigentliche Qualität des Films liegt in der Kombination von Komödie und Tragödie. Gerade die Zwiegespräche zwischen Elmar und seiner Frau sind in dieser Hinsicht sehr gelungen, weil Marlene all seine Einwände vorwegnimmt. Jürgen Heinrich sorgt dafür, dass die Szenen, in denen er Marlenes Wunschliste abbaut, aller Trauer zum Trotz regelmäßig für großes Amüsement sorgen.
Bewertung: Vier von fünf Sternen