Köln. Um 20.15 Uhr, zur besten Sendezeit, schickt RTL Oliver Pocher ins Rennen, um sich an einer Kopie von Pro Siebens „Schlag den Raab“ zu probieren. Der Versuch scheitert bei seiner Premiere. Langweilige Kandidaten, ein schlapper Pocher und der Verzicht auf eine Liveübertragung machen „Alle auf den Kleinen“ zu vier anstrengenden Fernseh-Stunden.
Mit „Schlag den Raab“ fährt Pro Sieben schon seit geraumer Zeit Rekordquoten ein. Lange musste man auf adäquate Nachahmer warten. Nun schickte sich Oliver Pocher mit „Alle auf den Kleinen“ an, um RTL ähnliche Erfolge zu bescheren. Pocher selbst hat sich monatelang darauf vorbereitet. Er hat trainiert und sich gequält. Mit Erfolg: Die Waage zeigt zehn Kilo weniger an und der Comedian macht einen topfitten Eindruck.
Als Gegner stehen Pocher drei Normalos gegenüber, wie sie glatter und kantenloser kaum sein könnten. Philipp hat einen Hund und ist Polizist, Sandra arbeitet beim Arbeitsamt und kennt den Geschmack von Kaviar, und Knut ist Arzt. Für die drei geht es um insgesamt 100.000 Euro. Trotzdem lassen sowohl die Kandidaten als auch Pocher ab der ersten der insgesamt 240 Sendeminuten jenen Biss vermissen, den Raab und seine Kontrahenten bei „Schlag den Raab“ an den Tag legen. Das macht „Alle auf den Kleinen“ schon nach kurzer Zeit zu einem zweifelhaften Vergnügen. Berechtigterweise fragt Pocher bereits nach 35 Minuten, ob es noch lange dauern würde? Ja, es dauert. Und wie es dauert.
Nicht live - nicht authentisch
Ein weiterer gravierender Unterschied lässt die RTL-Version von „Schlag den Raab“ gegenüber dem Original alt aussehen: „Alle auf den Kleinen“ wurde aufgezeichnet und ist keine Livesendung und wirkt zusammengeschnitten. Man bekommt als Zuschauer beispielsweise nichts von der Zerrung mit, die sich Pocher bereits beim ersten Spiel zugezogen hat. Gemessen an der im Vorfeld versprochenen Action wirkt „Alle auf den Kleinen“ einfach zu steril. Die Spontanität leidet zugunsten der geplanten Inszenierung.
An diesem Eindruck kann auch Moderatorin Sonja Zietlow nichts ändern. Sie ist ein Pluspunkt für „Alle auf den Kleinen“, da sie strukturiert und sortiert durch das RTL-Showknallbonbon führt.
Will Pocher eigentlich den Sieg?
Ein weiterer Pluspunkt sind die Spiele. Nach einigen „Schlag den Raab“-Sendungen weiß der Zuschauer, was ihn dort erwartet. Bei „Alle auf den Kleinen“ gibt es neue Spiele, wie etwa das „Frage-Wrestling“ oder das „Looping-Rad“. Bei letzterem müssen Pocher und Kandidatin Sandra Fragen beantworten, während sie sich in einem Looping-Rad überschlagen. Dieses Spiel entscheidet Pocher für sich. Doch am Ende muss er sich den drei Kandidaten geschlagen geben. Es bleibt der Eindruck bestehen, als würde Pocher eher alles über sich ergehen lassen, als den Sieg zu 100 Prozent zu wollen.
Einen unfreiwillig peinlichen Moment erleben die Zuschauer, als nach einem niederländischen Spieler vom Hamburger SV gefragt wird, dessen Frau Sylvie heißt; und das nur einen Tag nach der Trennung des ehemaligen Glamour-Paares Sylvie und Rafael van der Vaart. Dieser Fehler ist der Aufzeichnung geschuldet.
Frau Pocher plaudert aus dem Nähkästchen
Als Sidekick sitzt neben dem Kommentator Pochers Ehefrau Sandy. Von dort aus plaudert sie während der Sendung immer wieder aus dem familiären Nähkästchen. Die Anekdoten bewegen sich zwischen peinlich und belanglos. Frau Pocher ist sich dann auch gegen Ende der Sendung nicht zu schade, ihren Ehemann zu unterstützen und muss mit ihm gemeinsam ausgefallene Berliner-Variationen probieren. Dort erkennt sie die Wasabi-Füllung im Gebäck nicht und vergeigt so den Sieg für ihren Ehemann, da die Kandidaten ihre Führung weiter ausbauen, nachdem Pocher und Sandy der Ausgleich beinahe schon auf der Zunge lag.
Es bleibt abzuwarten, ob RTL Pocher ein zweites Mal mit „Alle auf den Kleinen“ in den Ring schickt. Im direkten Vergleich boxt „Schlag den Raab“ in einer höheren Gewichtsklasse, was Spannung betriift. In Sachen Einschaltquote kann Pocher gegen Raab allerdings sehr wohl einen Erfolg verzeichnen: "Alle auf den Kleinen" erreichte knapp vier Millionen Fans, wie RTL mitteilte. Die vergangene Raab-Folge schauten Mitte Dezember 3,25 Millionen Menschen.