Essen. Er war mit Spannung erwartet worden, der Tatort „Wer bin ich?“ am Sonntag. Die Folge mit Tukur & Co. wurde zum Juwel im Krimi-Einerlei.



„Wer bin ich?“ – dieser „Tatort“ dürfte die Fernsehkrimi-Nation spalten. Die Eisernen, die allenfalls mit den Albernheiten aus „Münster“ leben können, ansonsten aber Ausflüge ins Skurrile oder gar Absurde in ihrem heiligen „Tatort“ hassen, werden die Fernbedienung wutentbrannt in die Ecke gefeuert haben. Wer für Experimente offen ist und das abgründig Abwegige schätzt, der wird seinen Heidenspaß an dieser Folge gehabt haben. Der Hessische Rundfunk hat Ulrich Tukur schon mit „Im Schmerz geboren“ den alles überragenden „Tatort“ schlechthin gegönnt. Und auch jetzt hat er einen Volltreffer hingelegt. Schade nur, dass Tukur diesen Kommissar Murot logischerweise nicht mehr spielen kann: jetzt wo sich die Rolle vom Schauspieler in der wunderbaren Schlussszene gelöst hat.

Was waren die Highlights dieses „Tatorts“?

Tukur selbst. Wie er diesen langsam in Verzweiflung versinkenden Ulrich Tukur spielt, der gar nicht glauben kann, wie sich dieses Drama um ihn herum entwickelt, das 90 Minuten lang an einen Albtraum erinnert: Spitzenklasse.

Die Kollegen. Wolfram Koch als selbstverliebter Schauspieler, als eitler Fatzke, der sich allenfalls für den hübschen Zimmerservice, seine drittklassigen Witzchen und die Knarren interessiert, die er in seiner Rolle als Frankfurter „Tatort“-Kommissar abfeuern darf: hinreißend. Martin Wuttke als jammernder Kollege mit abgeschlossener Leipziger „Tatort“-Historie und unübersehbaren Geldproblemen: fast noch besser. Tukur, Wuttke und Koch als Verhörte bei der Polizei und im Auto kurz vor der Geldübergabe: grandios. Selten Schauspieler mit so viel Spaß bei der Arbeit gesehen.

