Essen. Aber keine Antworten auf die Kernfrage des Abends. FDP-Generalsekretär Patrick Döring bezweifelt Regierungsfähigkeit, Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck ihre Programmatik. Journalist Hans-Ulrich Jörges dreht den Spieß um: „Die Piraten sind doch nur so stark, weil ihr so schwach seid.“

Sind sie Protest-Profiteure? Sind sie die letzten
verbliebenen Basisdemokraten? Oder sind sie einfach nur anders, schrill und
deswegen so hip? Die Debatte um den Erfolg der Piratenpartei und seine Gründe
ging am Donnerstagabend bei Maybrit Illner in eine neue Runde. „Warum sind die
Piraten so populär?
“ lautete die Kernfrage an diesem Abend. Und so viel sei
vorweg genommen: Sie wurde einmal mehr nicht abschließend beantwortet.

Dafür verkam der Polit-Talk im ZDF viel zu sehr zum Beweis dafür,
dass Erfolg auch immer Nörgler und Neider auf den Plan ruft. Nörgler wie den
Schleswig-Holsteinischen Spitzenkandidaten der Grünen, Robert Habeck. In einer
Mischung aus nordischer Unterkühlung und Genervtheit, wohl ob der jüngsten
Umfrageergebnisse, mäkelte er an den inhaltlichen Mängeln der
Piraten-Programmatik herum. Und Neider wie den designierten FDP-Generalsekretär
Patrick Döring
, der neben der Unkontrollierbarkeit der von den Piraten forcierten
Internet-Demokratie auch die mangelnde Regierungsfähigkeit der politischen
Freibeuter bemängelte.

Immer schwerere Verbal-Geschütze gegen die Piraten

Mutig, möchte man meinen, dass sich ein FDP-Mann in Zeiten
des Überlebenskampfes der Liberalen in einigen Ländern über die
Regierungsfähigkeit anderer auslässt. Die Frage, wie rot Döring an dieser
Stelle unter dem ZDF-Makeup anlief, konnte leider nicht erörtert werden.

All diese Kritik: nichts Neues. Aber vielleicht zumindest
ein Fingerzeig darauf, dass die Piraten einen Teil ihrer Popularität daraus
ziehen, dass die etablierten Parteien es für nötig halten, immer schwerere
Verbal-Geschütze gegen sie aufzufahren.

Antworten des einzigen Piraten in der Runde verpuffen im Quergerede

Vielleicht wäre man der Antwort auf die Kernfrage des Abends
näher gekommen, hätte man den einzigen Piraten der Runde öfter zu Wort kommen
lassen. Martin Delius, Parlamentarischer Geschäftsführer der Piraten im
Berliner Abgeordnetenhaus
, hatte jedoch mehr damit zu tun die penetranten
Zwischenrufe der Habecks und Dörings verklingen zu lassen als sich selbst
einmal ausführlich äußern zu können. Nach 28 Minuten, fast der Hälfte der Show,
wurde nach einer Erklärung für die Piraten-Popularität gefragt. Die Antwort
verpuffte im Quergerede.

Dass er nicht ebenso in das durcheinander geredete
Politfloskel-Wirrwarr einstimmte, dieser Typ, den man sich viel eher im
ausgewaschenen Shirt auf dem Wacken-Festival vorstellen kann als in einem
Polit-Talk, ist wohl noch so einer der Gründe für die Sympathie, den seine
Partei derzeit erntet. Aber auch das: nichts Neues.

Klaus Wowereit geht souveräner mit den Emporkömmlingen um

Ein wenig souveräner ging da schon Klaus Wowereit mit den
Emporkömmlingen um
. Freilich kam auch der Regierende Bürgermeister aus Berlin
nicht ohne Seitenhiebe aus. Es fehle ihm an klaren Bekenntnissen in
inhaltlichen Fragen; das Protestpotenzial der Piratenpartei sei ihre größte Stärke.
Ein „Bruderkuss“ in einer Koalition sei für ihn momentan abwegig. Aber er
sprach auch von „interessanten“ Ideen der Partei. Und schließlich sei ihr
Erfolg auch ein „Beweis für eine lebendige Demokratie“.

Laut wurde „Wowi“
nur bei seiner Forderung, die Piraten sollten sich aus aktuellem Anlass klar im
Umgang mit Rechten positionieren. Der Berliner
Landesvorsitzende der Piraten, Hartmut Semken, hatte sich jüngst in einem Blog
gegen den Ausschluss von Piraten ausgesprochen, die rechtsradikale Positionen
vertreten. Martin Delius lenkte ein und versicherte, dass er nicht der einzige
im Berliner Abgeordnetenhaus sei, die einen Rücktritt Semkens fordern.

Journalist wirft etablierten Parteien Schwäche vor

Rückenwind
bekam Delius von Hans-Ulrich Jörges. Der Stern-Journalist lobte die Piraten als
„erfrischend“. Sie seien ein „Spiegel der etablierten Parteien, wie sie früher
waren“ und sich ihres Nachholbedarfs durchaus bewusst. Vielmehr ging er den
Rest der Talkrunde an: „Die Piraten sind doch nur so stark, weil ihr so schwach
seid.“ Und: „Sie haben mit dem Internet ein Kernthema, das ihr nicht begriffen
habt.“

Nach
58 Minuten und einem sehr kurzen Exkurs über die veränderten
Koalitionsmöglichkeiten ging die Frage nach Inhalten der Piraten über Maybrit
Illners Lippen. Die derzeit nicht nur in NRW wohl interessanteste. Die
Reaktionen lieferten dem Zuschauer, ja richtig: nichts Neues außer Geschrei.

So
musste man auf eine richtige Neuigkeit schon bis etwa 23.20 Uhr warten. Da
erfuhr man dank Markus Lanz von Karl Lagerfeld, dass der Modezar am Donnerstag
um 7 Uhr aufgestanden ist. Und keinen Wecker brauchte.