München. Im Münchener Karnevals-„Tatort: Kehraus“ müssen Batic und Leitmayr einer Glücksjägerin auf den Fersen bleiben. Und die richtet einiges an.
Das „Rotkäppchen“ ist volltrunken und landet auf der Pritsche in der Ausnüchterungszelle. Zu Faschingszeiten nichts Ungewöhnliches, aber die Frau im Kostüm gilt als Zeugin – nach der wüsten Feier in „Irmis Stüberl“ lag schließlich ein alter Mann in der Nähe des Lokals tot auf einer Treppe, der Goldhändler war zuvor offenbar in einen Streit verwickelt. Es riecht ein bisschen früh nach Sonntagabendkrimi-Routine, wenn man die erste Viertelstunde des Münchener Tatorts „Kehraus“(ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) angeschaut hat, die Leiche, die Kommissare, die mal wieder ihre Fragen stellen, ach ja.
Drogenhändler mit blond gefärbtem Haar
Stefan Betz und Stefan Holtz erzählen eine nicht besonders originell daherkommende Geschichte. Ja, der Juwelier war offensichtlich in krumme Geschäfte verstrickt, ein finster dreinblickender Drogenhändler (Moritz Vierboom) mit blond gefärbtem Haar aus Holland mischt plötzlich mit und sucht seine Million, eine naive Tätowiererin (Mira Huber), in deren Laden es nach Geldwäsche riecht, blickt ängstlich umher – so weit, so üblich. Und doch entsteht etwas Größeres, weil sich die Autoren und Regisseurin Christine Hartmann auf ihre Hauptfigur konzentrieren, die zum Treiber der Handlung wird und die innere Spannung im Film aufbaut.
Nina Proll liefert mit „Tatort: Kehraus“ ein berührendes Porträt
Diese Silke Weinzierl, „Rotkäppchen“ eben, ist die ewig Scheiternde, die um ihren Platz im Leben kämpft, die versucht, sich mit aussichtslosen Geschäften über Wasser zu halten, die einfach nur mal Glück haben will, die geschiedene Mutter, die im Sorgerechtsstreit ihren Sohn (Lennox Völklein) mit Phrasen wie „ich bring alles wieder in Ordnung“ immer wieder abspeisen muss. Nina Proll macht daraus mit Liebe und Hingabe ein berührendes Porträt innerhalb eines eher trivialen Krimigerüsts.
Wie sie da mit Karnevalsperücke und viel Schminke an der Kneipentheke hockt, um jemanden zu finden, der ihr einen Cocktail und womöglich ein Nachtlager spendiert, weil die Vermieterin (Monika Gruber mit hübsch viel Münchener Gelacktheit) sie aus der teuren Single-Wohnung gefeuert hat, das ist fein und frei von Klischees gespielt. Und wie sie Batic (Miro Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) die ewigen Kommissar-Kumpel, patzig abblitzen lässt und immer wieder ausbüxt, das verschafft ihr beim Betrachter (und bei Batic) die nötigen Sympathien: Alles eine Nummer zu groß für sie, hoffentlich kommt die Frau mit ihren kleinen und weniger kleinen Lügen irgendwie durch.
Bleischwerer Rahmen für allgemeine Katerstimmung
Ohnehin gelingt es Christine Hartmann und Kameramann Peter Nix mit einer Prise Tristesse in den Bildern immer wieder, die eher melancholischen Seiten des Münchener Faschings herauszuarbeiten und damit den bleischweren Rahmen für die allgemeine Katerstimmung zu schaffen. Von der gnadenlos erzwungenen Fröhlichkeit der rheinischen Version ist auf den regennassen Straßen mit umherwehendem Rest-Lametta wenig zu spüren.
Ein paar der handelsüblichen Frotzeleien dürfen sich die alten Buddies Batic und Leitmayr leisten. Aber Humor hat in dieser traurigen kleinen Geschichte, die sich leider ein übermäßig dramatisches Ende gönnt, keinen Platz. Aber das kennt man ja vom Karneval.