Berlin. Hitlers „Mein Kampf“ soll 2016 in einer kritischen Edition erscheinen. Doch die Politik steuert dagegen. Eine Doku erklärt den Fall.
In einer kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs produzierten Folge der „Wochenschau“ ist zu sehen, wie ein amerikanischer Soldat den Bleisatz von „Mein Kampf“ ins Feuer gibt. Es war ein symbolischer Akt: So wie im ganzen Land Hakenkreuze zertrümmert wurden, Bilder des „Führers“ verschwanden, so sollten auch das ideologische Erbe Hitlers, sein Antisemitismus und seine mörderische Kriegslust von der Bildfläche gelöscht werden.
Seitdem war auch „Mein Kampf“ in Deutschland nur antiquarisch erhältlich. Das wird sich mit Beginn des kommenden Jahres ändern, wenn das renommierte Münchener Institut für Zeitgeschichte (IfZ) eine umfangreiche kritische Edition des Buchs veröffentlichen wird – ein zweibändiges Werk mit insgesamt 2000 Seiten Umfang.
Dass „Mein Kampf“ 70 Jahre lang in Deutschland nicht erscheinen konnte, auch nicht in der vielfach gewünschten Form einer kritisch kommentierten Ausgabe, hat urheberrechtliche Gründe. Weil Hitler bis zu seinem Tod am 30. April 1945 am Münchener Prinzregentenplatz gemeldet war, fielen die Rechte an seinen Hinterlassenschaften nach Beschlagnahme durch die Alliierten an das 1946 neu gegründete Land Bayern, das seitdem Inhaber der Urheberrechte an dem Machwerk ist. 70 Jahre lang konnte so eine Neuauflage blockiert werden, nun, mit dem 1. Januar 2016, kann es jeder drucken, der das möchte. Verständlich, dass es im Vorfeld dieses Datums politisches Gezerre um das Buch gab. Die Dokumentation von Manfred Oldenburg zeichnet unter anderem die seltsame Rolle nach, die die bayerische Staatsregierung dabei spielte.
„Mein Kampf“ ist im Internet frei verfügbar
Nachdem sie zuerst angekündigt hatte, das Projekt des IfZ zu unterstützen und dafür auch Mittel in Höhe von 500.000 Euro freigab, vollzog sie im Dezember 2013 eine für alle überraschende Kehrtwende und bedrohte mögliche Publikationen nach dem 1. Januar 2016 sogar mit Strafanzeigen wegen Volksverhetzung. „Tiefschlag“ und „Nackenschlag“ sind die Wörter, die Christian Hartmann für den Sinneswandel Horst Seehofers findet, und in der Tat berührt das Agieren der Politik in diesem Fall mehr als seltsam. Der Text von „Mein Kampf“ ist im Internet für jedermann frei zugänglich, sodass es gerade eine kritische Analyse seiner Inhalte ist, die schmerzlich fehlt.
In Oldenburgs Film ist es etwa die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die ein solches Projekt begrüßt – und ergreifend von der Ermordung ihrer Familie berichtet. Oldenburg hat viele Experten und Zeitzeugen befragt, um die Wirkungsmacht seines Buches einzuschätzen. Neben Hartmann kommen auch der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz und Charlotte Knobloch zu Wort.
Fazit: Die Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig bringt es im Film wohl am besten auf den Punkt, was dieses Buch so gefährlich machte: Es erfüllte die Sehnsucht nach einfachen Antworten auf die Fragen der Menschen in einer oft bedrohlich wirkenden Zeit – und tat dies mit Hass und Vernichtungsfantasien.
Dienstag, 15. Dezember, Arte um 20:15 Uhr