Tukur steht im Tatort unter Mordverdacht

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1_tatort_wer_bin_ich~128b5896-5261-420d-9869-8971401de9ce-042.jpg © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
“Wer bin ich“ ist der „Tatort“ aus Wiesbaden betitelt, in dem Ulrich Tukur nicht nur den LKA-Ermittler Felix Murot spielt, sondern auch sich selbst – und zwar unter Mordverdacht. Felix Murot und Magda Wächter werden morgens in das Parkhaus der Spielbank in Wiesbaden gerufen. Dort ist ein Toter gefunden worden.
“Wer bin ich“ ist der „Tatort“ aus Wiesbaden betitelt, in dem Ulrich Tukur nicht nur den LKA-Ermittler Felix Murot spielt, sondern auch sich selbst – und zwar unter Mordverdacht. Felix Murot und Magda Wächter werden morgens in das Parkhaus der Spielbank in Wiesbaden gerufen. Dort ist ein Toter gefunden worden. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Während der Spurensicherung entdeckt Murot im Kofferraum eines Autos eine weitere Leiche. Er findet heraus, dass einer der Toten kurz zuvor einen hohen Geldbetrag gewonnen hat, das Geld allerdings ist verschwunden. Ging es tatsächlich nur um Geld oder steckt doch mehr hinter den Morden?
Während der Spurensicherung entdeckt Murot im Kofferraum eines Autos eine weitere Leiche. Er findet heraus, dass einer der Toten kurz zuvor einen hohen Geldbetrag gewonnen hat, das Geld allerdings ist verschwunden. Ging es tatsächlich nur um Geld oder steckt doch mehr hinter den Morden? © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Dann passiert es: Ulrich Tukur selbst wird des Mordes verdächtigt. Ein Film im Film. Rasch erkennt Tukur, der Tukur spielt, dass es in der Filmbranche keine Loyalitäten gibt. Er stellt sich aber auch noch andere Fragen, die...
Dann passiert es: Ulrich Tukur selbst wird des Mordes verdächtigt. Ein Film im Film. Rasch erkennt Tukur, der Tukur spielt, dass es in der Filmbranche keine Loyalitäten gibt. Er stellt sich aber auch noch andere Fragen, die... © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
..mit der Natur der filmischen Illusion zu tun haben und mit seiner eigenen Rolle im vergnüglichen Spiel um die Widersprüche des Genres.
..mit der Natur der filmischen Illusion zu tun haben und mit seiner eigenen Rolle im vergnüglichen Spiel um die Widersprüche des Genres. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Ein selbstreflexives Spiel, in dem sich die Hauptfigur in interessanten Volten um sich selbst dreht.
Ein selbstreflexives Spiel, in dem sich die Hauptfigur in interessanten Volten um sich selbst dreht. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Wie ist das eigentlich, wenn man einen Kommissar spielt oder spielt, ihn nur zu spielen, während man eigentlich Ulrich Tukur ist, wobei man den allerdings hier auch nur spielt? Polizist Kugler (Sascha Nathan), Ulrich Tukur und Polizist Kern (Yorck Dippe).
Wie ist das eigentlich, wenn man einen Kommissar spielt oder spielt, ihn nur zu spielen, während man eigentlich Ulrich Tukur ist, wobei man den allerdings hier auch nur spielt? Polizist Kugler (Sascha Nathan), Ulrich Tukur und Polizist Kern (Yorck Dippe). © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Auch Tukurs Tatort-Kollegen Wolfram Koch (l.) und Martin Wuttke spielen sich selbst.
Auch Tukurs Tatort-Kollegen Wolfram Koch (l.) und Martin Wuttke spielen sich selbst. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Wolfram Koch, Martin Wuttke und Margarita Broich (v.l.), alle als sie selbst.
Wolfram Koch, Martin Wuttke und Margarita Broich (v.l.), alle als sie selbst. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Wer ist eigentlich wer in „Wer bin ich“?: Wolfram Koch und Ulrich Tukur als sie selbst.
Wer ist eigentlich wer in „Wer bin ich“?: Wolfram Koch und Ulrich Tukur als sie selbst. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Felix Murot gönnt sich in der Folge seinen Traumwagen: Einen hellblauen RO80, Wankelmotor.
Felix Murot gönnt sich in der Folge seinen Traumwagen: Einen hellblauen RO80, Wankelmotor. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Spionage, Korruption, Erpressung: Im LKA steht Murot der organisierten Kriminalität gegenüber...
Spionage, Korruption, Erpressung: Im LKA steht Murot der organisierten Kriminalität gegenüber... © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
...und auch Politikern, Lobbyisten, Strippenziehern. Bereits Murots Auftreten jagt ihnen oft ein schlechtes Gewissen ein.
...und auch Politikern, Lobbyisten, Strippenziehern. Bereits Murots Auftreten jagt ihnen oft ein schlechtes Gewissen ein. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Martin Wuttke, Wolfram Koch und Polizist Kern (Yorck Dippe).
Martin Wuttke, Wolfram Koch und Polizist Kern (Yorck Dippe). © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Wo kommt das ganze Geld her? Das klärt sich erst im Verlauf...
Wo kommt das ganze Geld her? Das klärt sich erst im Verlauf... © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Diese beiden spielen in „Wer bin ich“ nicht sich selbst, sondern Rollen: Regisseur Konrad (Justus von Dohnányi, links) und Redakteur Hochstätt (Michael Rotschopf).
Diese beiden spielen in „Wer bin ich“ nicht sich selbst, sondern Rollen: Regisseur Konrad (Justus von Dohnányi, links) und Redakteur Hochstätt (Michael Rotschopf). © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Bei „Wer bin ich“ werden die Zuschauer ein bisschen um die Ecke denken müssen: Martin Wuttke, Wolfram Koch und Ulrich Tukurin einem Hotelzimmer.
Bei „Wer bin ich“ werden die Zuschauer ein bisschen um die Ecke denken müssen: Martin Wuttke, Wolfram Koch und Ulrich Tukurin einem Hotelzimmer. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
Ulrich Tukur (hinten) und Wolfram Koch sind gemeinsam zu sehen...
Ulrich Tukur (hinten) und Wolfram Koch sind gemeinsam zu sehen... © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
im Tatort “Wer bin ich“,  der am 27. Dezember 2015 in der ARD läuft.
im Tatort “Wer bin ich“, der am 27. Dezember 2015 in der ARD läuft. © HR/Kai von Kröcher | HR/Kai von Kröcher
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Womit wir auch bei den Polizisten wären: Köstlich, wie sie die von ihnen gehassten „Fernsehfuzzis“ mal so richtig in die Mangel nehmen. Was sich bei echten Ermittlern anstaut, die sich sonntags die Helden im Fernsehen angucken, kann man sich ja in etwa denken.

Bastian Günther (Buch und Regie) kann man zu dieser Nabelschau des Fernsehbetriebs nur gratulieren. Die ist vollgepackt mit Humor und Ironie und keinen Augenblick langweilig, weil alles möglich scheint. Dem Hessischen Rundfunk kann man zu seinem Mut nur gratulieren. Das ist weit mehr als deutsches Durchschnittsfernsehen.

Was waren die beste Szene?

Da kann man trefflich drüber streiten. Mein Favorit: der „Tatort“-Szenendreh mit Koch und Wuttke, in dem Koch den Text auf völlig blödsinnige Art abändert, weil er und Wuttke ihn so dämlich finden. Aber auch das Trio auf dem Weg zur Geldübergabe und Wuttkes ungeschicktes Hantieren mit der Pistole im Auto ist eine Show. Ja, und natürlich das Gespräch zwischen Tukur und seiner Rolle.


Der Tatort ist täglich ab 20 Uhr in der Mediathek abrufbar.