Essen. Er hat in den vergangenen Wochen genug ausgeteilt: Harald Schmidts Abschied vom “Kindergarten“ Sat.1 fiel ungewohnt anständig aus. Kein lautes Gepolter, kein großes Geheule. Bei den Zuschauern fand “Dirty Harrys“ Abschied wenig Interesse. Nur 660.000 schalteten am Donnerstagabend die Late-Night-Show ein.

Es war die letzte Show von "Dirty Harry". Und manch ein Zuschauer mag sich im Vorfeld gefragt haben, was ihn an diesem Donnerstagabend erwarten würde. Eine Abrechnung mit dem zu dem Zeitpunkt noch aktuellen Arbeitgeber Sat.1? Ein kompletter Rundumschlag gegen Sat.1, gegen die ARD, gegen die gesamte Branche? Nein, der Late-Night-Guru gab sich wenig "dirty", verteilte nur ab und an kleine Spitzen. Schmidt blätterte in Boulevardzeitungen, zitierte aus Frauenzeitschriften und erfreute sich an auf Bänken sitzenden Fröschen bei YouTube. Die letzte Harald Schmidt Show war "business as usual".

"Dirty" wurde es erst, als Schmidt Schauspieler Charly Wagner mal wieder in bester Großvater-Manier "Klassiker der Herrenwitze" vorlesen ließ: Selbst wenig empfindliche Zuhörer werden mit den Ohren geschlackert haben. Möglicherweise im zur Zote passenden Rhythmus - den gab Helmut Zerlett mit Band an den schmutzigsten Stellen vor.

Ein bisschen unterhaltsamer: Zwei seiner Zuschauer hatte Schmidt vor der Sendung abgeholt und persönlich mit seinem Jaguar ins Studio kutschiert. Allein die Fahrt mit dem älteren Ehepaar hätte die komplette Sendezeit füllen können. Man plauderte über Winterreifen, Schmidts Nachbarn und welches Kabel-Abo man denn nun kaufen müsse, um den Entertainer weiter sehen zu können.

Harald Schmidt wählt den Nicht-Abschied

Bis dahin gab sich Schmidt überraschend brav. Es gab kein lautes Gepolter, kein großes Geheule. Nein, Schmidt wählte die Variante des Nicht-Abschieds. Für nachträgliches Gerede und Skandälchen lieferte er keinen Nährboden. Doch ganz unkommentiert wollte der Late-Night-Talker sein Aus bei Sat.1 natürlich nicht lassen. In weißer Kapitänsuniform und zur schönsten "Traumschiff"-Musik holte Schmidt in einem Einspieler die Sat.1-Flagge ein - der Käpt'n verlässt das Schiff. Es sei wirklich eine schöne und erfolgreiche Zeit gewesen,  "das kann ich ehrlich und ganz unverschlüsselt sagen". Wie passend: War doch wenige Tage zuvor Schmidts Wechsel zum Bezahlsender Sky bekannt geworden. Die in den letzten Wochen immer wieder veralberte "Sommerpause" ("Sommerpause schon im Mai? Das ist die Klimaerwärmung.") ist für Schmidt tatsächlich nur eine  Pause - hinter Sender-Bezahlschranken.

Olli Dittrich holt den kleinen Harald aus dem Kindergarten Sat.1 ab

Auch Sat.1-Urgestein und Akte-Moderator Ulrich Meyer griff den Wechsel zu Sky auf und brachte Schmidt einen Koffer voller Abschiedsgeschenke: ein Bild des Sternenhimmels über Europa und einen Rettungsring. "So etwas braucht man, wenn man bei Sky Atlantic arbeitet." Mit Meyer konnte Schmidt dann auch darüber reden, was ihm wirklich am Herzen liegt: die eigene Zukunft. "Nie wieder Kuschelsender", spottete Schmidt. Stattdessen die knallharte Welt des Bezahlfernsehens. Für den neuen Brötchengeber hat sich die letzte Harald-Schmidt-Show schon gelohnt: Der Name Sky fiel nicht nur ein- oder zweimal, Schmidt machte großzügig Werbung für die Konkurrenz.

Zum Schluss strahlte Dauer-Show-Gast Olli Dittrich als personifizierte Sommerpause herein, um den kleinen Harald an der Hand aus dem Studio zu führen. Schmidt nahm sein Jäckchen von der Kindergartengarderobe, klemmte sich den großen bunten Sat.1-Ball unter den Arm ("Man weiß ja nie, wie der Sommer wird") und stieg in einen Bollerwagen: "Schmidt verlässt den Kindergarten Sat.1." Und das alles zu den Klängen der Beatles - "Lucy in the Sky with Diamonds"- Was sonst?

Bis zum Schluss schlechte Quoten

Bei den Zuschauern scheint Harald Schmidts Abschied von Sat.1 kein gesteigertes Interesse gefunden zu haben: Nur rund 660.000 schalteten am späten Donnerstagabend die Late-Night-Show ein, wie der Sender am Freitag mitteilte, ein Marktanteil von 5,3 Prozent. Seit seiner Rückkehr von der ARD zu Sat.1 im September vergangenen Jahres hat Schmidt durchschnittlich 5,4 Prozent Marktanteil erzielt. Der Marktanteil des gesamten Programms von Sat.1 lag im April bei durchschnittlich 10,9 Prozent. Die Abschiedssendung von Schmidt sahen nur rund 260.000 Zuschauer der werbe-relevanten Altersgruppe 14 bis 49 Jahre, das ist ein Marktanteil von 4,5 Prozent. (mit dapd)