Dortmund. Franziska Reichenbacher ist von Beruf Lottofee. Am Samstag zieht sie zum 500. Mal in Frankfurt die Lottozahlen. Bevor sie zum Fernsehen ging, war sie Model - und hat keine guten Erinnerungen daran. Was sie am Laufsteg und an Heidi Klums Model-Show nervt, verriet sie Jürgen Overkott.
Sie tragen eine Kette mit einer Art silbernen Weltkugel. Ist das Ihr Glücksbringer?
Franziska Reichenbacher: Ich hatte geahnt, dass Sie danach fragen würden.
Sie haben meine Frage gewissermaßen provoziert?
Reichenbacher: Ich hatte in dem Moment, als ich die Kette in der Hand hatte, die Eingebung, dass ich danach gefragt werden würde. Und ich hatte überlegt, was ich dann sagen könnte.
Welche Variante werde ich hören?
Reichenbacher: Ich finde die Assoziation Weltkugel sehr schön, mich erinnert das auch an einen Erdball - aber das Design hat vermutlich nichts damit zu tun.
Womit denn?
Reichenbacher: Es ist nur ein Modeschmuck. Ich mag lange Ketten, stehen mir besser als kurze.
Kein Widerspruch. Ich will Sie trotzdem nicht aus der Frage nicht entlassen: Haben Sie einen Glücksbringer?
Reichenbacher: Hm, ich gehe eher spielerisch damit um. Ich habe keinen festen Glücksbringer, die man wie einen abgeliebten Teddybären seit Kindertagen mitschleppt. Dafür habe ich mehrere wie diesen kleinen Glückskäfer. Er erinnert mich an einen Tag, der sehr gut gelaufen ist. Den Käfer trage immer in meiner Tasche mit mir herum. Ich habe ihn seitdem nicht mehr herausgenommen.
Darf ich den Käfer mal sehen?
Reichenbacher: (augenzwinkernd) Wehe, der geht verloren!
Auf keinen Fall!
Reichenbacher: Und dann gibt es noch einen Glücksbringer. Zu dem gehört eine Geschichte. Es gab nämlich mal den ehemaligen Intendandanten des Hessischen Rundfunks Wolfgang Lehr, der mir mit den allercharmantesten Worten einen vergoldeten Glückspfennig überreichte. Im Nachhinein war ich sehr amüsiert, als ich erfuhr, dass er diesen Glückspfennig allen möglichen jungen Damen überreichte. Ich habe ihn auch weiterhin in meinem Portemonnaie gelassen. Und einen dritten Glücksbringer haben wir im Auto: die Feder eines Waldvogels, die mein Mann gefunden hat, die hängt seit über 20 Jahren am Rückspiegel, ist von Auto zu Auto mit umgezogen. Und ich habe ihm noch einen kleinen Vogel aus Holz dazugehängt, einen Raben. Wir haben noch nie einen Unfall gehabt.
Also haben die Glücksbringer gewirkt.
Reichenbacher: Sieht wohl so aus, dabei glaube ich gar nicht so sehr an Glücksbringer. Es ist mehr ein Spaß, ich bin nicht esoterisch oder abergläubisch, bin eher realistisch.
Haben Sie die Glücksbringer eigentlich gar nicht gebraucht?
Reichenbacher: Das würde ich nicht wagen zu sagen, wer weiß… Aber im Moment bin ich schon eher glücklich.
Sehen Sie sich als Glückskind?
Reichenbacher: Arrrgh, diese Frage!
Ein Mensch, der bei den wichtigen Entscheidungen des Lebens meist die richtige Wahl trifft.
Reichenbacher: Ich weiß es nicht. Ich habe für mich noch nie den Begriff “Glückskind” verwendet. Heute kann ich sagen, dass ich in glücklichen Umständen lebe, das war aber nicht immer so. Ich hatte Zeiten, in denen ich extremst unglücklich war. Das fiel in die Zeit, in der man sowieso alles in Frage stellt, zwischen zwölf und zwanzig. In der Schule gab es eine Phase, in der ich beinahe das Abitur geschmissen hätte. Und weil es zuhause auch immer Streß gab, bin ich schon vor dem Abitur ausgezogen.
Das war doch mutig, das war doch der Versuch, auf eigenen Beinen zu stehen. Sie wollten Ihr Glück in die eigene Hand nehmen.
Reichenbacher: Ich hatte das Glück, dass ich verständnisvolle Lehrer hatte. Sie konnten trennen zwischen Schulleistung und Krise. Na ja, zum Schluss hatte ich sogar ein sehr gutes Abitur. Und dann hatte ich das Glück, dass ich meinen heutigen Mann kennen lernte. Er hat mir in vieler Hinsicht geholfen. Ich stand vor der Frage: Was mache ich mit meinem Leben? Welchen Beruf soll ich wählen? Damals bin ich zunächst mal Model geworden.
Wenn ich den Erfolg von Heidi Klums “Germany’s Next Topmodel” sehe, scheint das ja für viele Mädchen eine Form von höherem Glück zu sein.
Reichenbacher: Für mich war es grauenhaft. Es war allerdings sehr gut, es auszuprobieren, um zu erkennen, wie furchtbar es ist. Was bei Heidi Klum im Fernsehen vorgeführt wird, ist eine Show, es ist inszeniert, hat wenig mit dem Job zu tun.
Was ist denn so schrecklich am Model-Dasein?
