Essen. Früher war Lothar Matthäus ein Ausnahmefußballer, heute liefert er mit Frauengeschichten dem Boulevard Futter. Jetzt will sich “Loddar“ in einer Reality-Soap bei Vox zeigen, wie er ist: mit “Stärken und Schwächen“. Tatsächlich zeigt die erste Folge vor allem hämisch kommentierte Schwächen.
Es ist kein gutes Zeichen, wenn Lothar Matthäus im Fernsehen auftaucht. Früher, da war das anders. Da war Matthäus noch Fußballer und machte mit Erfolgen von sich reden: "Loddar" holte siebenmal die Deutsche Meisterschaft mit Bayern München, gewann mit der DFB-Elf die Europameisterschaft 1980 und die WM 1990, war Europas Sportler des Jahres, Weltfußballer. Tatsächlich: ein Weltstar.
Heute? Ist Lothar Matthäus zwar noch immer mit 150 Einsätzen der deutsche Rekordnationalspieler. Aber eben auch: Fußballtrainer (aktuell ohne Engagement), Fußballexperte (stets mit frrrrängischem Zungenschlag) und Berufsprominenter (mit gelegentlich wechselnden Freundinnen und Ehefrauen). Letzteres sichert ihm regelmäßige Auftritte in Magazinen von "Exklusiv" bis "Prominent". Wie gesagt: Es ist kein gutes Zeichen, wenn Lothar Matthäus im TV auftaucht.
Lothar Matthäus will sich mit Stärken und Schwächen zeigen
Die sechsteilige "Personality-Doku", die am Sonntagabend bei Vox gestartet ist, ändert daran nichts. Unter dem Motto "Lothar - immer am Ball" will der Loddar allen zeigen, wie er wirklich ist. Rund fünf Minuten dauert es, bis es die Reality-Soap von den mit hymnischer Musik unterlegten Archivbildern der sportlichen Erfolge zur Gegenwart geschafft hat. "Wer ist dieser Lothar Matthäus wirklich?", fragt die Stimme aus dem Off bedeutungsschwanger.
Nun ja. "Die Menschen sollen mich kennenlernen - mit meinen Stärken, aber auch mit meinen Schwächen", hat Matthäus vor dem Start der Show gesagt. Beim Gucken jedoch wird man das Gefühl nicht los, dass es den Sendungsmachern in erster Linie darum geht, die Schwächen des 51-Jährigen auszubreiten. Und man muss auch sagen: Der Loddar macht es dem Filmteam dabei nicht allzu schwer. Also lernen wir ihn kennen:
Loddar bringt den Joghurt auf Linie
Lothar, der Ordnungsfanatiker: Er sei ja "so auf Linien bedacht", spricht der Ex-Fußballer in die Vox-Kamera und rückt eine verrutschte Fußmatte vor dem Aufzug zu seiner Wohnung in Budapest zurecht. Ein paar Szenen später: Lothar Matthäus erläutert ausführlich sein Kühlschrank-System. Auch dort gilt es nach Möglichkeit, alles auf Linie zu bringen. Joghurts stehen in einer Reihe, aufsteigend geordnet nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Und dann ist da noch so eine Regel: Im Hotelzimmer wird als allererstes der Koffer ausgepackt. Das, sagt der Loddar, ist "obbligadorisch". Er mag den Überblick, Ordnung, Kontrolle.
Lothar, der Bestimmer: Nach den Ehefrauen Sylvia, Lolita, Marijana, Liliana und Freundin Ariadne heißt die Frau an seiner Seite seit Mai 2011 Joanna. Joanna ist Ende 20, ein polnisches Dessousmodel mit veritablem Dauer-Schmollmund, und Joanna muss offenbar noch viel lernen. Anders ist es kaum zu erklären, warum der Loddar ihr permanent die Welt erklärt. Bevor es auf eine Party bei der Berlinale geht, verbietet der 51-Jährige seiner Liebsten trotz Minusgraden das Tragen einer Strumpfhose und konstatiert: "Stilbruch!" Aha. An der Erkältung, die Joanna wenige Tage später plagt, sei sie selbst schuld, spricht Lothar Matthäus dann in die Kamera. Was ziehen sich die Frauen auch immer so dünn an?
Vox führt Matthäus' Fremdsprachenkenntnisse vor
Mitunter könnte man fast glauben, Joanna sei nicht die Freundin des Ex-Fußballers, sondern seine Schülerin. "Sie strengt sich auch an - ich muss sagen, sie ist wirklich ehrgeizig", sagt Matthäus gönnerhaft, als er Roberto Blanco darüber aufklärt, dass Joanna Deutsch versteht. Und wenn der Loddar beim Kurzurlaub in Zermatt den Skilehrer warnt, seine Freundin sei "ganz sicher keine einfache Schülerin", dann klingt auch das, als spreche er nicht nur übers Skifahren.
Lothar, der Wortgewandte: Natürlich lässt es sich Vox nicht nehmen, einmal mehr die Fremdsprachenkenntnisse des Protagonisten vorzuführen. Ein Telefoninterview auf Englisch, viel Gestammel mit Franken-Akzent - alles schon gehört. Unfreiwillig komisch wird's da eher, wenn der Lothar in seiner Muttersprache fachsimpelt. Wenn er ein altes Foto von sich zur Hand nimmt und mutmaßt, das Bild sei so natürlich, weil Aufnahmen damals "wahrscheinlich noch nicht so stark mit dem Computer recherchiert" wurden. Wenn er noch einmal bierernst feststellt, dass er nicht derjenige sei, der "den Sand in den Kopf steckt". Ist da Selbstironie? Es wirkt nicht so.
Die Medien machten ihn zum gebrannten Kind
Lothar, der Missverstandene: "Was die Presse angeht, ist Lothar ein gebranntes Kind", sagt der Sprecher aus dem Off. Und Manager Wim Vogel beklagt: "Wenn es ein Problem gibt, dann in Deutschland." Die Medien verstünden den Loddar falsch. Immer diese Reduzierung auf die Frauengeschichten, auf den ausbleibenden Erfolg als Trainer! Lothar Matthäus "hätte in Deutschland in den letzten Jahren diverse Erstligaklubs, Zweitligaklubs und Drittligaklubs trainieren können", sagt Manager Vogel. Und betont noch mal: "De facto trainieren können!"
Hat er aber nicht, und deshalb sind weiter rote Teppiche, Promi-Partys und Fernsehstudios der Arbeitsplatz des Lothar Matthäus. "Ich bin manchmal selbst überrascht, wie abwechslungsreich mein Leben ist", wird er von Vox zitiert. Dass er dank der "Personality Doku", die beinahe jeden Schritt und jede Aussage süffisant bis hämisch kommentiert, endlich verstanden wird - der 51-Jährige scheint das wirklich zu glauben. Und das ist das eigentlich Überraschende.
Die zweite Folge von "Lothar - immer am Ball" wird am Sonntag, 1. Juli, um 23.20 Uhr bei Vox ausgestrahlt.