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„Rote Rosen“ mauserte sich klammheimlich zur Kultserie und gilt als einzige Telenovela für reifere Semester. Es geht dort ums Ganze. Um Liebe, Treue und Glück. Die Grenzen werden fließend zwischen Fiktion und Realität, alles wird gut, darf man hoffen.

Seid gewarnt, liebe Leute! „Alle im Haus wissen, dass 14.10 Uhr meine Zeit ist, da ziehe ich mich zurück“, gibt Carola aus Norden mit leicht drohendem Ton zu Protokoll, und Monika aus Mannheim kann ihr nur beipflichten: „14.10 Uhr, logisch, aber ich gucke auch schon um 9.05 Uhr die Wiederholung beim Frühstück.“ Damit das also klar ist: Um 14.10 Uhr darf man Carola nicht anrufen, Monika würde zusätzlich auch um 9.05 eine Störung übel nehmen, und alles in allem sollte notiert werden: Wer etwas Anstand hat, respektiert die Zeit, in der „Rote Rosen“ im Fernsehen läuft. Ist heilig, und keinesfalls nur für Carola und Monika.

„Rote Rosen“ läuft seit 2006 mit großem Erfolg, montags bis freitags um (Sie wissen schon!) 14.10 Uhr in der ARD und gilt als einzige Telenovela für reifere Semester. Wenn wir mal von der „Lindenstraße“ absehen, dem Urgestein deutscher Serienunterhaltung. Während in Geißendörfers Treppenhaus jedoch dräuende Schicksalsfragen gewälzt werden und sich Kernkraft, Ausländerintegration oder Klimakatastrophe abwechseln, geht es bei „RR“, wie die Fangemeinde zärtlich sagt, ums Menschliche. Die Liebe. Die Treue. Das Glück.

Bei „Rote Rosen“ trinkt man ein Kännchen Kaffee statt Latte Macchiato

Solch schlichte Konzentration aufs Große und Ganze trauen sich sonst nur „GZSZ“ und andere jugendlich-coole „Daily Soaps“, in denen die „Clique“ im angesagten Laden einen Latte Macchiato schlürft. Bei „Rote Rosen“ trinkt man ein Kännchen Kaffee. „Rote Rosen“ spielt in Lüneburg. Mehr muss man nicht sagen. Lüneburg kann wahrscheinlich sein Glück immer noch nicht fassen, dass es auf der Landkarte der Träume zum absoluten Fixpunkt geworden ist. Im Gästebuch von rote-rosen.tv, wo auch Carola und Monika ihre Spuren hinterlassen, berichten sie von ihren Pilgerfahrten zum Ort, in dem das „Rosenhaus“ steht, und unterm Dach des Hotels „Drei Könige“ die Intrige ihr hässliches Haupt hebt.

An manchen Tagen trampeln jetzt vermutlich mehr RRler als Lüneburger durchs Niedersächsische, angelockt von den Original-Schauplätzen und der Hoffnung auf einen Blick hinter die Kulissen, beste Chancen am Montag und Dienstag, da finden die Außendrehs statt, weiß der Experte „Sonnenschein“ zu berichten. Obwohl, das mit den Kulissen, so sicher ist das nicht, dass auch wirklich alle wissen, dass „Rote Rosen“ nur ein TV-Drama ist und Britta Thies beispielsweise keine Ärztin ist und im wahren Leben Jelena Mitschke heißt.

Eifersüchtig wacht die Gemeinde von Folge zu Folge mehr über Figuren und Handlung, verzeiht keinen Fehler und spart auch nicht mit Ratschlägen, die bei Nichtbeachtung Konsequenzen haben.

Christian bekommt alles, und Gunter nix, gibt es denn keine Gerechtigkeit mehr? Und die Sarah, die Tochter von der Esther, die trägt ja immer die gleichen Sachen, ist das denn noch keinem sonst aufgefallen?’ Und „Immer nur Lug und Trug, könnte es nicht wenigstens in einer Familie mal harmonisch zugehen“, verzweifelt Katrin aus München und findet sicher Beifall bei denen, die ebenfalls zum letzten Mittel greifen werden, falls sie nicht endlich Gehör finden.

Warum „Rote Rosen“ so erfolgreich ist? Die Figuren sind glaubhaft, die Dialoge in Ordnung, die Produktion solide. Warum aber so viele Menschen so fasziniert sind? So ist das eben heutzutage, wo Verwandtschaft keine Rolle mehr spielt und schon der Nachbar von Nummer fünf ein unbekanntes Wesen ist.

Was ist mit Baby Lukas?

Das Bedürfnis nach Klatsch, aber auch die Sehnsucht nach sozialen Kontakten werden vom Fernsehen befriedigt. Günther Jauch ist öfter im eigenen Wohnzimmer zu Gast als der eigene Bruder, die Grenzen werden fließend zwischen Fiktion und Realität, alles wird gut, darf man hoffen, man ist schon gespannt aufs nächste Ereignis.

Das steigt diese Woche. Andrea und Martin werden heiraten, eine Traumhochzeit steht an in Folge 795, die Donnerstag ausgestrahlt wird, was uns alle frohlocken lässt nach den vielen Hindernissen, die dieser Liebe im Wege standen. Aber was ist mit Baby Lukas, um das wir uns so sorgen, dem Fluglotsenstreik, der noch alles zerstören kann, und wartet hinter der Tür der alten Wassermühle wirklich das Happy-End?

Wir werden es erfahren, montags bis freitags, um 14.10 Uhr.