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Sie sind zwei politische Ex-Größen, die noch immer eine Meinung haben. Friedrich Merz und Wolfgang Clement unternahmen bei „Beckmann“ einen Streifzug durch die Griechenlandkrise, den Wahlausgang in NRW und dessen Auswirkung auf die Bundesebene.

Nein, ihre Bissigkeit haben Friedrich Merz und Wolfgang Clement nicht verloren, auch wenn sie aus der aktiven Politik ausgeschieden sind. Und ihren Mut zu klaren Worten erst recht nicht. Doch sie haben es jetzt ja auch leichter: Schließlich müssen sie nicht mehr erklären, wie ihre Forderungen umgesetzt werden sollen, wie sie finanziert werden sollen.

Denn politische Verantwortung tragen sie zurzeit nicht mehr. Sie sind Ehemalige: Friedrich Merz als Ex-Fraktionschef der Union im Bundestag und Wolfgang Clement als Ex-NRW-Ministerpräsident, Ex-SPD-Vizechef und Ex-Superminister. Dennoch interessierte ARD-Moderator Reinhold Beckmann, was sie zur aktuellen politischen Lage zu sagen hatten.

Clements FDP

Thema Nummer eins war natürlich das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Denn die Fragen, wie es in Deutschlands größtem Bundesland nun weitergeht, wer in Zukunft regieren wird, sind nach wie vor ungewiss.

Ungewohnt in des NRWlers Ohren klang somit Beckmanns erste Frage: „Herr Clement, warum hat ihre FDP so schlecht abgeschnitten?“ Schließlich hatte das sozialdemokratische Urgestein nach der Ypsilanti-Affäre die SPD verlassen, im Wahlkampf zur NRW-Wahl sprach Clement dann auf FDP-Veranstaltungen.

Merz warnt SPD vor „böser Zerreißprobe“

„Die FDP ist auf unfaire Weise vor der Wahl traktiert worden“, sagte Clement. „Die FDP ist nach der Bundestagswahl zu selbstbewusst geworden“, schlägt Friedrich Merz in dieselbe Kerbe. Außerdem sei in den Medien das Steuersenkungsrad gedreht worden. Einigkeit also auf beiden Plätzen. Und es sollte an diesem Abend nicht das letzte Mal sein, dass die ehemaligen Konkurrenten sich gegenseitig zustimmten.

Was die möglichen Koalitionen in NRW angeht, bestätigte Clement erneut, was er bereits vor der Wahl kundgetan hatte: bloß kein Rot-Rot-Grün. „Es ist beeindruckend, wie Hannelore Kraft sich gegen Rüttgers geschlagen hat“, lobte ihr ehemaliger politischer Ziehvater. Jetzt könne er nur hoffen, dass die NRW-SPD-Chefin kein Bündnis mit den Linken eingehe. Auch Friedrich Merz warnte vor einer solchen Koalition. Sie könne für die SPD zu einer „bösen Zerreißprobe“ werden.

Absage an die Linken umschifft

An dieser Meinung konnte auch nichts ändern, dass Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles aus Berlin zugeschaltet wurden – die im Gespräch gekonnt eine Absage an die Linkspartei umschifften. „Es geht jetzt darum, dass Hannelore Kraft Ministerpräsidentin wird“, sagte die Vertreterin des linken Flügels der Sozialdemokratie. Vor Koalitionen gewarnt zu werden, die sie gar nicht anstrebe, „darüber will ich gar nicht diskutieren.“

Gastgeber Reinhold Beckmann: „Herr Clement, warum hat Ihre FDP so schlecht abgeschnitten?“
Gastgeber Reinhold Beckmann: „Herr Clement, warum hat Ihre FDP so schlecht abgeschnitten?“ © Unbekannt | Unbekannt





Jamaika? Ampel? Rot-Rot-Grün? Die offenen Fragen der NRW-Koalitionen blieben offen. Jürgen Trittin ließ sich zu einem Vergleich zwischen FDP und Linkspartei hinreißen: Er halte die FDP für ebenso marktradikal wie die Linken linksradikal. Ein Vergleich, den Wolfgang Clement als „atemberaubend“ abbürstete. Auch, dass die schwarz-gelbe Koalition auf Bundesebene wegen der geänderten Stimmverhältnisse im Bundesrat nun nicht mehr handlungsfähig sei, bügelte Clement hab. Schließlich habe Gerhard Schröder bei ähnlich schwierigen Verhältnissen die Agenda 2010 durchgesetzt.

Ungewohntes Lob für Merkel

An weiteren Spekulationen um immer abstrusere Bündnis-Möglichkeiten in NRW wollten sich dann weder Clement noch Merz beteiligen. Die Diskussion nehme immer „klamaukhaftere Züge“ an, sagte Merz. Die „alten Hasen“ der Politik wurden unruhig. Schließlich waren sie doch eigentlich gekommen, um über ihr neues gemeinsames Buch „Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0“ und die Euro-Krise reden.

Kanzlerin Angela Merkel kam trotz ihrer viel kritisierten Rolle im Krisenmanagement sogar mit einem Lob davon: „Frau Merkel hat alles richtig gemacht. Die Ausmaße der Krise in Griechenland haben sich erst in den letzten 14 Tagen abgezeichnet. Abzuwarten war richtig.“ Ungewohnt klang das aus Friedrichs Merzs Mund, war er doch zu (seinen) Regierungszeiten als größter Kritiker Merkels bekannt.

Mehr Europa gefordert

„Es fehlt in Europa an Orientierung“, sagte Wolfgang Clement dann auch, als er endlich durfte. „Das europäische Finanzdesaster ist bedrückend und gefährlich.“ Europa könne nur eine Rolle spielen, wenn auch die Währungsunion eine wirkliche Rolle spiele. Ratingagenturen müssten unabhängig sein. Das deutsche Kartellrecht müsse auf Europa ausgeweitet werden. Eine Finanztransaktionssteuer aber sei keine Lösung.

Friedrich Merz pochte auf eine bessere Regulierung der europäischen Märkte: „Wir haben nicht zu viel Europa, wir haben zu wenig Europa.“ Das Problem an der Griechenland-Krise sei, dass man nur mit den vorhandenen Mitteln kämpfen könne. Für die Zukunft sei es wichtig, Regeln für eine geordnete Insolvenz von Staaten zu finden.

Visionen zum Nachlesen

„Wer zockt? Wer zockt? Wer zockt? Das war die Frage“, stocherte Beckmann, um den Ursachen für die vertrackte Finanzkrise auf die Schliche zu kommen, und pochte mit seinem Stift auf den Tisch. Schade nur, dass Merz bis auf „alle“ keine Antwort geben durfte. Wer die Zukunftsvisionen der beiden Politiker erfahren will, muss wohl doch besser im Buch nachlesen.

Ein Buch, das „Die Zeit“-Redakteurin Susanne Gaschke übrigens als ein Werk von „Statler und Waldorf“ der Politik bezeichnete. Ein Vergleich, den Friedrich Merz schon wegen seiner vergleichsweise jungen 54 Jahre nicht gelten lassen wollte. Insgesamt war bei Friedrich Merz und Wolfgang Clement wenig Sarkasmus und Humor zu vernehmen. Trotz vermeintlich provozierender Fragen gaben sie sich zahm und beherrscht. Gelegentlich sorgten Clements gewohnt kernige Aussagen („Ab und zu muss man ja in der Politik sagen, was man denkt.“) für etwas Witz. Doch in der Muppet-Show der Europapolitik gibt es offenbar zurzeit wenig Grund zu lachen.