Berlin. Es ist mal wieder Schicksalstag für Griechenland. Es ist die Stunde der Besserwisser: Zwei trafen bei Günther Jauch aufeinander, dass es knallte.

Die buschigen Augenbrauen heben sich immer noch drohend, wenn Theo Waigel in Fahrt kommt. Seine in zahllosen Redeschlachten gestählte durchdringende Stimme hat nichts von ihrer Kraft verloren und kann immer noch problemlos jeden Kontrahenten übertönen. Bei "Günther Jauch" ist es die Linke Sahra Wagenknecht, die schnell zu spüren bekommt, dass der CSU-Mann und einstige Bundesfinanzminister auch im politischen Ruhestand nichts von seiner Angriffslust verloren hat. "Es ist ein starkes Stück, mich schon beim zweiten Satz zu unterbrechen!", raunzt der streitlustige Waigel die Linken-Frontfrau gleich mal an. Da will wohl jemand für klare Verhältnisse sorgen.

Waigel und Wagenknecht im heißen Disput

Klare Verhältnisse - das ist genau das, was es in der leidigen Griechenlandfrage nicht gibt. Seit vor fast einem halben Jahr die linke Syriza-Regierung in Athen das Ruder übernahm, hält nun das Gezerre zwischen den Griechen und ihren Kreditgebern an. In diesen fünf Monaten hätten Premier Alexis Tsipras und seine Leute "alles verspielt", was zuvor aufgebaut worden sei, so Waigel, der sich gern "Vater" des Euro nennen lässt, weil er der Gemeinschaftswährung ihren Namen gab. Zuvor habe die Entwicklung in dem Krisenland "positive Züge angenommen".

Wagenknecht zeichnet ein völlig anderes Bild der Lage: das von einer "extrem wachsenden Armut" und einer um 25 Prozent geschrumpften Wirtschaft: "Das ist einmalig in Friedenszeiten", so Wagenknecht. Stattdessen seien in Griechenland die Superreichen immer reicher geworden - ein Problem, das allerdings auch die linke Syriza-Regierung nicht entschlossen angehe.

Der Disput Waigel-Wagenknecht, der die Jauch-Runde beherrschte, steht exemplarisch für den Ton, der die öffentliche Debatte um die Schuldenkrise seit Wochen prägt: Die Dauer-Hängepartie auf politischer Ebene hat den Expertenstreit um den besten Ausweg aus der griechischen Krise zu einem verbalen Glaubenskrieg werden lassen.

Verbaler Glaubenskrieg der Griechenland-Experten

Während die einen -  an diesem Abend vertreten durch Waigel und den Wirtschaftsjournalisten Rainer Hank - die Rückkehr Griechenlands zur Drachme für die beste Lösung für alle Beteiligten halten, sehen die anderen - wie Wagenknecht und der griechischen Regierungsberater Theodoros Paraskevopoulos - im Grexit eine dramatische Gefahr für Athen und ganz Europa. Sie fordern deshalb, den Griechen ihre Schulden von mehr als 300 Milliarden Euro zu erlassen und ihnen eine neue Chance innerhalb der Eurozone zu geben.

Womöglich wird Europa bald wissen, welche Seite Recht behält. Ein Euro-Ausstieg der Griechen - lange Zeit ein absolutes Tabu in der Politik - wird inzwischen zumindest offen thematisiert, selbst von eingefleischten Europäern wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Ob es allerdings schon heute beim Treffen der EU-Regierungschefs in Brüssel zum Showdown kommt, ist ungewiss. Seit gestern wird allgemein damit gerechnet, dass die Entscheidung nochmals um ein paar Tage verschoben wird - auf den Donnerstag, wenn sich die Regierungschef schon wieder treffen.

Und wie geht es dann aus? Theo Waigel schließt die nach seiner Ansicht nötige  "Kehrtwende der griechischen Regierung" nicht völlig aus, glaubt aber auch nicht so recht daran. Sahra Wagenknecht ist sich dagegen ganz sicher: "Es gibt den nächsten miesen Kompromiss."

So oder so: Günther Jauch braucht sich für nächsten Sonntag um sein Thema nicht zu sorgen. Die Griechen bleiben uns erhalten - ob mit oder ohne Euro.