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Kritische Interviewfragen lässt Angela Merkel einfach an sich abperlen. Im ZDF-Sommerinterview mit Bettina Schausten will die Bundeskanzlerin vor allem eines: dem Wähler die Angst vor einer Rezession nehmen.

Angela Merkel hat eine frohe Botschaft mitgebracht: Die Menschen brauchen sich keine Sorgen machen. „Ich sehe nichts, was auf eine Rezession in Deutschland hindeutet“, sagte die Kanzlerin am Sonntagabend im letzten ZDF-Sommerinterview der Saison. Ja, die Finanzmärkte seien nervös, und ja, die hohe Staatsverschuldung in der Eurozone sei ein gewichtiges Problem, aber sie glaube, so Merkel, dass „wir eine Chance haben, auf dem Weg des Aufschwungs weiter zu gehen“.

Glauben und wissen, das weiß der informierte Leser, sind in Zeiten von dramatisch absinkenden Börsenkursen und milliardenschweren Rettungsschirmen, die nicht wirken wollen, zwei verschiedene Dinge. Aber in der Bibliothek des Kanzleramtes saß Bettina Schausten an diesem Sonntagabend eine Kanzlerin gegenüber, die es mit all der ihr zur Verfügung stehenden rhetorischen Finesse vermeiden wollte, Definitives zu verkünden.

In der Regierungszentrale war „Tag der offenen Tür“. Bürger durften einen Blick hinter die Kulissen der Macht werfen. Da musste es doch der Leiterin des Hauptstadtstudios in Berlin einmal gelingen, auch bei der Kanzlerin einen Blick hinter die abgeklärte Fassade zu erhaschen. Nein, es war wohl zu viel verlangt. Immerhin, sie erhoffe sich „offene Antworten“, hatte Schausten zu Beginn des Gesprächs kundgetan – ein frommer Wunsch gerichtet an eine Frau, die gemeinhin dafür bekannt ist, klare Kante zu meiden.

Sechs Jahre an der Regierungsspitze – das übt im Verkünden von Allgemeinplätzen

Und so blieben Merkels Aussagen auch dieses Mal wieder im Ungefähren. Zwischen April und Juni war die deutsche Wirtschaftsleistung weniger stark gestiegen als zunächst von Experten vorhergesagt. Der Dax hatte in der vergangenen Woche 8,6 Prozent an Wert eingebüßt. Ob sie sicher sei, dass sich die Turbulenzen an den Börsen nicht auch in der Realwirtschaft niederschlagen, fragte Schausten. Voraussagen seien in diesen schwierigen Zeiten „nicht einfach“, antwortete die Kanzlerin. Die Arbeitsmarktentwicklung gebe aber Grund zur Hoffnung.

Wieder einmal ging Merkel damit auf Nummer sicher, ließ sich ein Hintertürchen offen. Falls die Ereignisse sie überholen sollten, Gesagtes im Fall der Fälle später revidiert werden muss. Die „Teflon-Kanzlerin“ hatte ein Kommentator Merkel einmal genannt – weil Angriffe, Kritik und Widerspruch an ihr abperlten wie Wasser von einer beschichteten Pfanne. Ähnlich ist es mit kritischen Interviewfragen. Merkel ließ im Sommerinterview nichts an sich heran, keine Frage konnte sie aus der Ruhe bringen. Sechs Jahre an der Regierungsspitze – das übt im Verkünden von Allgemeinplätzen.

Schuldenkrise, Atomwende, Libyen-Krieg – Merkel wiederholte bekannte Statements

Am vergangenen Dienstag hatte sich das deutsch-französische Tandem Sarkozy-Merkel auf mögliche Strategien aus der Schuldenkrise verständigt. „Die Lösung der jetzigen Krise ist mit Eurobonds nicht möglich“, wiederholte Merkel ein Statement, das zu diesem Thema genau so schon ein Dutzend Mal von ihr zu hören war. Was sie damit natürlich nicht sagte: Ich schließe gemeinsame Anleihen aller Euro-Länder ein für alle Mal aus.

Es dürfe schlichtweg nicht mehr möglich sein, dass windige Finanzmarktakteure einen Staatsbankrott herbeispekulierten, ging es weiter. Wenn alle Euroländer eine Schuldenbremse in ihre Verfassung schreiben würden, wie Deutschland es getan hat, dann sei das ein wichtiger Schritt weg von der „Schuldenunion“ hin zur „Stabilitätsunion“, urteilte die Kanzlerin. Was sie verschwieg: Wie sie es schaffen will, neben Frankreich 15 weitere Staaten von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich selbst das Schuldenmachen zu verbieten.

Bettina Schausten stellte Fragen zum Libyen-Krieg und zum Profil der Union angesichts Atomwende, Wehrpflicht- und Hauptschulabschaffung. Merkel antwortete nach Schema F. Das letzte Sommerinterview verlief ganz so, wie es zu erwarten war: Die Teflon-Kanzlerin war einfach nicht zu fassen.