Reichenbacher: Zuerst fand ich das sehr toll. Ich war groß und sehr schlank, hatte mit 16 mit kleinen Fotojobs und Modenschauen angefangen, für Wella gearbeitet, als Haar-Model, die haben mir erstmal die langen Haare abgeschnitten und mit einen Look mit platinblonden, raspelkurzem Haar verpasst. Das war damals total in. Dann verdiente ich mein erstes Geld, stand komplett auf eigenen Füßen. Als 19-Jährige flog ich von Mailand nach London und dann nach Paris - das hatte etwas von großer, weiter Welt. Das mochte ich auch. Was ich mir dann klar wurde: Model zu sein ist entwürdigend. Man spielt als Person überhaupt keine Rolle. Es geht nur um das Äußere. Die Haare, die Nase, die Füße, der Hüftumfang. Man muss liefern, was der Kunde bestellt hat.
Das ist so standardisiert wie die EU-Norm für Eier.
Reichenbacher: Ich kannte Mädchen, die ihren Job ganz kalt machen konnten. Sie waren nach außen strahlende Fassade. Ich konnte das nicht. Ich bin da ein ganzheitlicher Typ. Als ich 22 war, habe ich aufgehört, war wirklich geheilt. Es ist ein knallhartes Geschäft, es ist ein seelenloses Geschäft. Ich gehe heute an den Plakaten vorbei, und diese unwirklichen Fotoschönheiten sind mir egal.
Hatte Ihre Entscheidung etwas mit gewachsenem Selbstbewusstsein zu tun?
Reichenbacher: Ich hatte eine Riesensehnsucht, jetzt endlich wieder etwas für den Kopf zu tun - und nicht nur auf das Äußere reduziert werden. Angefangen habe ich das Modeln wohl eher wegen eines nicht-vorhandenen Selbstbewusstseins. Ich glaube, das ist das Paradoxe bei vielen Models: Man selbst findet sich gar nicht hübsch hat sogar eher Minderwertigkeitskomplexe. Das war bei mir auch so. Ich habe ein eher flächiges Gesicht, was zwar für die Kamera gut geeignet ist, aber im wirklichen Leben eher unscheinbar ist. In der Schule galten immer andere Mädchen als die Schönsten. Im Nachinein denke ich, dass ich diese Herausforderung gesucht habe, um mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. .
Sind Sie ein Wettkampftyp?
Reichenbacher: Nein, überhaupt nicht. Nein, ich wollte wissen, ob ich das schaffe. Ich dachte, wenn ich dort bestehe, habe ich die Gewissheit, dass ich etwas wenigstens ein bisschen hübsch bin. Aber ich habe später herausgefunden, dass ich diese Art von Anerkennung nicht brauche und nicht will. Sie ist hohl, verlogen, sie meint nicht dein Herz, deine Person, sondern die Haare oder die Nasenspitze. Alles Talmi, alles Katzengold.
Was haben Sie erkannt, dass das Fernsehen Ihr Medium ist?
Reichenbacher: Eine meiner besten Freudinnen hat damals Journalistik in München studiert, und sie hat mich dafür begeistert. Mit der Sprache zu arbeiten war immer mein Ding. Während des Studiums bin ich zum Radio gekommen, habe im Kinderfunk moderiert. Und dann habe ich überlegt, wie komme ich vom Radio zum Fernsehen?
Und dann entstand bei Ihnen der Berufswunsch „Lottofee“.
Reichenbacher: Aber gewiss nicht… Schon während meines Studiums hatte ich ganz viele Castings gemacht, bei allen Sendern, immer mit Absagen. Zum Glück kam die erste Zusage gerade da, als ich den Magister in der Tasche hatte; ich ging zu einem lokalen Nachrichten-Sender in Berlin. Ja, und dann klingelte plötzlich bei mir das Telefon, und ich erhielt einen geheimnisvollen Anruf, ich würde bald ein Angebot erhalten, man dürfe aber noch nicht sagen, worum es gehe.
Und dann?
Reichenbacher: In dieser Zeit, im Herbst 1997, wurde beim Hessischen Rundfunk heimlich eine Nachfolgerin für Karin Tietze-Ludwig gesucht. Sie wollte aufhören. Man wollte ihren Abschied bekannt geben und gleichzeitig ihre Nachfolgerin präsentieren. Na ja, und bei den heimlichen Castings fand man niemanden. Schließlich wurde der damalige Unterhaltungschef gefragt, ob er nicht jemanden wüßte - er war nämlich auch Fortbildungsbeauftragter für Moderatoren. Und dem bin ich eingefallen und er empfahl mich schließlich. Letztlich hat mich der Hessische Rundfunk vom Fleck weg engagiert, mir quasi am Telefon angeboten, die Ziehung der Lottozahlen zu präsentieren. Manchmal kommt etwas Positives in einem Moment, oder aus einer Richtung, womit man gar nicht gerechnet hat.
Und so sind Sie auf den Titel Ihrer Gedicht-CD gekommen: „Und auf einmal steht das Glück neben Dir“.
Reichenbacher: Naja, dieser Satz von Joachim Ringelnatz lässt natürlich mehrere Deutungen zu. Es stammt aus einem sehr traurigen Gedicht, und dieser Satz trifft genau diese Hoffnung, dass das Glück auf einmal kommt. Daran muss man schon immer glauben, deswegen habe ich diesen Untertitel gewählt. Die Geschichte mit der ‚Lottofeesuche’ ist schon lange her, aber es war halt witzig, weil ich vorher wirklich viele Absagen kassiert habe. Beim Hessischen Rundfunk ging es dann ganz schnell, kaum hatten die mich kennen gelernt, hatten sie schon mit Karin und mir zur Pressekonferenz gebeten.
Sie sprechen von Karin. Verstehen Sie sich gut mit ihr?
Reichenbacher: Wir haben uns immer super verstanden, und manchmal sehen wir uns noch.